Künstliche Bäume und Co. 09.05.2016, 07:15 Uhr

So verstecken die Netzbetreiber ihre Mobilfunkantennen

Müssen Altstädte oder denkmalgeschützte Bereiche mit Mobilfunk versorgt werden, greifen die Netzbetreiber in die Trickkiste, um die unschönen Antennen zu verstecken.  Im Ausland sind richtig ausgefallene Lösungen im Einsatz.
Auf Hawaii fügt sich dieser künstlich hergestellte Antennenbaum mehr oder weniger gut in die Landschaft ein
(Quelle: mj007 shutterstock)
Die Sonne geht langsam unter, am Strand packen die letzten Badegäste ihre Handtücher ein, eine Gruppe Palmen wiegt sich malerisch im lauen Abendwind, der über den Persischen Golf nach Dubai hineinweht.
Eigentlich eine wunderbar idyllische Szenerie, doch wer sich die Palmen genauer ansieht, stellt fest, dass eine von ihnen unter ihren Wedeln jede Menge Mobilfunkantennen verbirgt – und dann erkennt man: Die ganze Palme ist nicht echt! Der Stamm samt Palmwedeln ist aus Stahl und Kunststoff und hat nur einen Zweck: Die Antennen so gut es geht zu verbergen, damit diese nicht die Optik des Strandpanoramas stören.
In Dubai baut man komplett künstliche Palmen
Quelle: shutterstock Philip Lange
Wer nun denkt, dass es so etwas nur im reichen und manchmal etwas exzentrischen Emirat Dubai geben kann, sollte sich einfach einmal mit offenen Augen die Dächer der deutschen Grossstädte ansehen. Da gibt es immer wieder Häuser zu sehen, die über eine erstaunlich grosse Anzahl an Kaminen verfügen, obwohl nur aus einem auch Rauch dringt. Die restlichen passen zwar farblich perfekt zu den Ziegeln auf dem Dach, sind jedoch lediglich Attrappen und verbergen unter dem Kunststoffgehäuse Antennen der Mobilfunknetzbetreiber.
Die Mobilfunkbeauftragte des Bund Naturschutz, Helga Krause, hat jede Menge Bilder von solchen „versteckten“ Antennen gesammelt. Krause will damit bewusst machen, wie viele Antennen es in den Städten und Dörfern gibt, die kaum als solche erkennbar sind.
Nach den Umbaumassnahmen sind diese drei Antennen in Fürth nicht mehr als solche zu erkennen
Quelle: Helga Krause

Probleme in der Altstadt

Ein alter Kirchturm beherbergt unterm Zwiebeldach Hightech.
Quelle: Helga Krause
Allerdings handelt es sich in den wenigsten Fällen um eine Verschleierungsabsicht der Carrier, die die Verbraucher über die Standorte bewusst im Unklaren lassen wollen. Diese können auf dieser Website zudem genau einsehen, wo eine Sende- und Empfangsanlage installiert ist. Meist seien es vielmehr Anforderungen des Denkmalschutzes beziehungsweise Satzungen für Altstädte, aber auch der Kirchenbaupflege, die eine unauffällige Anbringung erforderlich machen, heisst es beispielsweise von Vodafone.
Besonders schwer ist es demnach, in Gebieten mit vielen denkmalgeschützten Gebäuden geeignete Standorte zu finden, beispielsweise in Altstädten oder touristischen Attraktionen. Doch gerade hier ist eine gute Versorgung mit Mobilfunk essenziell, da die grosse Anzahl an Nutzern auf mehrere eng beieinander liegende Antennen verteilt werden muss. Und die Anforderungen an die Netzabdeckung in solchen Bereichen steigen, denn immer mehr Besucher wollen den gerade gemachten Schnappschuss direkt an die Lieben zu Hause schicken oder auf Facebook posten.
Eine Schornstein-Atrappe in Halle
Die unauffällige Installation ist zudem alles andere als einfach. Die Netzbetreiber müssen gerade bei denkmalgeschützten Gebäuden, zum Beispiel bei Kirchen, auf altes Mauerwerk, die Statik und den Raum für die Technik Rücksicht nehmen. Nicht zuletzt will jede Mobilfunkantenne ja auch mit dem Glasfaser-Backbone des Anbieters oder per Richtfunk angebunden werden.
„Für den Richtfunk beispielsweise wird die Antenne bei denkmalgeschützten Gebäuden meist hinter einem Fenster versteckt. Das Fenster muss dabei häufig gegen eine Variante ausgetauscht werden, die genauso aussieht, aber aus anderem Material besteht, das für Funkwellen besser durchlässig ist“, erklärt man bei Vodafone auf Nachfrage der Redaktion.

