Digitalisierung 22.04.2016, 17:15 Uhr

Year of the Monkey: "Wir spielen noch"

Die Year of the Monkey Conference will zeigen, dass sich durch die Digitalisierung alles ändert. Deshalb referieren hier Basejumper, Marketer und Schulgründer. Komplett gefunden hat sich das Event aber noch nicht.
Tobias Burkhardt, Shiftschool, bei seinem Vortrag über Digital Leadership
Von Tradition kann man bei der "Year of the Monkey Conference" noch nicht sprechen. Im vergangenen Jahr unter dem Namen "Year of the Goat" gestartet, zieht der Veranstalter Year of the X sein chinesisches Horoskop-Konzept durch und wandert aktuell in das Zeichen des Affen. Trotzdem kamen am Donnerstag rund 600 Teilnehmer nach München um, wie vom Veranstalter gefordert, ihren inneren Affen rauszulassen und Impulse rund um die digitale Transformation zu bekommen.
"Wir sehen uns als Innovationsfestival. Und Innovation gibt es in allen Bereichen", sagt Festivalgründer Markus von der Lühe. Entsprechend ist das Programm. Den einen roten Faden sucht man vergebens. Ein australischer basejumpender Arzt spricht darüber, wie er mit Drohnen seine waghalsigen Sprünge filmt, eine Neurowissenschaftlerin spricht über Entscheidungsfindung im Gehirn und ein Autor und Aktivist darüber, wie toll Big Data ist und wie gering die Bereitschaft der Deutschen für digitale Innovation.
Am Nachmittag gibt es Workshops in denen man lernt, wie man einen App-Prototyp entwickelt oder ein Hacker wird. Dazwischen können die Besucher Drohnen selber fliegen, sich von einer Wahrsagerin die Zukunft vorhersagen lassen oder Tai-Chi-Unterricht nehmen.

Keine vorgedruckten Namensschilder

Auch die Location, das Münchner Veranstaltungszentrum Backstage, in erster Linie für Konzerte und Partys gebucht, ist anders. Und soll eines vermitteln: Alles ist locker. So gibt es auch keine vorgefertigten Namensschilder inklusive dem aufgedruckten Arbeitgeber. Nur Vordrucke, zwölf verschiedene mit den chinesischen Sternzeichen. Kein Audi, ProSieben, Payback auf der Brust, nur Affe, Pferd und Co., den Vornamen selbst geschrieben daneben.
Das Sternzeichen-Konzept gibt viel her. Jedes Jahr ein neues Tier, jedes Jahr ein neues Motto, trotzdem bleibt das chinesische Horoskop als Klammer. Umgesetzt geht das dann so: Die Bühne bekommt eine Dschungelkulisse, die Hostessen eine Affenmaske, das Publikum die Aufgabe, Affenlaute zu imitieren. Auch die Speaker können dem Affen nicht entkommen. Vorträge heissen "Monkey Business or Money Business", Stoffaffen werden auf die Bühne mitgebracht, in Präsentation sind Affen hinein-gephotoshoppt wo es nur geht.
Das lockere Konzept soll helfen, eine Community aufzubauen. "Es gibt schon genug Standardkongresse, auf denen man nur Schlips-Träger sieht. Das baut gleich eine Barriere auf", so von der Lühe Fürs Networking sei das aber nichts. "Natürlich ist so ein besonderes Konzept auch cool und gut für die Marke. Aber da steckt noch mehr dahinter. Wenn du eine gewissen Intimität erzeugen kannst und etwas Spass rein bringst fühlen sich die Leute wohler und können viel lockerer miteinander umgehen." Daher wohl auch das fehlende Namensschild. Man soll nicht schauen, wo jemand arbeitet und dann entscheiden: Ah, Google, mit dem lohnt es sich zu sprechen.  

