Kommentar
05.11.2020, 21:55 Uhr
Was bedeutet ein Präsident Biden für Amazon, Google, Facebook und Co?
Das Rennen um die US-Präsidentschaft ist noch offen. Doch wenn es zu einem Machtwechsel im Weissen Haus kommen sollte, könnten auf die grossen US-Internetkonzerne neue Herausforderungen zukommen.
Während ich diese Zeilen schreibe, liegt Herausforderer Joe Biden mit 253 Wahlmännerstimmen nicht nur ein ganzes Stück vor Amtsinhaber Donald Trump, er ist auch nur noch wenige Stimmen von der magischen Grenze von 270 entfernt, die er für einen Wahlsieg braucht. Dennoch: Ob und wann diese Wahl entschieden ist, steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.
Doch angenommen, Biden wird am 20. Januar 2021 als 46. US-Präsident vereidigt: Was würde das für die grossen, weltumspannenden US-Internetkonzerne bedeuten? Apple, Microsoft, Amazon und Google haben nicht nur ihren Sitz in den USA, sie gehören auch zu den weltweit höchstbewerteten börsennotierten Unternehmen. Wie würde ein Präsident Biden mit ihnen umgehen?
Offen gesagt: Was Biden persönlich angeht, müssen Spekulationen ausreichen, wo es an Fakten mangelt. Wer nach wirtschaftspolitischen Aussagen des demokratischen Bewerbers sucht, findet wenig Konkretes. Allerdings ist Biden stärker im Gefüge der demokratischen Partei verankert als Trump bei den Republikanern. Der enorme Druck, den Trump etwa auf Apple ausübte, Teile seiner Produktion aus China rauszuziehen und am besten zurück in die USA zu verlagern, widerspricht eigentlich den wirtschaftsliberalen Ansichten der Grand Old Party.
Keine "Tax Bribes" für Amazon
Das Verhältnis der Demokraten zu Corporate America ist ein anderes. Auch die Demokraten haben Jobs im eigenen Land im Blick, sie haben aber ein Problem damit, Konzerne dafür mit Steuererleichterungen zu belohnen. Daran scheiterte zum Beispiel die Ansiedlung eines neuen Amazon-Hauptquartiers im demokratisch regierten Bundesstaat New York. Das neue Amazon-Zentrum hätte 25.000 neue Jobs bedeutet, Firmenchef Jeff Bezos forderte dafür aber auch Steuergeschenke in Höhe von drei Milliarden US-Dollar. 2019 scheiterte der Deal, Amazon gab seine Pläne auf - begleitet von der beissenden Kritik von Elizabeth Warren. Die Senatorin von Massachusetts prägte den Begriff "Tax bribes" - steuerfinanzierte Bestechungsgelder.
Warren gilt in ihrer Partei als fast schon linksextrem, doch Investitionsentscheidungen der GAFA-Konzerne in Amerika dürften fiskalisch unter einem demokratischen Präsidenten Biden weniger hofiert werden als unter dem derzeitigen Amtsinhaber. Den Konzernen selbst scheinen diese Aussichten jedoch wenig auszumachen: Der Aktienkurs des Google-Mutterkonzerns Alphabet zum Beispiel legte in den letzten sechs Tagen um 12 Prozent zu.
Aufmerksamkeit verdient das Thema Datenschutz. Hier entwickelt sich die bisherige Haltung der USA zum potenziellen Handelshemmnis. Seitdem der EuGH das mühsam ausgehandelte EU-US Privacy Shield kippte, haben US-Digitalkonzerne in der EU wirtschaftliche Nachteile. Der US-Bundesstaat Kalifornien hat das früh erkannt und mit CCPA das strengste Datenschutzgesetz aller US-Bundesstaaten erlassen. CCPA ist nicht nur vergleichsweise streng, sondern es ähnelt auch in seiner grundsätzlichen Philosophie der EU-DSGVO. Das eröffnet die Möglichkeit auf eine Neuauflage des Privacy Shields - und einer Vereinfachung des transatlantischen Datenaustausches.
Nun ist Kalifornien nicht die gesamte USA, aber der Bundesstaat ist Geburtsort zahlloser US-Tech-Konzerne und die politische Heimstatt von Karmala Harris. Sie war Generalstaatsanwältin von Kalifornien und vertritt den Staat im Senat. Ihr werden gute Kontakte zur digitalen Wirtschaft nachgesagt.
Sollte es Biden ins Weisse Haus schaffen, wäre Harris seine Vizepräsidentin. Und das wäre für die Internet-Wirtschaft der USA tatsächlich eine gute Nachricht.