Teure Speziallösungen

Das alles umzusetzen, ohne dass man im Anschluss etwas von der unschönen Technik bemerkt, ist mitunter sehr kostspielig und zeitaufwendig. Ein weiteres Hindernis sind neben den technischen und baulichen Problemen aber immer wieder auch besorgte Bürger, erklären Vodafone und Telefónica. Auf den Kommunalversammlungen stehen dann nicht selten die Interessen der Mobilfunkskeptiker denen der Gemeinde und der ortsansässigen Unternehmen gegenüber.
Erstere haben Bedenken vor einem Übermass an Mobilfunkstrahlung durch die Vielzahl an Antennen, Letztere verweisen dagegen vor allem auf Mobilfunkversorgung als wichtigen Standortfaktor. Laut Aussagen von Telefónica geht die Zahl solcher Diskussionen aber immer weiter zurück.
 
Mobilfunk aus dem Gully: Kathrein geht mit Street Connect in den Untergrund
Einen Weg aus dem Dilemma will nun ausgerechnet der traditionsreiche Antennenspezialist Kathrein gefunden haben. Die Rosenheimer entwickelten eine Mobilfunkantenne, die unter einem „Gully­deckel“ aus Verbundwerkstoff im Boden, beispielsweise einer Fussgängerzone, verlegt wird und somit quasi aus dem Untergrund die gewünschte Fläche mit Mobilfunk versorgt.
Die Vorteile liegen auf der Hand – es sind keine Installation und Wartung an Gebäuden nötig, zudem ist die Verbindung zum Backbone deutlich leichter und kostengünstiger. Vielleicht haben die Kunststoff-Palmen in Dubai also bald ausgedient und werden durch schwarze Gullydeckel aus Oberbayern ersetzt.

Interview zum neuen Street Connect von Kathrein

Helmut Mühlbauer, Leiter Produktmanagement Mobilfunkantennen bei Kathrein
Wie kam Kat
hrein überhaupt auf die Idee, den Mobilfunk in den Boden zu verlegen?
Helmut Mühlbauer: Die ursprüngliche Idee kam vom Mobilfunkanbieter Swisscom, der nach einer Strategie zur Netzverdichtung in Innenstädten gesucht hat. Um die Idee in ein Serien­produkt umzusetzen, war Swisscom auf Partner angewiesen und nahm Kathrein sowie Ericsson mit ins Boot. Das Proof of Concept wurde zusammen mit Swisscom durchgeführt.

Wie verhalten sich die Kosten von Street Connect gegenüber einer ober­irdischen Antenne?
Mühlbauer: Es entfallen die Kosten für eine aufwendige Standortsuche, zum Beispiel an Gebäuden, Litfasssäulen oder Strassenlaternen. Auch die Standortmiete ist kein Thema. Es gibt nur einen Ansprechpartner, nämlich das Tiefbauamt beziehungsweise die Stadtverwaltung. Die Antenne rückt wesentlich näher an Datenleitungen und Stromleitungen in der Erde, was die Anbindung an das Core-Netz wesentlich erleichtert und damit die ­Kosten senkt.

Kathrein Street Connect
Benötigt dann jeder Carrier ein eigenes Street Connect oder können Sie mehrere Anbieter mit einem System bedienen?
Mühlbauer: Theoretisch kann das System mehrere Carrier beziehungsweise Betreiber bedienen, da die für diesen Anwendungsfall gängigsten LTE- und 3G-Bänder unterstützt werden. Es ist jedoch abhängig von den geltenden Gesetzen in den einzelnen Ländern, wie viel Leistung in Summe abgestrahlt werden darf.




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