Schweizer Händler setzen den Rotstift an
21.11.2023, 12:38 Uhr
Schweizer Händler reduzieren Belegschaft und Filialen
Microspot, Melectronics, Fust, Steg und Media Markt: Der Aderlass bei den E-Commerce-Händlern geht weiter. Wohin führt das Ganze? Der Weg zum Abgrund.
Was bisher geschah: Der Detailhändler Fust, der Teil der Coop-Familie ist, will sich in der Schweiz neu aufstellen. Genau, von einer «Neuausrichtung» ist die Rede. Und das mit gravierenden Folgen für die Belegschaft. Die rund 160 Verkaufsstellen in der Schweiz und 2000 Mitarbeiter kommen auf den Prüfstand. Konkret sollen mindestens 90 Stellen gestrichen werden. Gerade bei der Grösse wird das Mutterhaus Coop genau hinschauen: Das Fust-Filialnetz kommt auf eine Verkaufsfläche von etwa 85’000 Quadratmeter. Aus Sicht von Coop wohl eine tote Fläche, die viel zu viel Geld verschlingt. Fällt die Fläche also weg, werden auch nicht mehr so viele Mitarbeiter benötigt.
Zurück zur Sache: Fust hat seine Mitarbeiter inzwischen von der «Umstrukturierung» in Kenntnis gesetzt. Kündigungen werden wohl nicht ausgesprochen. Wie gravierend die Lage aber ist, zeigt der Satz von Unternehmenssprecher Raphael Tür:
«Geht ein Angestellter, wird seine Stelle nicht neu besetzt.» Wir fragen uns: Sieht so eine Neuausrichtung aus?
Schweizer Händler: Fünf nach Zwölf?
Fust ist längst kein Einzelfall: Über die gesamte E-Commerce-Branche rollt derzeit eine gewaltige Lawine hinweg: Steg hat, wie PCtipp berichtete, komplett dicht gemacht. Die Marke Microspot geht nach 15 Jahren in den Ruhestand. Die Läden/Mitarbeiter werden in Interdiscount eingegliedert. Melectronics integriert ihre Läden, als Shop-in-Shop-Abteilungen in Migros-Supermärkten. Dabei hat Migros den Anfang gemacht. Wir erinnern uns: Bereits Anfang 2023 hat der Genossenschaftskonzern beschlossen, den Heimelektronikshop Melectronics neu auszurichten und dazu rund 25 Prozent der Verkaufsstellen zu schliessen. Und nun ist Media Markt an der Reihe: Der Multimediahändler reduziert als Teil ihrer neuen Digitalstrategie zu der übrigens auch der fehlgeschlagene Versuch zählt, einen gedruckten Flyer ohne Preisangaben auszulegen, ihre Verkaufsflächen in den Läden. Und zwar radikal. Online PC hat nachgemessen: In der Sihlcity-Mall schrumpfte die ursprüngliche Verkaufsfläche (im 3. Stock) um gut ein Drittel. Damit kappt Media Markt ihre Jahrzehnte lang durchgeführte und durchaus erfolgreiche Strategie, nämlich Verkaufsfläche an Hersteller zu verkaufen, damit diese ihre Produkte prominent darstellen können, um sie dort an Mann und Frau Schweizer zu bringen.
Wir denken: «Ein Stich in die DNA von Media Markt und zugleich Schritt, der tiefe Wunden hinterlassen dürfte.»
Warum (klassische) Händler, die auf einen physischen Laden setzen, besonders leiden? Ganz klar: Das Internet gibt den Ton an. Onlineplattformen brummen. Die Pandemie hat das Szenario zusätzlich verschärft. Es gilt die Devise: Kosten (dazu zählt «tote» Verkaufsfläche) zu sparen. Personal reduzieren. Aufgaben, wenn möglich, auf breite(re) Schultern zu übertragen. Sich von nicht profitablen Geschäftszweigen schnellstmöglich zu trennen. Und ganz wichtig: Die eigene Onlinepräsenz (ver)stärken und sich umfassend aufstellen. Hier sehen die Firmenbosse grosses Gewinnpotenzial. Der Trend ist ihr «friend»: Kunden sind zunehmend digitalaffin, wollen dort schnell Preise vergleichen. Und auch bei den Lieferbedingungen erhöht sich das Tempo. Die Ware landet mittlerweile innert einem Tag, spätestens am zweiten Tag beim Kunden. Und das in der Regel kostenlos (meist ab einem Bestellwert von Fr. 50.-). Hier kann das klassische Filialnetz eines Händlers nur schwer mithalten.
