Die Schweiz reist in die Wolke
30.03.2023, 12:33 Uhr
Der Cloud-Markt wächst rasant
Die öffentliche Hand und die Privatwirtschaft migrieren ihre IT zunehmend in die Wolke und die Data Center bauen ihre Kapazitäten aus, um die steigende Nachfrage stillen zu können. Die Schweiz hat aber nach wie vor Aufholbedarf.
Die Schweiz ist nicht nur mit der Patrouille Suisse, sondern auch mit ihrer IT-Wirtschaft auf der Journey-to-the-Cloud
(Quelle: Daniel Thüler)
Der Cloud-Markt in der Schweiz befindet sich in einem rasanten Wachstum. Gemäss einer Studie des Marktforschungsunternehmens IDC im Auftrag von Microsoft soll sich der Markt für Public-Cloud-Services von 2022 bis 2026 mit einem Gesamtwachstum von 22 Prozent mehr als verdoppeln, und zwar auf über 11 Milliarden Franken. Das grösste Wachstum sieht IDC im Bereich Zentrale Regierung mit 23 Prozent, gefolgt vom Gesundheitswesen, der Fertigung und dem Einzelhandel mit jeweils 22 Prozent und von Finanzdienstleistungen und Bildung mit jeweils 21 Prozent. Dominanteste Kategorie bei den Cloud-Services bleibt Software as a Service (SaaS), die bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum (CAGR) von 18 Prozent bis 2026 dann 56 Prozent des gesamten Cloud-Markts ausmachen soll. Noch schneller ist das erwartete Wachstum der Kategorien Platform as a Service (PaaS) mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von satten 32 Prozent und Infrastructure as a Service (IaaS) mit einem solchen von 23 Prozent; allerdings von einem deutlich tieferen Niveau aus, als dies bei der Kategorie SaaS der Fall ist.
Das Wachstum des Cloud-Markts in der Schweiz wird denn auch deutlich schneller als jenes des Schweizer IT-Markts insgesamt prognostiziert, der laut IDC von 2021 bis 2026 «nur» um 6,5 Prozent wachsen wird. Am grössten sind dort die Erwartungen für das Segment Software mit einem CAGR von 10 Prozent, während bei der Hardware ein CAGR von 5 Prozent und bei den IT-Services von 4 Prozent vorausgesagt werden.
Gross-Rechenzentren boomen
Damit die stark steigende Nachfrage nach Cloud-Diensten gestillt werden kann, braucht es auch ein entsprechendes Wachstum der Cloud-Infrastrukturen, sprich einen Ausbau der Data-Center-Kapazitäten. So ist es nicht verwunderlich, dass derzeit Gross-Rechenzentren wie Pilze aus dem Boden schiessen.
So hat beispielsweise der Anbieter Green Mitte Januar 2023 im zürcherischen Dielsdorf ein weiteres Hochleistungs-Data-Center in Betrieb genommen, das auf einer Fläche von 5600 Quadratmetern Platz für rund 80 000 Server bietet und High-Density-Computing erlaubt, was insbesondere von den Hyperscalern nachgefragt wird. Und dieses Data Center «M» ist erst eines von insgesamt drei, die an diesem Standort, dem Metro-Campus Zürich mit einer Fläche von über 46 000 Quadratmetern, entstehen werden. Aufgrund der grossen Nachfrage erfolgt der Baustart der Data Center «N» und «O» bereits in diesem Jahr. Doch nicht nur Kapazität, auch Nachhaltigkeit steht im Fokus von Green: So sollen die Data Center wenn immer möglich mit Umgebungsluft gekühlt werden, statt maschinell und energieintensiv. Hinzu kommen die Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Gebäude und der Bezug erneuerbarer Energie. Dies erlaubt den Green-Data-Centern einen PUE-Wert nahe von 1 (der PUE-Wert bestimmt das Verhältnis zwischen dem Gesamtenergieverbrauch und der bezogenen elektrischen Energie hinsichtlich der IT-Infrastruktur). Die Abwärme des Data Centers «M» fliesst wiederum in einen künftigen Fernwärmeverbund, wodurch über 3500 Haushalte sowie Gewerbe und Industrie von klimaneutraler Heiz- und Prozesswärme profitieren können.
Auch Digital Realty (vormals Interxion) konnte kräftig ausbauen: Mittlerweile ist der Rechenzentrumsdienstleister mit drei Data Centern in Glattbrugg vertreten: ZUR1 (5 Megawatt Leistung/7417 Quadratmeter), ZUR2 (12 Megawatt Leistung/6300 Quadratmeter) und seit 2022 mit dem nochmals deutlich grösseren ZUR3 (24 Megawatt Leistung/11 400 Quadratmeter). Alle drei Data Center sind als Campuslösung nicht nur miteinander verbunden, sondern bieten auch dieselbe Konnektivität (über 50 Telekom-Carrier, SwissIX, Netzwerkknoten von AWS, Microsoft Azure, Google Cloud). Und auch Digital Realty ist die Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen: So wird nur Strom aus Wasserkraft eingesetzt, zudem soll ab 2025 die Gemeinde Opfikon in den kostenlosen Genuss der Abwärme vom ZUR3 für ihr Fernwärme- respektive Fernkältenetz kommen, womit sich jährlich bis ca. 15 000 Tonnen CO2 einsparen lassen.
Ein weiterer Data-Center-Riese, Equinix, setzt nicht auf Neu-, sondern auf den schrittweisen Ausbau seiner Rechenzentren: Wie Equinix im Mai 2022 mitteilte, erweitert er sein Flagship-Data-Center ZH5 in Oberengstringen um einen neuen Komplex mit über 700 Quadratmetern und rund 240 Cabinets. Im Endausbau bedeutet das 7700 Quadratmeter reine Colocation-Fläche. Geplant sind dort noch zwei weitere Ausbauschritte. Equinix, das bis 2030 einen klimaneutralen Betrieb anstrebt, nutzt für den Betrieb von ZH5 erneuerbare Energie der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ). Ebenfalls wird geprüft, ob die Abwärme in Zukunft an externe Verbraucher abgegeben werden kann. Bereits im vergangenen Jahr weiter ausgebaut – es ist schon die fünfte Ausbaustufe – wurde das Equinix-Data-Center ZH4 im Herzen der Stadt Zürich, und zwar mit einer Datenhalle mit rund 850 Quadratmetern Whitespace und 200 Cabinets. Die Rechenzentren ZH4 und ZH2, die sich im gleichen Gebäude befinden, verfügen somit über noch mehr Colocation-Fläche.