Kommentar 14.06.2016, 17:11 Uhr

Apple hat die Zukunfts-Weichen gestellt - und ein neues Aushängeschild gefunden

Vieles, was Apple gestern präsentiert hat, erinnert an die Konkurrenz. Für einen Nachruf ist es immer noch zu früh. Denn in Cupertino hat man aus schwächelnden Hardware-Verkäufen gelernt - und nebenbei einen neuen USP gefunden.
(Quelle: Shutterstock.com/Denis Kuvaev)
So viel Bahnbrechendes und noch nie gesehenes Neues haben Tim Cook und seine Abteilungsleiter gestern bei der alljährlichen Entwicklerkonferenz WWDC nicht vorgestellt. Ja, iOS 10 wird viele kleine nette Features enthalten, Siri wird endlich der übergreifende digitale Assistent, der sie schon immer vorgegeben hat zu sein. OS X heisst jetzt macOS und Apple Pay wird ausgebaut - bis nach Deutschland hat der Bezahldienst es aber immer noch nicht geschafft.
Dennoch - wer jetzt zum wiederholten Mal einen Nachruf auf Apple in die Tasten haut, blickt zu kurz. Zum ersten hat man in Cupertino dazugelernt. In Zeiten in denen die Konkurrenz massiv mit offenen APIs agiert, muss auch der iKonzern seine Türen zumindest einen Spalt weit öffnen. Und das hat er getan. Siri, iMessage und Apple Maps können so ihren ersten Entwicklungs-Schritt zur Plattform machen. Damit reagiert Apple auf den auch für den eigentlichen Hardware-Experten immer wichtiger werdenden Service-Trend - und erlaubt auch kommerziellen Angeboten den Einzug in seine Anwendungen. Mit der Integration von Apple Pay schafft man auch noch ein komplettes Ökosystem. Und damit ein zweites Standbein neben dem schwächelnden Hardware-Geschäft.

iMessage im Snapchat-Gewand mit Messenger-Accessoires

Natürlich, neu ist an all den vorgestellten iOS-Features wenig. iMessage kommt im Snapchat-Gewand mit Facebook Messenger-Accessoires daher, die neue Foto App erinnert stark an Google Photos, Apple Maps nähert sich immer mehr an Google Maps an und Siri wird vielleicht endlich zu Alexa, Cortana und Google Now aufschliessen können. So weit wie die Konkurrenz ist Apple weder in Sachen VR, noch dann, wenn es um einen digitalen Home-Assistenten à la Amazon Echo oder Google Home geht.
Aber: Das heisst nicht, dass es den von Apple nicht in absehbarer Zeit geben wird. Der Ausbau von HomeKit hat gezeigt: Das vernetzte Zuhause steht oben auf Tim Cooks Agenda. Und wenn Apple etwas macht, dann wird es (meistens) richtig gemacht. Und genügt in der Regel von Anfang an den strengen Anforderungen, die das Unternehmen an Design, User Experience, Integrationsfähigkeit und vor allem Sicherheit stellt.
Und genau die Sicherheit ist es, die Apples Software-Updates, auch wenn von der Konkurrenz inspiriert, einzigartig am Markt machen. Eine End-to-End-Verschlüsselung in iMessage, FaceTime und HomeKit. Keine Profilbildung in Apple Maps oder irgendeiner anderen App. Und damit schafft sich der Konzern einen USP, den man im übrigen Silicon Valley vergebens sucht. Und der Apple laut dem Privacy-Experten Professor Aaron Roth klar als führend aller Tech-Unternehmen in Sachen Privatsphäre und Datenschutz positioniert.

Privatsphäre als USP

Der von vielen beschworene Untergang Apples wird eben nicht dann kommen, wenn man nicht endlich all die Daten nutzt, die die User generieren. Sondern genau dann, wenn man es tut. Dass man auch ohne die Datensammelwut der Amazons und Googles dieser Welt eine sehr gute KI entwickeln kann, hat VocalIQ, im Herbst von Apple gekauft, bewiesen. Mit nur wenigen tausend Gesprächsprotokollen arbeitet der Assistent mit einer viel höheren Treffgenauigkeit bei Anfragen als die mit Millionen Daten versorgten Wettbewerber Alexa, Google Now und Cortana.
Apple kann auf lange Sicht sogar als Gewinner hervorgehen. In Zeiten, in denen die Sensibilität bezüglich der eigenen Daten, besonders bei der Jugend, rapide steigt, setzen viele User wohl eher auf die geschützte Anwendung. Erst recht, wenn die mindestens die gleiche Leistung bietet wie die unsichere Konkurrenz. Selbst wenn die iPhone-Verkäufe auch beim 7er-Modell nicht wieder signifikant wachsen - Apple hat ein neues Aushängeschild gefunden.




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