KI und Geopolitik 29.08.2024, 09:51 Uhr

IT-Megatrends auf der Digital Lounge@Lakeside 2024 am Bodensee

Unter dem Motto «All about Data and Artificial Intelligence» hat die Data Migration International (DMI) Gruppe ihre dritte internationale Kunden- und Partnerkonferenz am Bodensee veranstaltet.
Der Vortrag von Prof. Dr. Peter Buxmann stiess auf grosses Interesse.
(Quelle: Data Migration)
Knapp 300 Gäste aus dem In- und Ausland sind der Einladung ins Schloss Seeburg in Kreuzlingen gefolgt und haben die aktuellen Megatrends in der Unternehmens-IT diskutiert. Dazu zählte insbesondere das Thema generative künstliche Intelligenz (GenAI), die nicht nur den Umgang mit Daten und Informationen grundlegend verändern wird, sondern auch die Art und Weise, wie Menschen mit Maschinen interagieren. Ebenfalls intensiv diskutiert wurden auf der Konferenz die tiefen geopolitischen Veränderungen und ihre möglichen Auswirkungen auf Planung, Implementierung und Anpassung der globalen IT-Landschaften international agierender Unternehmen.
Den richtigen Impuls und Ton setzte gleich zu Beginn der Konferenz Prof. Dr. Peter Buxmann, Lehrstuhlinhaber im Bereich Wirtschaftsinformatik der Technischen Universität Darmstadt: «Generative künstliche Intelligenz ist für die Unternehmen ein No-Brainer. Die Kosten sind kalkulierbar und die Potenziale zur Produktivitätssteigerung gewaltig. Ausserdem können die Unternehmen klein anfangen und jederzeit wieder aussteigen, sollten sich die Erwartungen nicht erfüllen. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit stellt sich dadurch im Grunde gar nicht. Die Unternehmen können und sollten nicht zögern, sondern so schnell wie möglich mit generativer KI experimentieren.»
Andererseits verschwieg Prof. Buxmann nicht die Schattenseiten der neuen Technologie: Denn sie kann selbst die absurdesten und gefährlichsten Inhalte so überzeugend darstellen, dass diese ohne weitere Fakten- und Plausibilitätsprüfung erscheinen, als wären sie wahr. Zum anderen muss der Nutzen der Technologie auch mit dem beträchtlichen und wachsenden ökologischen Fussabdruck abgewogen werden, den generative KI hinterlässt. Und schliesslich steht die Antwort auf die Frage noch aus, wie sich das Problem der Falschnachrichten lösen lässt. Allerdings dürften diese berechtigten Bedenken laut Professor Buxmann Pilotprojekten nicht im Wege stehen. Zu gross seien die möglichen Vorteile. Der Tipp des Professors: «Nur die kostenpflichtigen Versionen der GenAI-Angebote nutzen, die Unternehmensdaten nicht für weitere Trainings verwenden und sie nur auf Servern in Europa verarbeiten.»

