Interview 23.11.2014, 21:11 Uhr

Microsoft startet Smartphone-Offensive

Der Microsoft-Konzern startet nach der Übernahme der Hardware-Sparte von Nokia seine Offensive bei Smartphones. Im Interview spricht Sebastian Ulrich über die Pläne
Sebastian Ulrich, Leiter Mobile Devices für Microsoft in Deutschland
Etwa sechs Monate sind seit der Übernahme der Handy-Sparte von Nokia durch Microsoft vergangen. Zu diesem Prozess und der Strategie im Hardware-Geschäft sprach unsere Schwesterpublikation Telecom Handel mit Se­bastian Ulrich, Leiter des Bereichs Mobile­ Devices von Microsoft in Deutschland.

Telecom-Handel: In letzter Zeit gab es einige Gerüchte. Was passiert nun konkret mit dem Markennamen Nokia?
Sebastian Ulrich: Microsoft hat sich den Namen ja für zehn Jahre gesichert, um diesen im Bereich der einfachen Mobiltelefone, wo er einen sehr guten Ruf hat, weiter zu verwenden. Bei Smartphones haben wir den Brand Lumia, der dort inzwischen etabliert ist und zukünftig in Kombination mit Microsoft die zentrale Rolle spielt.

Gibt es dafür einen Zeitpunkt?
Ulrich: Das ist ein fliessender Übergang, der sich bald auch in neuen Produkten zeigen wird. Wir sehen uns aber bereits jetzt definitiv als Teil von Microsoft.

Wie ist die interne Aufteilung, zum Beispiel bei den Tablets, wo es mit Surface ja auch originäre Microsoft-Produkte gibt?
Ulrich: Das erörtern wir noch im Detail. Aber es ist schön, dass wir als Teil von Microsoft nun auf ein viel grösseres Portfolio als nur Smartphones zugreifen können: Das geht von Xbox über die vielen Software-Angebote und Services bis zu Surface. Diese Möglichkeiten wollen wir auch dem Handel vermitteln.

Trotzdem muss man nun die Welten von IT und TK vereinen ...
Ulrich: Das ist in der Tat eine Aufgabe. Der Vertrieb teilt sich bei uns nicht nur in Hard- und Software auf, sondern auch auf verschiedene Kundentypen. Da gibt es Grossunternehmen, den Mittelstand und Konsumentenprodukte. Selbst ein Produkt wie ein Smartphone kann da ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen erfüllen, so dass wir über alle Kanäle und Zielgruppen gehen müssen, wenn wir Erfolg haben wollen. Die schon heute vorhandene, grosse Vertriebsorganisation bei Microsoft kann uns dabei natürlich auch im Vertrieb helfen.

Worauf muss sich denn der Fachhändler nach der Übernahme einstellen?
Ulrich: Wir werden bei Microsoft integriert, aber die Ansprechpartner im Bereich der Telefone bleiben erhalten, das ist wichtig. Die Kombinationen aus neuen Produkten und Diensten eröffnen auch neue Möglichkeiten der Präsentation am PoS und können eine viel intensivere Betreuung des Fachhandels bringen. Ausserdem erhalten die Partner den Zugriff auf weitere Produkte, die sie verkaufen können.

Microsoft muss ja auch den Verlust im klassischen Software-Geschäft kompensieren ...
Ulrich: Ich glaube eher, dass die Kombination verschiedener Bereiche wie Hard- und Software die Stärke von Microsoft ist. Wir sind jetzt Teil eines grossen Systems: Bei uns bekommt der Kunde alles aus einer Hand und perfekt aufeinander abgestimmt. Auf einem Windows Phone haben Sie zum Beispiel das gesamte Office-Paket schon aufgespielt, das bietet doch sonst keiner. Mit Office 365 erhalten Sie bald auch unbegrenzten Online-Speicher. Auch die nahtlose Integration zwischen Windows-PC und dem Smartphone ist einzigartig. Versuchen Sie mal, auf einem Konkurrenzprodukt eine PowerPoint-Präsentation zu öffnen ...

Wie entwickelt sich denn der Smartphone-Markt nach Ihrer Einschätzung generell?
Ulrich: Das dramatische Wachstum ist vorbei, aber der Anteil von Smartphones am Gesamtmarkt nimmt weiter zu. Wir gehen für 2014 von einem in etwa gleich grossen Volumen aus. Eine Rolle spielt die immer langsamere Innovation, wegen der sich viele Kunden fragen, ob es sich lohnt, viele Hundert Euro Aufpreis für Highend-Smartphones auszugeben.

Wie reagieren Sie darauf?
Ulrich: Wenn wir unsere aktuelle Produkt­reihe anschauen, haben wir gerade mit dem Lumia 830 ein sehr attraktives Smartphone auf den Markt gebracht, das Highend-Features zu einem erschwinglichen Preis ermöglicht. Mit dem Lumia 730/735 und dem Lumia 630 bieten wir die gleichen Software-Features und Services, wie zum Beispiel das gesamte Office-Paket, kostenlose Navigation und Skype sogar im Einstiegs- und Mittelklasse-Bereich. Wir haben aber auch noch Innovationen in der Pipeline, zum Beispiel bei den Kameras oder – im englischsprachigen Markt – den persönlichen Assistenten Cortana von Windows Phone.

