TU München
15.11.2016, 16:28 Uhr
Algorithmen berechnen soziales Verhalten
Mathematische Modelle zur Vorhersage und Beeinflussung des Verhaltens von Gruppen, oder vom Herdentrieb und der Hütehunde-Strategie.
Lange Zeit galt die mathematische Modellierung sozialer Systeme und Dynamiken als Science Fiction. Doch menschliches Verhalten berechnen und damit beeinflussen zu können, ist auf dem besten Weg Realität zu werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) entwickeln gerade die passenden Werkzeuge dafür. Forschung mit dem Ziel, das Verhalten von Gruppen vorherzusagen und darauf Einfluss nehmen zu können, hat eine lange Tradition. Doch nicht zuletzt wegen der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen dem physischen, dem emotionalen, dem kognitiven und dem sozialen Bereich erscheint es praktisch unmöglich, das Verhalten eines Individuums präzise zu prognostizieren.
Anders sieht die Sache aus, wenn Menschen im Strassenverkehr, in sozialen Netzwerken oder auf Grossveranstaltungen nicht als Individuen erscheinen, sondern als Teile einer Menschenmenge auftreten. »Als Masse verhalten sich Menschen durchaus ähnlich wie Teilchen von Flüssigkeiten oder Gasen«, erläutert Professor Massimo Fornasier, Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Numerische Analysis der TU München.
Analogie zur Physik
In der Physik muss man nicht die genauen Eigenschaften jedes einzelnen Teilchens kennen, um die Bewegungsrichtung grosser Mengen von Gasmolekülen mit hoher Wahrscheinlichkeit berechnen zu können. Es genügt, ihre durchschnittlichen Eigenschaften zu kennen. »Genau so können wir bei der Betrachtung strömender Menschenmassen, Schwärmen von Tieren oder interagierender Roboter vorgehen: Analog zu den Anziehungskräften zwischen Molekülen eines Gases können wir generalisierte Verhaltensmuster als wechselseitige Kräfte zwischen einzelnen Agenten beschreiben und sie so in mathematischen Gleichungen abbilden«, beschreibt Fornasier seine Vorgehensweise.
Berechnung kollektiver Verhaltensmuster
Professor Fornasier und sein Team bewiesen unlängst mathematische Gesetzmässigkeiten die zeigen, wie überraschend einfach es ist, auf der Grundlage beobachteter Daten über die Dynamik präzise mathematische Modelle für bestimmte relativ einfache Gruppeninteraktionen automatisch zu produzieren.
Mithilfe von Computersimulationen können die Mathematiker damit mögliche kollektive Verhaltensmuster einer grossen Anzahl sich wechselseitig beeinflussender Individuen in einer aktuellen Situation beschreiben. »Im nächsten Schritt können wir damit auch Vorhersagen über künftiges Verhalten treffen«, sagt Fornasier. »Und wenn wir das Verhalten einer Gruppe interagierender Agenten vorausberechnen können, ist es nur noch ein kleiner Schritt sie auch steuern zu können.«