Zahmes Update 23.12.2020, 16:14 Uhr

Test: Capture One Pro 21

Ziemlich genau ein Jahr nach Version 20 veröffentlicht Capture One den Nachfolger des erfolgreichen RAW-Converters. Die Neuerungen sind überschaubar, aber gelungen.
Capture One 21 besiegelt den Jahresrhythmus
(Quelle: PCtipp.ch)
Capture One ist der (ge-)wichtigste Kontrahent zu Adobe Lightroom, wenn es um die Entwicklung von RAW-Dateien geht. Nur ein Jahr nach Version 20 springt der Zähler auf 21, aber da sich die Software seit Version 20 an der Jahreszahl orientiert, war das nicht anders zu erwarten. Das Jahr verging wie im Flug und deshalb verwundert es nicht, dass sich die Neuerungen in Grenzen halten. Vielleicht finden Sie trotzdem die Funktion, die ein Upgrade rechtfertigt.

Speed Edit

Zu den wichtigsten Neuerungen gehört die Funktion «Speed Edit», die eigentlich gar keine ist. Es handelt sich dabei eher um eine alternative Form der Bedienung, um die häufigsten Handgriffe deutlich zu vereinfachen. Statt zum Beispiel die Schatten via HDR-Panel anzuheben, halten Sie einfach die Taste «S» gedrückt und bewegen die Maus in die gewünschte Richtung. Die Werte werden am unteren Rand des Fensters angezeigt.
Solange die zugehörige Taste gedrückt wird, reicht eine Mausbewegung für die Korrektur
Quelle: PCtipp.ch
Mit diesem kleinen Kniff wird die Bearbeitung tatsächlich massiv beschleunigt. Nicht, dass der Griff zum Regler viel Zeit gekostet hätte – aber die Suche nach ihm ist in der Fülle der Paletten stets eine Herausforderung. Dank Speed Edit können Sie jetzt die eine oder andere Palette verschwinden lassen, was der Oberfläche deutlich zum Vorteil gereicht. Welche Tasten diese oder jene Funktion erfüllen, lässt sich in den Einstellungen festlegen:
Wie fast alles an Capture One 21 lassen sich auch die Tasten für Speed Edit anpassen
Quelle: PCtipp.ch

Hilfe!

Mit den neuen Tool-Tipps wandelt Capture One 21 auf Adobes Pfaden. Verharrt der Mauszeiger über einem Werkzeug, wird eine kurze Beschreibung und ein Link zu umfassenden Informationen geliefert:
Die Tool-Tipps sind leider nur vordergründig in Deutsch lokalisiert
Quelle: PCtipp.ch
Diese Funktion kommt tatsächlich wie gerufen. Neben der Vollversion bietet der Hersteller mit «Capture One Express» eine abgespeckte Version, die für Sony- und Fujifilm-Kameras angeboten wird. Jede dieser Ausgaben kann nur RAW-Dateien des jeweiligen Herstellers entwickeln. Doch die Express-Version ist nach einer kostenlosen Registrierung genauso kostenlos nutzbar, was sie besonders für Einsteiger in die RAW-Fotografie zu einem idealen Schulpferd macht. Und obwohl ich die Oberfläche von Capture One 21 eigentlich sehr zugänglich finde, kann diese neue Hilfe dazu beitragen, Berührungsängste abzubauen.
Einen Haken hat die Sache dennoch: Die plakativen Tool-Tipps sind alle in Deutsch lokalisiert, die weiterführende Hilfe ist es nicht. Um sie vollständig auszuschöpfen, sind Englischkenntnisse unverzichtbar – zumindest nach dem aktuellen Stand der Dinge.

Dehaze

Diese digitale Dunstabzugshaube ist nun auch in Capture One präsent. Der Regler entfernt durch das Anheben der lokalen Kontraste den Dunst in der Landschaft und mildert atmosphärische Störungen. Er kann aber auch verwendet werden, um jede Art von Bildern knackiger zu machen und ihnen mehr Tiefe zu verleihen.
Die Bedienung der Dehaze-Funktion beschränkt sich mehr oder weniger auf einen Regler
Quelle: PCtipp.ch
Die Resultate sind sehr ansprechend und kommen mit minimalem Aufwand zustande. Hier ein leicht überspitztes Vorher-Nachher-Bild, das sich lediglich durch die Anwendung der Dehaze-Funktion unterscheidet:
Dehaze funktioniert bei Landschaften, Gebäuden und eigentlich bei fast jedem anderen Motiv – allerdings sollte man den Regler sparsam einsetzen
Quelle: PCtipp.ch
Normalerweise bestimmt Capture One die Tiefen automatisch. Doch wenn das Resultat nicht wunschgemäss ausfällt, kann eine Schattenpartie auch manuell mit der Pipette ausgewählt werden.

