Vergleich 08.02.2016, 12:50 Uhr

Mobile Betriebssysteme im Check: Alle gegen Android

Die Dominanz von Android bei den mobilen Betriebssystemen ist nicht aufzubrechen: Kleine Konkurrenten scheitern, und auch Apple und Microsoft legen kaum zu.
Android-Figur vor Google-Gebäude
(Quelle: Shutterstock.com/Asif Islam)
Beim Kampf der mobilen Betriebssysteme scheint gerade weitgehend Waffenstillstand zu herrschen: Der Marktführer Google liegt mit Android, das in rund 80 Prozent der aktuell verkauften Smartphones zum Einsatz kommt, weit vorne. Danach folgt Apple mit stabilen Anteilen um 15 Prozent vor dem ambitionierten Verfolger Microsoft.
Die starken Marktbewegungen bei den Herstellern haben sich kaum auf die Betriebssysteme ausgewirkt, da ausser Apple die grössten Smartphone-Schmieden ganz klar auf Android setzen und das Google-System höchstens einmal mit einer eigenen Oberfläche modifizieren.

Android bleibt oben

Mit einem Marktanteil von über 80 Prozent bei den Smartphones bleibt Android so wohl bis 2019 und darüber hinaus klar das dominante mobile Betriebssystem. Zu diesem Schluss kommen die Analysten von IDC und weitere Marktbeobachter.
Dabei wird Android fortlaufend diversifiziert: Software-Anbieter wie Cyanogen oder Hersteller wie Xiaomi setzen immer stärkere Eigenentwicklungen auf das System. In abgeschwächter Form gibt es eigene Benutzeroberflächen unter anderem auch bei HTC, Huawei oder Samsung. Für die Verbraucher hat das nicht immer angenehme Konsequenzen, da sie sich bei einem Wechsel des Herstellers auf neue Menüs und Widgets einstellen müssen.
Dazu kommt noch die Vielzahl verschiedener Android-Versionen, die parallel im Umlauf sind: So wird aktuell gerade Android 6 Marshmallow eingeführt, gleichzeitig wird die Mehrzahl der neuen Smartphones noch mit 5.x oder sogar noch 4.x verkauft. Updates sind nicht immer möglich, da diese oft nach Gutdünken der Hersteller ermöglicht werden. Wer ein exotisches Smartphone kauft, muss also immer damit rechnen, dass er hier in Zukunft leer ausgeht.
Google würde möglicherweise gerne wie die Konkurrenten Apple und Microsoft mehr Ordnung in seine Welt bringen, hat aber offenbar nur eine eingeschränkte Macht dazu. Die unter dem Nexus-Logo laufenden Smartphones, die immer auch als Referenzprodukte für neue Android-Versionen dienen sollen, sind der Versuch, ein „pures“ Betriebssystem ohne Modifikationen oder Bloatware bereitzustellen.

Apple geht den Weg weiter allein

Wenig Dynamik zeigt beim Betriebssystem momentan Apple, das sein iOS weiter exklusiv verwendet: Es sieht auch in der Version 9 weitgehend so aus wie vor einigen Jahren. Die evolutionären Anpassungen unter Beibehaltung der Grundprinzipien scheinen viele Apple-Kunden zu schätzen, zumal sie zuverlässig Updates bekommen.
Diese sollen zwar auch auf älteren Geräten laufen, doch in der Praxis zeigt sich, dass iOS 9 zum Beispiel auf einem iPhone 4s keinen Spass macht, was die Geschwindigkeit betrifft.
Ein Vorteil von Apples Politik, Hard- und Software selbst zu gestalten, ist das ­gute Zusammenspiel beider Komponenten. So sind das Betriebssystem und viele ­Ap­ple-eigene Apps optimal auf die Ausnutzung der Hardware-Ressourcen abgestimmt. Auch können neue Technologien wie das 3D-Touch-Display schnell eingebunden werden.
Grundsätzlich sehen die IDC-Analysten eine stabile Marktentwicklung von iOS für die Jahre bis 2019: Der Anteil soll um 14 bis 15 Prozent liegen. In Deutschland war der Anteil von iOS mit knapp 20 Prozent laut Kantar Worldpanel im dritten Quartal 2015 sogar überdurchschnittlich. Software für iOS gibt es bei der gegenwärtigen Verbreitung ohnehin genug: Über 1,5 Millionen Apps stehen für Nutzer bereit.

