Glosse
08.09.2020, 12:11 Uhr
Apple Pay und die Sparkassen: Berührungsfreier Hindernislauf
Deutsche sind Muffel beim Annehmen neuer Payment-Methoden. Eine Entscheidung der Sparkassen-Gruppe könnte dem berührungslosen Zahlen in Deutschland zum Durchbruch verhelfen - wenn in der Praxis nicht alles wieder so kompliziert wäre.
Wenn es um den Umgang mit modernen Zahlungsmitteln geht, gilt der Deutsche als konservativ, um es mal freundlich auszudrücken. Die angeblichen Bestrebungen der Regierung zur Abschaffung des Bargeldes - wohl nirgends bringen sie den Volkszorn so sehr in Wallung wie bei uns. Gleichzeitig gelten in aufgeklärten Digitalzirkeln die Schweden als mustergültig, zahlen sie doch alles vom Softeis bis zum Neuwagen bargeldlos. Vielleicht fällt es deshalb auch gar nicht mehr auf, dass die Schweden immer noch in Kronen rechnen statt in Euro.
Warum sind die Deutschen so verstockt?
Aber nicht ablenken: Die Deutschen sind Fortschrittsverweigerer, wenn es um das bargeldlose Zahlen gilt. Nur jeder dritte Deutsche besitzt eine Kreditkarte, eingesetzt wird sie nur bei jeder 67. Zahlung, so meldete die Bundesbank 2018. Zum Vergleich: In den USA hat rein rechnerisch jeder Bürger mehr als eine Kreditkarte, sie ist aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Warum die verstockten Deutschen diese praktische Erfindung aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten so beharrlich ablehnen? Der Digital Native schüttelt verwundert sein Haupt - es ist nicht zu verstehen.
Dabei ist die Lösung so einfach. Seit den frühen 1980er Jahren hat jeder Besitzer eines Girokontos in Deutschland eine EC-Karte. Nur mit ihr zusammen funktionierten früher die Euroschecks, mit denen man überall problemlos bezahlen konnte, wenn das Bargeld mal nicht ausreichte. Um die Jahrtausendwende wurden die Schecks ausgemustert, die Karte blieb. Sie heisst zwar offiziell heute anders, dennoch weiss jeder, was gemeint ist, wenn einer nach einer EC-Karte fragt. Und mit einer EC-Karte kann man fast alles tun, was man mit einer Kreditkarte auch tun kann: Im Geschäft bezahlen, am Geldautomaten Bargeld ziehen, sogar Fahrkarten am Automaten kaufen.
Was für die anonyme Plastikkarte aus Amerika gilt, galt bislang für das Bezahlen mit dem Handy noch viel mehr: Junge Menschen, denen ihr Smartphone in der Hand festgewachsen scheint, fanden es irgendwie cool, mit ihrem Smartphone zu zahlen, doch die überwiegende Mehrheit der Deutschen empfand es schlicht als lästig und unpassend, ein Bier an der Theke durch Starten einer App bezahlen zu wollen. Was, wenn gerade kein Netz da ist? Und warum nicht einfach Geld auf den Tresen legen und "Passt so!" sagen?