Algorithmen berechnen soziales Verhalten

Informierte Agenten nutzen den »Herdentrieb«

In einem Experiment, das sie im Mai 2015 in Zusammenarbeit mit dem Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) and the University of Rome »La Sapienza” in Italien durchführten, zeigten Fornasier und sein Team, dass das Verfahren sich tatsächlich dazu eignet, das Verhalten von Gruppen zu beeinflussen.
Dazu hatten die Forscher zwei Gruppen von etwa 40 Studierenden damit beauftragt, ein bestimmtes Ziel in einem Gebäude zu suchen. In die eine Gruppe schleusten die Wissenschaftler zwei informierte Agenten ein, die sich jedoch nicht zu erkennen geben durften. Lediglich dadurch, dass sie zielstrebig in eine vorgegebene Richtung gingen, brachten sie die Gruppe in Bewegung auf das Ziel.
Dieser Versuch zeigt, dass die Übernahme der Kontrolle in selbstorganisierenden Systemen, zu denen auch Gruppen von Individuen gehören, mit überraschend geringem Aufwand möglich ist. Die Mathematiker belegten darüber hinaus, dass die Ergebnisse auch für sehr grosse Gruppen gelten. »Tatsächlich reichen zwei bis drei solcher Agenten pro hundert Menschen aus«, sagt Massimo Fornasier.

Meinungsbildung mit der Hütehunde-Strategie

Da seine mathematischen Modelle in einer völlig abstrakten Umgebung formuliert sind, können sie leicht an verschiedene Situationen angepasst werden. Mit ihnen lassen sich effiziente Möglichkeiten finden, grosse Besuchermengen stressfrei durch Gebäude zu leiten oder Menschen aus gefährlichen Situationen zu evakuieren.
»Wir können unsere Ergebnisse aber auch auf andere interessante gesellschaftliche Bereiche übertragen, beispielsweise auf das Verhalten von Investoren auf den Finanzmärkten«, so Fornasier. Dort können durch genau abgestimmte Aktivitäten grosser Investoren erhebliche Marktbewegungen ausgelöst werden.
Auch die Meinungsbildung einer Gruppe basiert auf gegenseitiger Interaktion von Menschen. In ihren Modellen zeigten die Mathematiker, dass es am effektivsten ist, sich auf die radikalsten Vertreter einer Auffassung zu konzentrieren. Gelingt es, diese zu überzeugen, zieht die Gruppe mit. »Dafür gibt es auch ein schönes Modell in der Natur«, so Fornasier. »Um eine Schafherde in die gewünschte Richtung zu treiben, konzentrieren sich gute Hütehunde immer auf das von der Herde am weitesten entfernte Tier. Indem sie das sturste Schaf einfangen, kommen sie zum Ziel.«



Das könnte Sie auch interessieren