HEIF-Unterstützung

HEIF wird schon seit einigen Jahren als Wachablösung für das JPEG-Format gehandelt und kommt vor allem in den iPhones zum Einsatz. Das Kürzel steht für «High Efficiency Image File». Bei HEIF handelt es sich nicht einfach nur um ein neues Grafikformat, sondern um einen Container, der weit mehr Daten als nur ein Bild speichern kann. Dazu gehören neben Einzelbildern ganze Bildserien mit Metadaten, unterschiedliche Kompressionswerte, Animationen und mehr. Bearbeitungsschritte lassen sich zurücknehmen oder Teilbereiche anders komprimieren, ohne dass die ursprünglichen Bildinformationen verlorengehen.
Mit Version 21 kann endlich auch Capture One mit diesem Format direkt umgehen, sodass die Fotos aus dem iPhone eine würdige Überarbeitung erfahren.
HEIF-Dateien lassen sich jetzt ohne Umweg in Capture One 21 aufbretzeln
Quelle: PCtipp.ch
Nebenbei: HEIF hat nichts mit Apples neuem ProRAW-Format zu tun, das mit dem iPhone 12 Pro zum Einsatz kommt. Bei ProRAW handelt es sich mehr oder weniger um eine TIF-Datei mit 12 Bit Farbtiefe, die in einem DNG-Container steckt. Und eben weil es sich um ein TIF handelt, kann Capture One vom Fleck weg damit umgehen, so wie jede andere halbwegs fähige Bildverarbeitung auch. DNG ist universell.
DNG-Dateien mit 12 Bit Farbtiefe bändigen auch die extremsten Kontraste, wie hier mit einer Aufnahme aus dem iPhone 12 Pro Max; für Capture One 21 kein Problem
Quelle: PCtipp.ch

Keine M1-Unterstützung

Was hingegen allen Besitzern eines Macs mit Apples eigener M1-CPU sauer aufstossen wird, ist die mangelnde Unterstützung für den neuen Prozessor. Die angepassten Programme schiessen an allen Ecken aus dem Boden und unterdessen hat sogar Microsoft seine Office-Schwergewichte angepasst. Eine sauber programmierte Anwendung wird in wenigen Stunden als «Universal Binary» kompiliert, aber Hersteller Phase One hat das scheinbar nicht auf die Reihe bekommen.
Das wirkt umso dreister, weil Version 21 eigentlich nur wenig Neues zu bieten hat, aber als Update trotzdem heftige 199 Franken kostet – was in Anbetracht des Gebotenen zu nahe an den 296 Franken für eine neue Vollversion ist.
Doch wie gut läuft die Software in der Emulation durch Rosetta 2? Wir haben das im direkten Vergleich zwischen einem iMac (3.6 GHz 8-Core Intel Core i9, 32 GB RAM, Radeon Pro 580X mit 8 GB, SSD) und einem neuen MacBook Air mit gerade einmal 8 GB RAM getestet. Auf die Bearbeitung gehen wir hier nicht weiter ein, denn die Bedienung läuft auch auf dem kleinen MacBook Air absolut flüssig. Das Zoomen in 24-Mpx-Dateien hinein, Anpassungen, Maskierungen … alles läuft zur vollsten Zufriedenheit.
Die grösste Herausforderung besteht eigentlich darin, dass eine Sammlung an RAW-Dateien exportiert wird. 215 editierte Fotos aus demselben Katalog wurden in JPEGs umgewandelt. Dazu benötigte der iMac 5:24 Minuten, das MacBook Air hingegen 30:25 Minuten. Während der iMac nach einer Minute den Lüfter anwarf, wurde das lüfterlose MacBook Air nach etwa zehn Minuten spürbar gedrosselt.
Das Verdikt ist klar. Allerdings wurde der iMac bei anderer Gelegenheit auch schon vom MacBook Air überholt, trotz Emulation. Unter dem Strich zeigt das Resultat vor allem, dass die fehlende Unterstützung für den M1 eine grosse Unterlassungssünde sein kann. Mehr zu den Eigenheiten der M1-CPU und andere Details zur Rechenarchitektur finden Sie im Test zum neuen MacBook Pro.

Lohnt das Update?

Besitzer von Version 20 werden es sich gut überlegen, ob sie den Sprung auf Version 21 machen. Am ehesten dürften die Hochzeits- und Event-Fotografen schwach werden, die mit einer Unmenge an Bilder vom Shooting zurückkehren und diese nun mit der «Speed Edit»-Funktion schneller in Form bringen. Bei 1000 Fotos kann der Preis für das Update schnell amortisiert werden.
So oder so lässt sich nicht verbergen, dass Capture One die Kunden in Richtung eines Abos dirigieren möchte. Dieses kostet 178 Franken pro Jahr und wäre in diesem Fall bereits günstiger als das jährliche Update. Doch wer es sich leisten kann, auch einmal ein oder zwei Jahre auszusetzen, wird die Möglichkeit eines Einmal-Kaufs zu schätzen wissen. Die Preise im Detail finden Sie hier.

Fazit

Das Update auf Capture One 21 ist eher bescheiden ausgefallen. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Software ein sehr mächtiges und trotzdem zugängliches Werkzeug für alle ernsthaften Fotografen und natürlich erst recht für die Profis ist. Die enorm anpassungsfähige Oberfläche, die Farbkorrekturen und das Tempo machen die Arbeit damit zur Freude. Viele weitere Details finden Sie in unserem Test zu Capture One 20.
Die Versuchung war allerdings gross, die Software wegen der fehlenden Unterstützung für Apples neue M1-CPU abzustrafen. Allerdings ist der Kreis der Betroffenen noch relativ klein und ich bin guter Dinge, dass diese Scharte schon bald ausgewetzt wird. Wenn Sie ausserdem mit der etwas zweifelhaften Updatepolitik leben können, verdient Capture One 21 auf jeden Fall eine Kaufempfehlung.

Testergebnis

Oberfläche, Anpassungsfähigkeit, Tempo, Farbkorrekturen
Keine M1-Unterstützung, keine iPad-Version, Hilfe zurzeit nur in Englisch

Details:  ab macOS 10.13, Intel Core i3, 8 GB RAM; ab Windows 8.1 64-bit, Intel Dual-Core, 8 GB RAM

Preis:  296 Franken (einmalig) oder ab Fr. 14.80 Franken pro Monat (Abo)

Infos: 




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