Die Softwareindustrie muss für höheren Automatisierungsgrad sorgen

In die gleiche Kerbe schlug Thomas Failer, Gründer und Group-CEO der Data Migration International Gruppe, der bei seinem Hauptvortrag zu Daten und KI auch die eigene Branche in die Pflicht nahm: «Speziell generative künstliche Intelligenz hält für unsere Kunden ein enormes Automatisierungs- und damit Produktivitätspotenzial bereit. Doch mindestens ebenso wichtig ist, dass die IT-Industrie KI dazu nutzt, den Automatisierungsgrad der IT-Projekte bei den Kunden deutlich zu erhöhen. Selbst sehr grosse Modernisierungs- und Transformationsprojekte dürfen nicht länger Jahre dauern, sondern müssen innerhalb von Monaten erfolgreich zum Abschluss kommen. Die Taktrate bei Innovationen und Veränderungen in den Bereichen Produkte und Services sowie Prozesse ist einfach zu hoch.»
Eine wesentliche Voraussetzung für diese Beschleunigung ist das im Fachjargon «Data Fabric» genannte Datengewebe. Damit können Unternehmen auf ihren gesamten Informations- und Wissensschatz zugreifen und ihn auswerten, unabhängig von der zugrunde liegenden Datenstruktur und Datenbanktechnologie. Den Kern eines solchen Datengewebes bildet die DMI-Plattform für Informationsmanagement JiVS IMP. Eine Plattform für unternehmensweites Informationsmanagement ist essenziell, weil Anwendungen und Daten einem je eigenen Lebenszyklus unterliegen. So haben Daten aus regulatorischen oder geschäftlichen Gründen in vielen Fällen eine grössere Lebensdauer als die Applikationen, in denen sie erzeugt wurden. Deshalb ist es wichtig und mit JiVS IMP möglich, die Daten- von der Anwendungsebene zu entkoppeln und dadurch die verschiedenen Lebenszyklen separat zu managen. Mit Hilfe von JiVS IMP können Unternehmen unter anderem die Kosten für den Betrieb ihrer Legacy-Systeme um 80 Prozent senken, den Migrationsaufwand auf neue Softwaregenerationen halbieren und für 100 Prozent Informationszugriff sowie Rechtssicherheit sorgen.
Eines dieser Transformationsprojekte, das derzeit eine Vielzahl von Unternehmen weltweit betrifft, ist der Umstieg auf die aktuelle Softwaregeneration aus Walldorf: SAP S/4HANA. Thomas Failer schätzt, dass etwa drei Viertel der SAP-Kunden weltweit die Migration noch vor sich haben. Das ist angesichts begrenzter SAP-Beratungsressourcen im Markt bis 2030, dem offiziellen Supportende der Vorgängergeneration der SAP-Software, nur zu schaffen, wenn sich die Projektlaufzeiten speziell im Bereich Unternehmensdaten deutlich verkürzen.
«Das ist Sinn und Zweck all unserer Entwicklungsinitiativen im Bereich KI. Ob es um die Identifizierung personenbezogener Daten in den Hundertausenden SAP-Tabellen oder in Dokumenten und Bildern geht oder um die Erstellung neuer Geschäftsmodelle – alles muss intuitiv bedienbar sein und auf Knopfdruck funktionieren», betont Thomas Failer. «Deshalb ist beim Thema KI nicht nur der Automatisierungsgrad entscheidend, sondern genauso der Bedienkomfort der Benutzeroberflächen. Der Trend geht wie im Konsumentenmarkt auch bei der Business-IT in Richtung Self-Service.»
Um diese Ziele zu erreichen, muss das Thema KI laut Thomas Failer nicht nur in der Technologie und in den Produkten verankert werden, sondern auch in der ganzen Unternehmensorganisation und der Art der Zusammenarbeit der Mitarbeitenden. Er rät: «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass regelmässige Workshops in einer völlig anderen und körperlich wie geistig anregenden Umgebung, in unserem Fall in Davos, das Mittel der Wahl sind. Hier treffen sich in Zeiten von Homeoffice und Remote Work die Kolleginnen und Kollegen ausserhalb der Tagesroutine und der üblichen Strukturen. Das Kreativitätspotenzial, das hierbei freigesetzt wird, ist enorm. Wir erzielen in diesen Workshops bei hochkomplexen und interdisziplinären Themen Ergebnisse, für die wir früher teilweise bis zu einem halben Jahr gebraucht haben.»

Mensch und Maschine: Von der Höhlenzeichnung zur Elektrizität

Apropos Arbeitsweise: Laut Alexander Finger, Chief Technology Officer, SAP Schweiz, wird generative KI die Art und Weise, wie Menschen mit Maschinen interagieren, revolutionieren. Durch die Produktionsreife und Verfügbarkeit von generativer KI, hochauflösenden Daten und Augmented Reality befänden wir uns an einem Punkt der Konvergenz. Während wir heute noch wie unsere Vorfahren in der Höhle mit den Fingern einen Touchscreen bedienten, könnten wir uns in Zukunft in natürlicher Sprache mit einer scheinbar lebenden Version von SAP unterhalten. Mittels generativer KI lernten Daten und Systeme wie ERP sprechen und zeichnen.
Das ist seiner Ansicht nach aber nur der Anfang und gleicht der Erfindung und Einführung der Dampfmaschine, die Produktion und Transport revolutioniert hat. Was jedoch noch nicht absehbar sei, ist das Pendant zur Erzeugung von Elektrizität, die ebenfalls eine Folge der Erfindung der Dampfmaschine war. Er betonte: «Was auch immer dieses Pendant sein wird, es wird kommen». SAP habe die ersten Schritte mit der Einführung des KI-basierten Chatbots Joule und der HANA Vector Engine, die Unternehmensdaten aus der Datenbank SAP HANA für die Nutzung durch generative KI-Lösungen aufbereitet, gemacht.

