Hardware
11.04.2018, 12:49 Uhr
Test: Apple iPad 9.7 (2018)
So viel iPad fürs Geld gab es noch nie.
Das neue iPad richtet sich an Schüler und Studenten – so die Verlautbarung von Apple. Auch die Produktseite widerspiegelt diese Absicht bis ins Detail. Allerdings dürfte noch ein anderes Motiv im Spiel sein: die Möglichkeit, ein wirklich günstiges Gerät für die Masse aufzugleisen, ohne dem Premium-Anspruch (inklusive der Premium-Preisgestaltung) untreu zu werden.
Leistung: nahe dran am Pro
Mit seiner rohen Rechenleistung mischt das iPad 9.7 Zoll (im Folgenden kurz «iPad» genannt) ganz vorne mit. Im Inneren pumpt Apples eigene A10-CPU, wie sie auch im iPhone 7 verbaut wird. Tests mit GeekBench 4 attestieren diesem Gerät eine Leistung, die über dem iPad Pro 9.7 Zoll (Test) von Mitte 2016 liegt, aber nicht ganz an das iPad Pro der neusten Generation heranreicht. Im wichtigeren Single-Core-Test erreichte das neue iPad etwa 3500 Punkte, das iPad Pro 9.7 etwa 3000 Punkte und das aktuelle 12.9 Zoll grosse iPad Pro (Test) etwa 4000 Punkte. Mehr Mittelfeld geht nicht – zumindest nach Apples Massstäben.
Oder anders gesagt: Alle Aufgaben, die Sie diesem Tablet vorsetzen, werden problemlos bewältigt. Die Oberfläche läuft butterweich. Wir haben einige 4K-Videos mit 60 fps (!) von einem iPhone X übertragen, die ohne das geringste Ruckeln in iMovie für iOS geschnitten wurden – inklusive Titeln, Überblendungen und Effekten, die in Echtzeit dargestellt werden. Mit derselben spielerischen Leichtigkeit werden aufwendige Spiele und 3D-Anwendungen, RAW-Bearbeitung und mehr bewältigt, während das Gehäuse höchstens handwarm wird. Auch wenn der Prozessor nicht ganz den neusten Pro-Modellen entspricht: Dieses iPad ist ein Rechenmonster, das mit den besseren Notebooks problemlos mithalten kann!
Ein weiterer Fokus von Apple liegt auf Augmented-Reality-Anwendungen (AR), denen ein enormes Potenzial attestiert wird – und zwar besonders im Bildungsbereich. Apple treibt dieses Thema ehrgeizig voran, schliesslich ist iOS mit weitem Abstand die grösste AR-Plattform der Welt.
In einem besonders attraktiven Beispiel (zumindest technisch gesehen) werden Frösche mit der App Froggipedia nicht nur auf dem heimischen Tisch virtuell in Szene gesetzt, sondern auch fachgerecht seziert und in ihre Einzelteile zerlegt – alles in Echtzeit, versteht sich, und wieder ohne das geringste Ruckeln.
Hätten die Frösche dieser Welt eine Ahnung vom iPad, sie wären begeistert. Und das gilt wohl auch für unzählige Studenten, die der Demontage von Amphibien nichts abgewinnen können.
Pencil-Unterstützung
Zum ersten Mal unterstützt ein Nicht-Pro-Modell den Apple Pencil, denn dieser Stift benötigt eine spezielle Schicht innerhalb des Displays, um die Informationen über Druck und Neigung zu übertragen. Beim Schreiben und Zeichnen ist praktisch keine Latenz zu spüren; auch hier befindet sich das Gerät in der Praxis auf Augenhöhe mit den Pro-Modellen.
Darüber hinaus wird Logitech im Sommer einen eigenen Stift anbieten, der sich eher an der klassischen Form eines Zeichenwerkzeugs für Kinder orientiert und damit einen festen Griff ermöglicht. Der Crayon soll etwa die Hälfte des Pencils kosten. Leider ist er nur für die USA vorgesehen und wird selbst dort nur an Schulen verkauft. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass das lange so bleiben wird, nachdem die erste Welle der US-Schüler damit eingedeckt worden ist.