Meinung: Herzlich willkommen zum Anfang vom Ende
Die Bedingungen werden spürbar verschärft. Es wird gespart an allen Ecken und Enden. Die Gefahr: Qualität und Unabhängigkeit bleiben auf der Strecke. Ist der Preis noch das einzige Killerkriterium?
Der Reihe nach: Natürlich haben die Händler, sprich Migros, Coop oder auch die deutsche Saturn-Media-Markt-Holding, immer ein schlagendes Argument: Niemand will draufzahlen, es geht ja um das grosse Ganze. Und: «Wenn man jetzt nicht handelt, wird alles noch viel schlimmer.» Schwierig, dem etwas entgegen zu setzen.
Die Kehrseite: Zu bedenken gilt aber auch, dass bei all den Umstrukturierungen, die oft zulasten der Belegschaft gehen, die Qualität gewahrt bleiben muss. Wir sehen ein paar Dinge, die bei aller Neuaufstellung gut bedacht werden sollten, um es positiv zu formulieren. Und wir zählen mal auf, was wir derzeit im erweiterten E-Commerce-Umfeld sehen:
Die Kehrseite: Zu bedenken gilt aber auch, dass bei all den Umstrukturierungen, die oft zulasten der Belegschaft gehen, die Qualität gewahrt bleiben muss. Wir sehen ein paar Dinge, die bei aller Neuaufstellung gut bedacht werden sollten, um es positiv zu formulieren. Und wir zählen mal auf, was wir derzeit im erweiterten E-Commerce-Umfeld sehen:
Wirklich unabhängig? Händler, die sich ein redaktionelles Umfeld aufbauen oder bereits aufgebaut haben, sei es in einer Print-Plattform als Heft oder auch online, sind und bleiben Händler. Diese wollen am Ende des Tages ihre Ware, sprich Produkte verkaufen. Und sie werden, wenn es ans Eingemachte geht, auch nicht davor scheuen, Leser und Kunden dorthin zu lenken, wo es sich für sie lohnt. Selbst wenn betont wird, dass sie redaktionell unabhängig arbeiten, bleibt doch immer ein fader Beigeschmack.
Die derzeitige Stossrichtung der Schweizer Händler. Läden werden verschwinden oder zumindest deutlich reduziert. Dadurch wird auch der direkte Austausch mit dem Verkäufer spürbar abnehmen, weil schlicht weniger Personal zur Verfügung steht. Im Gegenzug wird man versuchen, dies mit Social-Media-Plattformen (KI-Tools, Video-Chats, Facebook, «X», Youtube-Kanäle, Blogs etc.) zu kompensieren. Der Ausgang? Ungewiss! Es wird viel davon abhängen, ob der Dienst im Detail auch von der «neuen» oder besser gesagt alten Kundschaft angenommen wird. Nur: Wenn jeder der grossen Händler dieses gleiche Ziel verfolgt und so handelt, stellt sich für uns die Frage:
Die derzeitige Stossrichtung der Schweizer Händler. Läden werden verschwinden oder zumindest deutlich reduziert. Dadurch wird auch der direkte Austausch mit dem Verkäufer spürbar abnehmen, weil schlicht weniger Personal zur Verfügung steht. Im Gegenzug wird man versuchen, dies mit Social-Media-Plattformen (KI-Tools, Video-Chats, Facebook, «X», Youtube-Kanäle, Blogs etc.) zu kompensieren. Der Ausgang? Ungewiss! Es wird viel davon abhängen, ob der Dienst im Detail auch von der «neuen» oder besser gesagt alten Kundschaft angenommen wird. Nur: Wenn jeder der grossen Händler dieses gleiche Ziel verfolgt und so handelt, stellt sich für uns die Frage:
Wo ist denn überhaupt noch ein signifikanter Unterschied? Etwa der Preis?
Warum sollte ich als Kunde folglich gerade zu Digitec, Interdiscount, Fust oder Media Markt gehen? Ist es etwa nur noch der Preis, der den Unterschied ausmacht? Wenn dem so ist und es doch nur noch einzig darum geht, wird das Ganze dann nicht ad absurdum geführt? Werden Händler nur noch auf diese Komponente reduziert, hat das dann wirklich noch etwas mit Qualität zu tun?