Wirtschaftlichkeit von KI für Kunden entscheidend

Und was ist mit den Kunden? Diese waren sich in den Podiumsdiskussionen über das Potenzial generativer KI einig, betonten dabei jedoch zwei Dinge: KI ist kein Heilsbringer – wie keine Technologie. Vielmehr muss jedes Unternehmen die Nutzenpotenziale entsprechender Projekte identifizieren und betriebswirtschaftlich sinnvoll heben. Gleichzeitig gilt es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es Zielkonflikte zu anderen Projekten und Initiativen geben kann, z. B. zwischen Nachhaltigkeit und KI, und dass das Thema nicht zu Lasten laufender Transformationsprojekte wie des Umstiegs auf SAP S/4HANA gehen darf. Wirtschaftlichkeitsrechnungen müssen allen Technologieprojekten zugrunde gelegt werden, denn sie erlauben deren betriebswirtschaftlich sinnvolle Priorisierung. Ihr Rat an die Softwareanbieter: Die Kommunikation sollte nicht nur die technischen Vorzüge, sondern auch und vor allem den geschäftlichen Nutzen neuer Technologien und Angebote in den Mittelpunkt stellen.
«Der grösste Nutzen künstlicher Intelligenz, insbesondere von generativer KI und Large-Language-Modellen oder kurz LLMs, liegt im Unternehmenskontext in den damit erreichbaren Produktivitätsfortschritten», erklärt Thomas Failer. «Dieses Potenzial ist die Quelle der Wirtschaftlichkeit von künstlicher Intelligenz. Wir arbeiten schon seit einiger Zeit mit einem eigenen Entwicklungsteam für KI an der Integration von Algorithmen für maschinelles Lernen. Spätestens 2025 sollen dann erste Angebote mit generativer KI und LLMs als Teil unserer JiVS-IMP-Plattform folgen. Das wird Transformationsprojekte, selbst solche mit den grössten Datenmengen, noch einmal um den Faktor 2 oder mehr beschleunigen. Dadurch wird die IT genauso agil wie heutige Unternehmensstrategien. Da rechnen sich die Investitionen in kürzester Zeit.»

Geopolitik fordert Unternehmens-IT heraus

Unternehmen denken weniger in Technologien als in Anwendungsszenarien und Nutzenkategorien. Gleichzeitig haben sie auch immer ihre Risiken im Blick, die unter anderem eine Quelle von Zielkonflikten in der IT sein können. Während eine global vereinheitlichte und standardisierte IT einen massiven Vorteil nicht nur für den laufenden Betrieb und die Kosten, sondern auch für Transformationsprojekte wie den Umstieg auf eine neue Softwaregeneration darstellt, birgt sie vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Herausforderungen und Änderungen ein Risiko. Was, wenn Daten und Systeme in einem bestimmten Land in kürzester Zeit aus dieser IT herausgelöst werden müssen? Die Unternehmen auf dem Podium und das Publikum waren sich einig: Auf diese Situation gilt es sich ab sofort vorzubereiten, zumindest konzeptionell im Sinne eines Notfallplans, der im Fall der Fälle unverzüglich aktiviert und implementiert werden kann.
Dazu Thomas Failer: «Die geopolitischen Veränderungen rücken die Frage, wo Daten verarbeitet und aufbewahrt werden, wie sie sich schnell aus Systemen und Applikationen herauslösen und verlagern lassen, wieder ganz nach oben auf der Agenda. Wir haben die Sorgen der CIOs auf der Konferenz gehört und richten unsere Entwicklungsaktivitäten entsprechend darauf aus, das Management von Informationen und Daten auf Basis unserer Plattform im weltweiten Massstab weiter zu vereinfachen und zu beschleunigen.»



Das könnte Sie auch interessieren