Die Kamera
Manchmal sieht man in der freien Wildbahn immer noch Leute, die mit dem iPad fotografieren – doch die Omnipräsenz der Smartphones lässt sie selten werden. Geblieben ist die Kamera als Werkzeug, um Whiteboards zu fotografieren, Rapporte zu dokumentieren und Papiere zu erfassen. Dazu stehen längst hochwertige Apps zur Verfügung, wie etwa GoodNotes 4, das handschriftliche Notizen fast schon zur Kunstform erhebt und das Gekritzel via OCR in editierbare Texte übersetzt – wenn auch ohne Gewähr.
Die hintere Kamera des iPads löst mit 8 Mpx auf und dreht Videos in Full-HD mit 30 fps. Das sind solide Werte – nicht mehr und nicht weniger. Funktionen wie Panoramen, die Stabilisierung von Videos oder eine Zeitlupe mit 120 fps sind ebenfalls an Bord. Leider fehlt ein LED-Blitz, um ein wenig Licht ins dunkle Sitzungszimmer zu bringen.
Die vordere FaceTime-Kamera für Videochats und Selfies löst mit eher bescheidenen 1.2 Mpx auf; dabei sorgt die Gesichtserkennung für eine optimale Fokussierung.
Das Display, Abstriche und ein Fazit
Display mit Abstrichen
Bei der gebotenen Leistung stellt sich fast automatisch die Frage, warum man überhaupt noch zum iPad Pro greifen soll. Tatsächlich müssen spürbare Abstriche nur beim Display gemacht werden. Doch so viel vorweg: Das Display ist für ein Tablet hervorragend. Die Farben sind brillant und die Kontraste ausgeglichen – und zwar aus jedem Blickwinkel. Dieses Display macht viel Freude.
Wäre da nur nicht das iPad Pro, das in dieser Kategorie zum ärgsten Feind wird. Tatsächlich muss man diese Unterschiede kennen, um das neue iPad richtig einzuordnen.
Wiederholrate
Was im direkten Vergleich zuerst auffällt, ist die Bildwiederholrate von 120 Hertz, die doppelt so hoch ist, wie im neuen iPad. Wenn Inhalte auf dem iPad Pro verschoben werden, geschieht das so flüssig, dass es fast schon surreal wirkt: beim Surfen, beim Lesen, auf dem Home-Bildschirm – einfach überall. Die 60-Hertz-Darstellung ist hingegen «nur» absolut flüssig. Für neue Kunden ist das kein Problem, doch wer sich einmal am iPad Pro daran gewöhnt hat, spürt den Kompromiss deutlich.
TrueTone
Diese Eigenschaft ist ebenfalls den iPad-Pro-Modellen vorbehalten, doch sie polarisiert auch ein wenig. Einige schwärmen von ihr, andere schalten die Funktion bei der erstbesten Gelegenheit aus. Durch zusätzliche Sensoren wird die Farbtemperatur des Umgebungslichtes gemessen und die Darstellung des Displays entsprechend angepasst, so wie es auch bei einem weissen Stück Papier der Fall ist.
Das führt in der Praxis meistens zu einer wärmeren Darstellung, die sehr angenehm für die Augen ist. Ich möchte auf diese Funktion auf keinen Fall mehr verzichten – auch und erst recht nicht auf dem iPhone. Doch wie gesagt, hier gehen die Meinungen ein wenig auseinander.
Lautsprecher und Verbindungen
Das iPad kommt mit Stereolautsprechern an der unteren Stirnseite, während die Pro-Modelle gleich vier Stück davon mitbringen, die eine Tonwiedergabe je nach Ausrichtung des Geräts automatisch tarieren. Dem jüngsten Spross fehlen aber auch die Smart-Konnektoren an der Seite, um Daten und Strom zu einer passenden Tastatur zu übertragen. Für solche Zwecke muss auf eine Bluetooth-Verbindung zurückgegriffen und die Tastatur von einem eigenen Akku gespeist werden.
Welches Modell darf es sein?