Windows muss aufholen

Mit Windows 10 sollte alles besser werden und das Comeback von Microsoft bei den mobilen Betriebssystemen beginnen. Doch der Start lief nicht ganz glatt, die mobile Variante liess lange auf sich warten. Erst im November gingen die ersten Lumia-Modelle 550, 950 und 950 XL von Microsoft überhaupt in den Verkauf. Auf der CES zeigte Acer zumindest als ­erster Fremdhersteller ein Windows-10-Smartphone, doch generell ist das Hardware-Angebot hier noch dürftig.
Bei den Marktanteilen scheint sich das neue System nicht auszuzahlen, denn die Analysten von IDC sehen bis 2019 keinen grossen Anstieg im Smartphone-Bereich. Bei den Tablets ist die Prognose schon rosiger, denn dort soll der Marktanteil von Windows 10 im gleichen Zeitraum von 8,5 auf 17,8 Prozent steigen. Allerdings spielt Microsoft selbst damit 2019 nur die dritte Geige, denn Android soll auf 56,5 und iOS auf 25,7 Prozent kommen.

Keine Alternativen

Noch vor zwei Jahren gab es Hoffnung für jene, die eine Alternative zu den drei Platzhirschen sein wollten. Doch 2015 kündigte Mozilla an, die mobile Firefox-Version nicht weiterzuentwickeln. Auch die einstige Alternative von Samsung, Tizen, kommt in Europa nur noch in den Smartwatches der Koreaner zum Einsatz.
Als Linux-basiertes System scheint derzeit Ubuntu noch zu überleben, auch wenn es ausser zwei Modellen von BQ und einem von Meizu noch keine Smartphones­ in Europa gibt, die das Open-Source-System nutzen. Die zwei Grundprobleme aller alternativen Angebote sind auch hier noch nicht gelöst: Zu wenig Unterstützung durch renommierte Hersteller bedingt mangelnde Marktpräsenz und damit ein lückenhaftes App-Angebot.  
Auch BlackBerry, das in den ersten Jahren zu den grössten Anbietern von Smartphones gehörte, hat offenbar das eigene System BlackBerry OS weitgehend aufgegeben und mit dem Priv kürzlich sein erstes Android-Smartphone auf den Markt gebracht. BlackBerry-Chef John Chen dementiert zwar ein nahes Ende des eigenen Betriebssystems, doch wenn das Android-Projekt erfolgreich sein wird, dürfte dies nur noch eine Frage der Zeit sein.

Neue Funktionen

Punkten wollen die etablierten Anbieter vor allem mit neuen Funktionen und im Fall von Windows mit einer Plattform-übergreifenden Strategie. Der Grundgedanke ist dabei, dass der Anwender Inhalte und Apps zwischen Smartphone, Tablet und PC verschieben und verwenden kann. Über die Funktion Continuum können diese auch vom Smartphone aus auf einem grossen Bildschirm dargestellt und bearbeitet werden. Vergleichbares haben die anderen Betriebssysteme in diesem Umfang noch nicht.
Das zweite Feature, mit dem die drei Anbieter überzeugen wollen, ist die Sprachsteuerung. Ob Siri bei Apple, Goo­gle Now oder Microsofts Cortana: Die Server-basierte Erkennung von Kommandos der Anwender wird offensiv beworben.
Die Website Experts Exchange stellte die drei mit mehreren Fragen auf die Probe und kam zu dem Ergebnis, dass Siri mit Abstand am besten die Eingaben erkannte und schnellere Antworten lieferte. Google Now und Cortana lagen deutlich dahinter. Hier macht sich offenbar die grosse Erfahrung von Apple auf diesem Gebiet bemerkbar, während der Spätstarter Microsoft noch Probleme hat.
Ein weiteres Thema dürfte die Integration neuer Hardware-Features sein: Vor allem bei den druckempfindlichen Bildschirmen – 3D Touch oder Force Touch genannt – hat sich gezeigt, dass Apple die Nase vorn hat. Bei Android und Windows warten die Anwender nach wie vor auf die Unterstützung dieser Funktion.

Die Perspektiven

Die beiden Platzhirsche müssen wohl am ehesten Microsoft fürchten, denn mit Windows 10 unternimmt der Software-Riese seinen bisher stärksten Anlauf im mobilen Bereich. Allerdings muss dieser endlich auch Erfolge zeigen, denn durch den Kauf der Hardware-Sparte von Nokia hängt auch das eigene Geschäft mit den Geräten davon ab. Apple wird dagegen weiter iOS eher als Baustein seines Systems aus Hardware und Diensten sehen.
Google schliesslich wird versuchen müssen, mehr Einheitlichkeit bei Android zu gewährleisten, anstatt Versionen und Oberflächen ausufern zu lassen. Die grosse Auswahl an Endgeräten wird als Stärke von Android weiter gute Argumente liefern. Fürchten muss Google wohl nur, dass irgendwann die Namen von Süssigkeiten für neue Versionen ausgehen.




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