Auf der Suche nach sich selbst

Und die gewünschte lockere Atmosphäre gelingt, steife Höflichkeiten gibt es kaum. Auch weil das Publikum recht international ist. Von den 640 Anmeldungen sind rund 20 Prozent aus dem Ausland, schätzt von der Lühe. Aber man will noch internationaler werden, auch Veranstaltungen in San Francisco, Sidney und London organisieren. Bei den Speakern ist das schon gelungen, ein grosser Teil kommt aus dem englischsprachigen Ausland.
Der Nachteil bei all der Internationalität: Auch die deutschen Speaker halten ihre Vorträge auf Englisch. Das gelingt mal besser, mal wird es peinlich. Einzige Ausnahme bleibt Benedikt Bucher von Tesla. Ausgerechnet der Vertreter eines amerikanischen Unternehmens erzählt auf Deutsch, wie toll das Elektroauto ist.
Leider bleibt Bucher nicht allein mit seinem Werbevortrag. Auch Oliver Bohl spricht eigentlich nur über sein Payback und Matthias Reuter und Alexander Kuhl von Siemens bekommen sogar einen als Workshop getarnten 45-Minuten-Slot für ihren "So innovativ ist Siemens"-Vortrag.

"Skepsis haben wir in Deutschland genug"

Andere Speaker werben wiederum nur für digitale Transformation in jedem Bereich und weniger Angst vor Big Data. Wolfgang Gründinger, Autor, Aktivist und Analyst und beim Festival in seiner BVDW-Funktion unterwegs, schlägt vor, das Big durch Smart zu ersetzen. Gar nicht mal, weil man mit nur vielen Daten eh nichts anfangen kann und die Branche sowieso mittlerweile eher über Smart Data spricht. Nein, weil Smart viel positiver konnotiert sei als Big, bei dem man sofort an Big Brother denke. Und an Dicke. Aber wer will nicht klug und intelligent sein? So könne man "ein Land der sturen Ziegen in ein Land der neugierigen Affen verwandeln".  
Auf eine kritische Stimme oder einen Platz für Diskussion wartet man vergeblich. Das ist auch nicht möglich bei 15 Minuten pro Vortrag. Und es ist auch bewusst so, dass alle "Hurra, Hurra, die Digitalisierung ist da" schreien. "Skepsis haben wir in Deutschland schon genug. Wir brauchen nicht noch mehr Leute die sagen, dass alles den Bach runtergeht", so von der Lühe. "In Deutschland gibt es zu viele Devils Advocats. Natürlich sind die wichtig. Aber wenn es nur die gibt, gibt es keine Innovation.“

Man merkt das junge Alter

Ausschliessen würde er ein Diskussionsformat für die Zukunft aber nicht. "Wir sind noch am Spielen. Am Content wird sich schon noch einiges ändern." Was dem Festival nicht schaden wird. Denn es befindet sich, seinem jungen Alter entsprechend, noch auf der Suche nach sich selbst. Zwischen vielen (zu) kurzen guten Impulsen und teilweise tollen Workshops, die in so einer grossen Gruppe erstaunlich gut funktionieren, finden sich leider auch typische Konferenz-Allgemeinplätze. Neue und innovative Erkenntnisse wie: Mobile ist wichtig, Mobile oder Beacons können off- und online verbinden.
Leider bekommen auch die Sponsoren eine zu gute Möglichkeit, ihre Vorträge als Werbeplattform zu nutzen. Wenn ich wissen will, wie ein Tesla funktioniert, wie sicher und umweltfreundlich und sparsam er ist, besuche ich die Website. Und zahle nicht über 400 Euro für ein Festival-Ticket.
Genau weiss die Konferenz offenbar noch nicht, wohin die Reise geht. Wichtig sei ihm, eine "Disrupt your mind"-Umgebung zu schaffen, so von der Lühe. "Die Leute sollen verstehen, dass digitaler Wandel auf allen Ebenen stattfindet." Sollte ein Besucher das vor der Konferenz noch nicht verstanden haben, wird er das spätestens jetzt tun.



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