Tesla: Das steckt hinter dem Hype-Konzern

Im Valley gilt Wachstum mehr als Grösse

Dem Hype um Tesla können solche rationalen Erklärungen nicht viel anhaben, zumal im Silicon Valley Wachstum mehr gilt als absolute Grösse. Vor allem beim Wachstum lässt Tesla alle etablierten Konzerne hinter sich. So stieg der Umsatz von 413 Millionen US-Dollar im Jahr 2012 - dem Präsentationsjahr des Model S - auf sieben Milliarden US-Dollar im Jahr 2016. Absolut gesehen ist Tesla damit jedoch immer noch ein kleiner Fisch: Die VW-Gruppe setzt pro Jahr über 200 Milliarden Euro um, allein der VW-Forschungsetat ist deutlich höher als der Tesla-Gesamtumsatz. Zudem verdienen Konzerne wie VW - trotz Dieselskandal - jedes Jahr fleissig Geld; allein im vergangenen Jahr konnten die Wolfsburger über sieben Milliarden Euro verbuchen. Kein Wunder, stehen doch rund 90.000 produzierten Teslas über zehn Millionen Volkswagen, Audis und andere Autos des Konzerns gegenüber, die 2016 weltweit vom Band liefen.

Börsianer lieben Tesla 

Nicht nur die Fans, auch die Börsianer lieben Tesla. Mit dem Umsatz hat sich zwar auch der Verlust erhöht (allein in den letzten drei Jahren kamen fast zwei Milliarden Dollar an operativem Minus zusammen), doch den Aktienkurs beeinflusst das nicht, er hat sich seit 2013 verzehnfacht. Die Marktkapitalisierung liegt bei 50 Milliarden US-Dollar. Im Juni 2017 erreichte sie mit 62 Milliarden einen Spitzenwert - Tesla war an der Börse mehr wert als BMW. Rational ist das nicht zu erklären. BMW baut nicht nur 40-mal so viele Autos wie Tesla, die Münchner erzielten damit 2016 auch fast zehn Milliarden Euro Gewinn.  
Die Verluste seines Unternehmens erklärt Musk mit den gewaltigen Investitionen. So entsteht derzeit in Nevada die erste Gigafactory, das flächenmässig grösste Gebäude der Welt. Dort will Tesla die Unmengen von Batterien produzieren, die man für den nächsten Streich braucht - das eingangs erwähnte Model 3, das zum Millionenseller werden soll. Der neue kleine Tesla, der mit Preisen ab ca. 35.000 US-Dollar etwa halb so viel kosten wird wie ein Model S, hat die Fangemeinde elektrisiert. 
Ohne den Wagen auch nur einmal in Natura gesehen oder gar darin Probe gesessen zu haben, erwarben mehr als 400.000 Menschen eine Kaufoption - und leisteten dafür 1.000 Dollar (beziehungsweise Euro) Anzahlung. Allein am Tag der Vorstellung des ersten Prototypen im April 2016 haben angeblich über 100.000 Kunden vorbestellt - dagegen wirkt jede Warteschlange vor einem Apple-Store am Erstverkaufstag eines neuen iPhones irgendwie ärmlich. Dieser Bestelleingang verschafft Musk nicht nur ein zinsloses Darlehen von über vier Milliarden US-Dollar, es sichert ihm auch ein Auftragspolster, das für mindestens zwei Jahre reichen dürfte.

Kritische Fragen werden nicht gestellt

Auf konventionelle Werbung kann das Unternehmen angesichts dieser riesigen Fanbase getrost verzichten - auf konventionelle Pressearbeit ebenso. Journalisten etablierter Auto-Zeitungen müssen sich hinten anstellen, wenn es darum geht, einen Tesla für einen Testbericht zu ergattern. Wichtiger sind Tech-Blogs und Influencer im Netz, die oft als Erste ihre von grosser Begeisterung getragenen Eindrücke verbreiten. 

Braucht man eine Gigafactory?

Diese Begeisterung verhindert auch allzu kritische Fragen, so zum Beispiel die nach der Notwendigkeit einer gigantischen Stromspeicherfabrik in der Wüste von Nevada. Während Musk betont, dass ein solcher Schritt unerlässlich sei, weil er sonst nicht genügend Akkus für seine Autos bekommen könne, hat E-Auto- Pionier Nissan, der mit dem Nissan Leaf das bislang meistproduzierte E-Auto der Welt auf dem Markt hat, gerade sein Batteriewerk an einen chinesischen Investor verkauft.
Andererseits: Von Nissan-Chef Carlos Ghosn ist auch nicht bekannt, dass er zum Mars fliegen möchte.




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