Unternehmerporträt 12.04.2023, 08:57 Uhr

Michael Otto wird 80 Jahre alt: Chancen des E-Commerce früh erkannt

Von Unternehmerkollegen "auch schon einmal als Ökospinner tituliert", hat es Michael Otto geschafft, aus seinem Unternehmen den weltweit fünftgrössten Internethändler zu machen. Möglich war das auch, weil Otto sehr früh die Chancen des E-Commerce erkannt hatte.
Michael Otto
(Quelle: Werner Bartsch)
Einst schon mal als "Ökospinner" bezeichnet, gilt der Hamburger Unternehmer Michael Otto längst als einflussreicher Vordenker in Sachen Klima- und Umweltschutz in der Wirtschaft. 1986, als das Thema unter Firmenlenkern noch eher exotisch war, erklärte Otto als damaliger Chef des gleichnamigen Versandhändlers die Umwelt zum offiziellen Unternehmensziel - mit zunehmend ehrgeizigen Zielmarken in Sachen CO₂-Neutralität. Am Mittwoch, 12.4., feiert der Hamburger Ehrenbürger seinen 80. Geburtstag.

Sein Engagement hat Otto in Medien Etiketten wie "Werte-Unternehmer" und "grüner Kapitalist" eingebracht. Zudem gab es immer wieder renommierte Auszeichnungen wie den "Öko-Manager des Jahres" (1991), den "Deutschen Umweltpreis" (1997) und zuletzt den Weltwirtschaftlichen Preis des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW, 2021). "Es gibt im Norden Deutschlands keine andere grosse Unternehmerpersönlichkeit wie Sie, die sich so früh und auch so konsequent für das Thema Nachhaltigkeit interessierte", sagte der damalige IfW-Präsident Gabriel Felbermayr in seiner Laudatio. Von Unternehmerkollegen "auch schon einmal als Ökospinner tituliert", habe es Otto gleichwohl geschafft, aus seinem Unternehmen den weltweit fünftgrössten Internethändler zu machen.

Chancen des Internets erkannt

Möglich war dieser Unternehmenserfolg auch, weil Otto sehr früh die Chancen des Internets und der Internationalisierung erkannt hatte. Als in den 1990er Jahren das Internet für alle geöffnet wurde, "waren wir bereits im Thema und starteten sehr früh die ersten Internetprojekte und etablierten 1995 als einer der ersten Versandhändler einen Onlineshop, obwohl damals in Deutschland nur 250 000 Menschen Zugang zum Internet hatten", berichtet er.

Aus der Chefetage des Otto-Konzerns hat sich Otto zwar schon 2007 verabschiedet, 26 Jahre nachdem er den Vorstandsvorsitz vom Unternehmensgründer, seinem Vater Werner Otto übernommen hatte. Seitdem lenken mit Hans-Otto Schrader und Alexander Birken (seit 2017) familienfremde Manager die Otto-Geschicke. Doch als Aufsichtsratsvorsitzender hält Michael Otto dennoch weiter wichtige Fäden in der Hand. Seine Mehrheitsbeteiligung an Otto hatte er 2014 in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht. "Mir war dabei wichtig, dass die Familie immer das Sagen hat und der Hauptsitz unseres Unternehmens in Hamburg bleibt und beispielsweise nicht in irgendeine Steueroase verlagert werden kann", so Otto.

Fliessender Übergang

Mit Blick auf die Übergabe an seinen Sohn Benjamin sagte Vater Michael dem "Spiegel" kurz vor seinem Geburtstag: "Das wird in den kommenden Jahren ein fliessender Übergang." Er sei da mit seinem Sohn in bester Abstimmung. "Wir wollen das pragmatisch handhaben. Es muss für uns beide, aber vor allem für meinen Sohn passen."
Dass es bei der Otto Group nach Rekordjahren während der Corona-Pandemie an der einen oder anderen Stelle inzwischen ernsthafte Krisen gibt - Mytoys wird eingestellt, bei About You ist der Börsenkurs eingebrochen - hat laut Otto keinen Einfluss auf die Übergabe. Für die Terminierung habe das keine Rolle gespielt, sagte Otto. "Aber, ja, selbstverständlich möchte ich das Unternehmen in einer möglichst guten Phase übergeben."

Ärger wie in anderen grossen Unternehmerfamilien gibt es bei den Ottos offensichtlich kaum. Er und sein Sohn diskutierten über viele Themen und hätten etwa bei der Nachhaltigkeit oder der Digitalisierung eine hohe Übereinstimmung, sagte Otto. "Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, dann testen wir es und probieren aus, welcher Weg richtig ist. Das weiss man vorher ja meist nicht."

Dass sein Sohn eines Tages alles verkaufen oder spenden könnte, sieht Michael Otto nicht. Er sei ja begeistert vom Geschäftsmodell. "Zudem habe ich die Mehrheit der Anteile in Abstimmung mit meinen Kindern in eine Stiftung gegeben." So bleibe Otto als Unternehmensgruppe erhalten, "und künftige Generationen werden sie über den Stiftungsrat weiter begleiten".

Begrenzte Belastbarkeit unseres Planeten

Michael Otto ist immer noch sehr präsent, wenn es in öffentlichen Debatten um drängende Fragen der Zeit geht - wie eben den drohenden Klimakollaps. In seinem, wenige Tage vor dem Geburtstag erschienenen Sammelband "Das Michael Otto Prinzip" beschreibt er, wie ihn 1972 Dennis Meadows' Bericht an den Club of Rome über die "Grenzen des Wachstums" beeindruckt habe. "Dieser Bericht rüttelte eine ganze Generation auf - mich eingeschlossen", schreibt Otto. Der Unternehmer gründete beispielsweise bereits 1993 seine eigene Umweltstiftung mit dem Ziel, den Schutz und Erhalt der Lebensgrundlage Wasser zu unterstützen.
Das neue Bewusstsein für die begrenzte Belastbarkeit unseres Planeten sei sehr wichtig gewesen - "aber noch wichtiger fand ich es zu handeln", fügt er hinzu. "Dabei reicht es nicht, nur Forderungen und Ermahnungen an die Politik oder die Wirtschaft zu richten, sondern jeder muss bei sich selbst anfangen. Dieses Prinzip der Verantwortungsübernahme gilt für jeden Bürger, aber selbstverständlich auch für jeden Unternehmer."

Mit weiteren Stiftungen und regelmässigen Finanzspritzen für soziale, ökologische und kulturelle Projekte verfolgt Otto sein Selbstverständnis als "Unternehmer, Stifter und Bürger", wie er sich auf seiner Homepage nennt. "Die Wirtschaft muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt", lautet sein Credo. Zuletzt spendete er zu seinem Geburtstag etwa eine Million Euro an eine NDR-Benefizaktion, die "Hand in Hand für Norddeutschland", die unter anderem Menschen helfen soll, die in Folge des Ukraine-Krieges flüchten mussten. "Ich war selbst einmal Geflüchteter", begründet der 1943 im damals westpreussischen Kulm, dem heutigen Chelmno in Polen, geborene Otto die Spende. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs floh Otto im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie in den Westen.




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