Payment
07.10.2016, 12:04 Uhr
Apple, Twint: Mobile Payment ist (noch) Nische
Weder in den USA noch in der Schweiz haben Lösungen wie Apple Pay oder Twint bis anhin den Durchbruch geschafft. Nun droht den Payment-Apps noch mehr Konkurrenz.
Die US-amerikanischen Verbraucher gelten als affin für Kreditkartenzahlungen. Laut einer Studie der US-Notenbank von 2013 verwendete tatsächlich nur rund jeder Vierte die Kreditkarte als regelmässiges Zahlungsmittel. Bargeld, Debitkarten und Checks wurden zusammen genommen viel häufiger genutzt.
Das gilt offenbar nun auch für Mobile Payments: Apple, Google und Samsung sind im Land der unbegrenzten Möglichkeiten noch längst nicht im Massenmarkt angekommen. Nach Aussage des Endkunden-Chefs der grössten US-amerikanischen Bank, JPMorgan Chase, machen Smartphone-Zahlungen weit weniger als ein Prozent der Transaktionen im Retail-Handel aus. Gordon Smith gab sich zwar zuversichtlich, dass die Bequemlichkeit der Handy-Zahlungen bald mehr Kunden überzeugen werde. Jedoch wollte er keine Vorhersage wagen, wann eine kritische Masse erreicht werde. Der reine Markteintritt von Apple & Co. sowie breit angelegte Werbekampagnen – beides läuft in den USA seit Monaten – genügen offenbar nicht.
Internationale Player
Auf einen ähnlich tiefen Anteil Zahlungen wie in Übersee dürften auch die Mobile-Payment-Systeme in der Schweiz kommen. Paymit, Twint und auch das im Juli lancierte Apple Pay kommunizieren entweder Download-Zahlen, Transaktionssummen oder gar keine Daten. Eine Nische. Weder die Unterstützung der Graubündner Kantonalbank für Apple noch die jüngsten Bekundungen Samsungs, «möglichst bald» mit dem eigenen Bezahlsystem in den Markt eintreten zu wollen, werden an dem Nischendasein viel ändern. Die grosse Masse der Schweizer Verbraucher bleibt beim Bargeld, der Debit- respektive der Kreditkarte – vorerst.
Eine andere Zielgruppe hat «Alipay». Das vom Online-Händler Alibaba betriebene Zahlungssystem hat mehrere hundert Millionen vorwiegend chinesischer Kunden. Alibabas Türöffner für die Schweiz ist das deutsche Payment-Unternehmen Wirecard. Der Dienstleister will noch im Herbst eine App lancieren, mit der Schweizer Detailhändler Zahlungen abwickeln können. Das Akzeptieren von Alipay lohnt sich vor allem für Läden mit vielen chinesischen Kunden, etwa in Touristen- und Uhren-Hochburgen wie Luzern.
Dem Schweizer Payment-Anbieter Twint drohen auf den ersten Blick heute weder starke Konkurrenz aus den USA noch aus Fernost. Bis anhin standen auch die einheimischen Banken mehrheitlich hinter ihrer eigenen Entwicklung und verweigerten den internationalen Anbietern die Gefolgschaft. Nach dem grünen Licht der Wettbewerbskommission Weko zur Fusion von Paymit und Twint können sich die hiesigen Finanzdienstleister vollkommen auf die «Schweizer Lösung» konzentrieren. Das Betreiberunternehmen kolportiere zuletzt Pläne, nach denen Twint zum Jahresendgeschäft mit den Funktionen beider Lösungen starten wird. Mobile Payment wird dann Peer to Peer, am POS und im Unternehmensgeschäft möglich sein. Weitere Features wie Bonuskarten und Gutscheine sollen folgen. Auf den ersten Blick eine komfortable Position. Allerdings: Die Konkurrenz schläft nicht. Sie kommt indes aus einer ganz anderen Sparte.
In China bezahlen Millionen Benutzer bereits mit dem Messenger WeChat © WeChat
Für Mobile Payment braucht's nicht zwingend eine App wie die Betreiber des chinesischen WeChat-Messengers beweisen: Über den Dienst buchen heute die rund 650 Millionen User regelmässig Billette, Kinokarten oder Mobilfunkguthaben. Die Bezahlfunktion im Messenger haben rund 420 Millionen aktiviert. Ganz ohne eigene Bezahl-App senden die Benutzer ihren Freunden Geld per Textnachricht oder scannen QR-Codes.
Die Chinesen sind Vorbild für einen weiteren, potenziell mächtigen Player im Payment-Markt: Facebook hat in den USA und auch in Europa Banklizenzen beantragt. Der Media-Riese kann anschliessend den Milliarden seiner Messenger-Nutzer (Facebook Messenger und WhatsApp) eine Bezahlfunktion anbieten. Twint tut gut daran, neben der App alsbald auch einen Messenger-Bot zu lancieren. So könnte die Schweizer Lösung zu den fortschrittlichsten Anwendungen für Mobile Payment avancieren.