Der grosse Google-Umbau

Googles Wachstum ist fürs Silicon Valley eher langsam

Was das langfristige Kapitalwachstum ­angeht, können sich Google-Aktionäre ­eigentlich nicht beschweren: Seit dem Börsengang im August 2004 hat sich der Wert der Google-Aktie mehr als versechsfacht. Doch was in der Old Economy nach einer kaum zu toppenden Erfolgs­geschichte klingt, sieht im Vergleich zu ­anderen Internet-Senkrechtstartern fast schon langsam aus.
So verdreifachte sich der Facebook-Kurs seit dem Börsengang vor drei Jahren von rund 30 auf 90 US-Dollar. Auch Apple - mit 764 Mrd. US-Dollar Marktkapitalisierung fast doppelt so viel wert wie Google - vervierfachte den Wert seiner Aktie in den vergangenen fünf Jahren, während das Google-Papier im selben Zeitraum seinen Kurs "nur" verdreifachte. Zum Vergleich: Der DAX stieg seit Mitte 2010 um 84 Prozent.
Während konservativ gestrickte Finanzbeobachter immer noch Mühe haben, die Dynamik der Silicon-Valley-Industrie zu begreifen, verspricht Page seinen Aktionären für die ­Zukunft ein verschärftes Investitionstempo. In ­einem Brief an die Investoren äussert er den Wunsch, man möge den neuen Namen der Holding in Gedanken mit einem Strich zwischen dem "Alpha" und dem "bet" aussprechen, - quasi als eine ­herausragende Option für überdurchschnittliche Investitionsgewinne.
Im selben Atemzug macht Page klar, dass die Holding als Marke kaum sichtbar sein wird: "Wir streben nicht an, aus ­Alphabet eine grosse Consumer-Marke zu machen. Der Punkt ist, dass die Alphabet-Unternehmen unabhängig sein und ihre eigenen Marken entwickeln sollen." Damit, so vermuten Analysten, könne die ­gesamte Organisation der Google-Unternehmen schlanker und ­effizienter ausfallen, zudem müssen einzelne Firmenteile weniger Rücksicht aufeinander nehmen. Sie können leichter ein- und ausgegliedert werden und Allianzen und Kooperationen eingehen. Keith Rabois vom Tech-Blog ­Mashable geht gar so weit zu glauben, dass Alphabet die Antwort auf Befürchtungen von Kritikern sein könne, denen Google zu gross und mächtig werde.
Was die Untersuchungen der EU-Kommission aus Brüssel gegen Google angeht, darf man diese Vermutung durchaus bezweifeln. Denn gemessen an Google, Inc. sind alle anderen Unter­nehmungen unter dem Dach der neuen Holding (noch) kleine Fische. Das Geld für die Entwicklungen von Drohnen, Gesundheits-Kontaktlinsen und selbstfahrenden Autos kommt bislang aus den nie versiegenden Werbeerlösen, die Adwords, Adsense und Doubleclick einspielen. Und die Vorwürfe, die die EU-Kommission ­gegen Google erhebt, beziehen sich ­ausschliesslich auf die Verquickung von Werbung und eigenen Produkten in der Suchmaschine.
Hätte Google eine Entflechtung nach Massgabe der EU im Sinn gehabt, hätte man das Werbegeschäft und
Sundar Pichai wurde 1972 in der südindischen Stadt Chennai geboren. Kurz vor Googles Börsengang wechselte Pichai zum Suchmaschinengiganten. Er leitete die Entwicklung des Chrome-Browsers und anderer Google-Services. Seit dem 10. August 2015 ist er CEO von Google, Inc
Android von der Suchmaschine trennen müssen, doch davon ist im Alphabet-Organigramm nichts zu sehen. All diese Bereich bleiben bei dem Unternehmen, das von dem Mann geführt wird, der bei der Entwicklung zahlloser Google-Gewinnbringer den Hut aufhatte: Sundar Pichai.
Bleibt der Name der neuen Holding, der für Verwirrung sorgt. Google war ein Kunstwort, geprägt aus dem Begriff "Googol", der für eine Zahl mit einer eins und hundert Nullen steht. Alphabet ist hingegen ein solch alltäglicher, generischer Begriff, dass man sich über seine Schlichtheit wundern muss. Firmenchef Page plant offenbar ein ganzes Alphabet neuer Firmen. Anders ist der Satz auf der bislang weitgehend inhaltsleeren Startseite der Holding kaum zu verstehen: "G is for Google".
Allerdings ist Alphabet kein unbeschriebenes Blatt. Die Domain Alphabet.com ist bereits weg, registriert von der BMW AG für ihr gleich­namiges Tochterunternnehmen, das sich um die Betreuung von Dienstwagenflotten kümmert. Derzeit, so heisst es aus München, prüfe man, ob ­Namensrechte verletzt werden.
Das Domain-Problem hat Google indes elegant umschifft: Wer auf die Alphabet-Startseite möchte, muss einfach nur abc.xyz eingeben. Wer sich stattdessen fragt, was der ganze Quatsch soll und deshalb abc.wtf in seinen Browser eintippt, der landet bei der Konkurrenz - genauer gesagt: bei Bing von Microsoft. 

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Sieben der ersten 20 Mitarbeiter sind immer noch bei Google. Wer waren die ersten und was machen sie heute? Online PC stellt einige der Google-Pioniere vor.




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