Das neue iPad 9.7 Zoll wird in den Farben Silber, Space Gray und Gold angeboten, wobei die Goldfarbe auf das iPhone 8 und die Apple Watch Series 3 abgestimmt ist. Die Geräte sind in allen Farben wahlweise mit 32 GB oder 128 GB erhältlich. Die Grenze von 32 GB ist allerdings ziemlich raffiniert (lies: fies) angesetzt. In vielen Fällen reicht dieser Speicher alleweil – erst recht, wenn Cloud-Dienste genutzt werden. Auf der anderen Seite halten die iPads sehr lange und weil niemand weiss, was die unmittelbare Zukunft bringt, vermittelt das 128-GB-Modell das deutlich bessere Gefühl beim Kauf.
SIM und Apple-SIM
Auch das neuste iPad wird wahlweise mit WLAN-Modul («Wi-Fi») oder mit einem zusätzlichen LTE-Modul angeboten («Wi-Fi+Cellular»). Bei Letzterem ist ein Slot für eine SIM-Karte vorhanden, die für mobile Datenverbindungen benutzt werden kann. Genauso wichtig: Nur dieses Modell ist mit einer elektronischen Apple-SIM ausgestattet. Um im Ausland ein Datenkontingent einzukaufen, wird vor Ort einfach in den Einstellungen «Mobile Daten» die passende Option aktiviert, und schon kann unter den verfügbaren Anbietern der gewünschte Tarifplan gewählt werden.
Echtes GPS und GLONASS
Nur das Modell «Wi-Fi+Cellular» verfügt über einen eigenen Chip für den Empfang von GPS- und GLONASS-Signalen. Das liegt daran, dass LTE und GPS auf demselben Chip untergebracht sind. So wird eine präzise Ortung möglich, während sich das iPad «Wi-Fi» nur an den umliegenden WLANs orientieren kann. Das ist deutlich ungenauer und läuft im freien Feld auf gar keine Ortung hinaus. Wenn Sie also mit Apps arbeiten, die auf eine genaue Lokalisierung angewiesen sind, dann gibt es keine Alternative zum Modell «Wi-Fi+Cellular».
Modelle und Preise
Farben, Speicher und LTE lassen sich nach Belieben mischen. Das 64-GB-Modell kostet im günstigsten Fall 379 Franken. Das 128-GB-Modell kostet 105 Franken mehr, also 489 Franken. Die wärmstens empfohlene LTE-Option schlägt in jedem Fall mit 150 Franken Aufpreis auf die Kreditkarte.
Kaufempfehlung und Fazit
Im direkten Vergleich zu den aktuellen Pro-Modellen besteht für die meisten Anwender der Kompromiss beim Display, während die rohe Leistung problemlos für alles reicht, was der App Store hergibt. Mit der Unterstützung für den Apple Pencil fällt ausserdem eines der wichtigsten exklusiven Merkmale der Pro-Modelle weg.
Wenn Sie sich also mit den erwähnten Kompromissen beim Display arrangieren können, ist das Verdikt einfach: Greifen Sie bedenkenlos zu, am besten zur LTE-Version. Denn die Einleitung ist auch das Schlusswort: So viel iPad fürs Geld gab es noch nie.
Apple iPad 9.7 Zoll (2018)
Positiv: Tempo, Pencil-Unterstützung, Software, Preis, Fingerscanner
Negativ: Abstriche beim Display, die dem Preis geschuldet sind
Details: 9.7-Zoll-Display mit 2048×1536 Pixel bei 264 ppi, 64-Bit-CPU Apple A10 «Fusion», Touch ID Fingerscanner, WLAN-AC, 8 Mpx Rückkamera, 1.2 Mpx Selfie-Kamera, Videos in Full-HD mit 30 fps
Strassenpreis: ab 379 Franken
Info: apple.ch/de/
Negativ: Abstriche beim Display, die dem Preis geschuldet sind
Details: 9.7-Zoll-Display mit 2048×1536 Pixel bei 264 ppi, 64-Bit-CPU Apple A10 «Fusion», Touch ID Fingerscanner, WLAN-AC, 8 Mpx Rückkamera, 1.2 Mpx Selfie-Kamera, Videos in Full-HD mit 30 fps
Strassenpreis: ab 379 Franken
Info: apple.ch/de/