"Wir sind der Herausforderer am Markt"

Welche Rolle wird der Business-Bereich spielen?
Ulrich: Dort kommen Microsoft-Lösungen vor allem auf Computern ja heute schon in fast jedem Unternehmen zum Einsatz. Auch für die Lumia-Phones sehen wir dort auch angesichts der aktuellen Marktsituation grosse Chancen. Wir bieten eine grosse Palette für den Einsatz in Unternehmen, die vom Lumia 530 bis zum 1520 gestaffelt ist und damit die unterschiedlichen Anforderungen und auch Preispunkte vom Aussendienst bis zur Chefetage abdecken kann. Wir konnten bereits Grosskunden wie Miele gewinnen, die unsere Smartphones flächendeckend einsetzen.
Ein komplettes Paket aus Hardware, Diensten und Software ist die Stärke von Microsoft.

Von denen hat aber der Fachhandel weniger etwas ...
Ulrich: Windows Phone begeistert, wenn man es im Einsatz sieht. Wenn also Mitarbeiter in Unternehmen ein Lumia bekommen und es schätzen lernen, sehen sie auch, wie man es im privaten Einsatz nutzen kann, und werden es weiterempfehlen. Ausserdem bedienen viele Händler ja auch Kunden im Mittelstand und kleinere Unternehmen, die von der ständigen Weiterentwicklung der Lösungen mit profitieren. Diesen Bereich wollen wir künftig über den indirekten Vertrieb stärker angehen.

Die grossen Stückzahlen werden Sie aber doch weiter im Consumer-Geschäft machen. Verdienen Sie dort mit einem Lumia 530 für 100 Euro überhaupt noch etwas?
Ulrich: Natürlich, sonst würden wir das ja nicht verkaufen. Wir sehen doch, dass nicht jeder Endkunde viel Geld für ein Smartphone ausgeben möchte. Trotzdem bekommt er bei uns auch für 99 Euro das gleiche updatefähige Windows Phone wie bei einem Highend-Lumia und keine alte Version eines Betriebssystems, wie das im Markt manchmal der Fall ist. Wer einmal von unseren Produkten begeistert ist, kommt zudem wieder und kauft vielleicht auch ein teureres Modell mit mehr Ausstattung.

Nur mit den Marktanteilen will es noch nicht so richtig funktionieren ...
Ulrich: In vielen Ländern haben wir eine gute Entwicklung. In Deutschland haben wir eine grosse Anzahl an PoS, was es nicht einfacher macht. Wir sind aber auf dem Vormarsch, mit dem Lumia 630 haben wir zum Beispiel mehrere Wochen die Charts bei Amazon angeführt. Wir sind der Herausforderer am Markt und müssen Schritt für Schritt die Position verbessern. Ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten ist dazu ein wichtiger Weg.

Wie ist die Übernahme denn im Handel angekommen?
Ulrich: Früher waren wir in erster Linie ein Telefonhersteller, jetzt haben wir eine ganze Palette von Produkten und Diensten für den Handel, die auch ihm neue Chancen für mehr Marge­ eröffnen, etwa im Bereich Connected Home. Wenn wir das vermitteln können, sind wir angekommen.

Neue Konzepte für den PoS

Und wie geht das?
Ulrich: Der Händler muss das Produkt auf das Bedürfnis des Kunden anbieten. Viele Menschen haben zu Hause einen Windows-PC oder eine Xbox, da kann er zum Beispiel das Smartphone verkaufen, das optimal damit zusammenwirkt. Diese Dinge können oft auch mit Konkurrenzprodukten funktionieren, aber bei uns besonders gut. Oder schauen Sie sich Microsoft Office oder Skype an. Das sind Dienste, mit denen jeder vertraut ist und die auch im privaten Gebrauch eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel um mit Familienmitgliedern, die in anderen Städten oder Ländern wohnen, in Kontakt zu bleiben. Hier bietet sich dem Handel die Möglichkeit, zusätzliche Produkte zu verkaufen, wie Office 365 oder Zubehör wie zum Beispiel Headsets oder Lautsprecher.
Das Lumia 530 für knapp 100 Euro.
Spiegelt sich das auch am PoS wider?
Ulrich: Ja, wenn wir einen Händler ausstatten, sieht das idealerweise so aus, dass der Kunde dort neben Smartphones und Windows- sowie Surface-Tablets auch Software wie Office-Pakete und Guthabenkarten für die Xbox findet. Wenn der Platz da ist, kann das auch eine Xbox selbst sein.

Wie intensiv setzen Händler so ein Konzept bereits um?
Ulrich: Die Partner, mit denen wir schon länger intensiv zusammenarbeiten, sind zufrieden mit uns. Da verwenden wir zum Beispiel auch neue Konzepte wie erfolgreiche Händler, die andere Händler trainieren. Da herrscht ein ganz anderer, authentischer Umgang unter Kollegen. Ausserdem kennen diese Partner ganz andere Möglichkeiten, Kunden anzusprechen und diese auf Lumia als Alternative beim Smartphone-Kauf zu bringen.

Viele Kunden haben aber schon eine vorgefasste Meinung ...
Ulrich: Das stimmt, sie sind so gut informiert vor dem Kauf wie nie zuvor. Da spielt Online eine grosse Rolle, und wir müssen dort ansetzen. Ausserdem legen wir Wert auf einen kontinuierlichen Auftritt vom Fernsehspot bis zu Promotoren vor Ort. Wer nur in den Laden kommt, um ein bestimmtes Smartphone abzuholen, den werden wir wahrscheinlich nicht umberaten, aber wir wollen jene überzeugen, die sagen, dass sie ein Smartphone mit guter Software zu einem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis wollen. Am Ende des Tages ist nur Letzteres entscheidend.




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