Data Driven Marketing Conference 27.11.2019, 10:51 Uhr

"Internetbetrug ist so alt wie das Netz selbst"

An Themen mangelt es der AdTech-Branche derzeit nicht: 2019 diskutierte man Aspekte wie AdFraud, Zweitpreis- und Erstpreis-Auktionen sowie die Frage, wie sich Daten und Kreation befruchten können. Die Data Driven Marketing Conference beleuchtete einige davon genauer.
(Quelle: shutterstock.com/Prabowo96)
Wie gross ist das Problem mit AdFraud in Deutschland wirklich? Eine Frage, auf die es nach wie vor keine klare Antwort gibt. Weltweit, so Studien, liegt der Schaden durch Internetbetrug im Jahr im mittleren Milliarden-US-Dollar-Bereich. Hierzulande schwanken die Schätzungen - es gibt genügend Vertreter, die ein Eigeninteresse daran haben, Fraud als grosses Problem darzustellen, aber auch ebenso viel, die das genaue Gegenteil behaupten. Was genau hinter AdFraud eigentlich steckt und ob es sich lohnt, juristisch dagegen vorzugehen, erklärte Rechtsanwalt Michael Voltz auf der Data Driven Marketing Conference in München.
"Internetbetrug ist dabei so alt wie das Web selbst", so Voltz. Konkret steckt hinter AdFraud das Vortäuschen einer Werbeleistung. Das kann unterschiedliche Formen annehmen, zum Beispiel:
  • Impression Fraud
  • Klick-Fraud / Bot Traffic
  • Versteckte Werbemittel
  • Verschleierung der URL
  • AdWare / Toolbars
Die Straftat dahinter ist eindeutig: Betrug. Das kann man mit Internet-Straftaten wie dem Kauf von Fans/Followern, dem Kauf positiver Bewertungen oder Gewinnspielen mit falschen Versprechungen vergleichen.
Grundsätzlich gibt es bei AdFraud zwei Geschädigte, die Nutzer und den Werbungtreibenden. Dieser hat die Option, gerichtliche Schritte einzuleiten. Ob sich das jedoch lohnt, gibt Rechtsanwalt Voltz zu bedenken. Denn auf zivilrechtlicher Ebene ist es bei Forderung auf Schadensersatz nötig, den Schaden auf Kommastelle genau zu beziffern. Das ist jedoch nicht immer möglich, ist es doch oft schwer, den genauen "Startzeitpunkt" des Angriffs festzusetzen, ihn überhaupt zu bemerken beziehungsweise eben die konkrete Schadenshöhe zu benennen. Aus strafrechtlicher Ebene kann Strafanzeige wegen Betrug erlassen werden. Die Justizbehörden müssen in einem solchen Fall ermitteln. Hier warnt Voltz allerdings vor langen Bearbeitungszeiten sowie vor Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Täters. Kurz: Um gegen AdFraud vorzugehen, empfehlen sich vor allem technische Schritte, etwa Ad Verifications Tools, akkurate Messungen, Blacklisting etc.

Erstpreis versus Zweitpreisauktionen

Das Thema, das das Programmatic Business in diesem Jahr aufwirbelte, war die Umstellung des Erstpreis- auf das Zweitpreisauktionsmodell. Fahrt gewann die Diskussion durch Google: Im März angekündigt, stellt der Konzern im September 2019 seinen Ad Manager als eine der letzten grossen Auktionsbörsen auf das First-Price-Modell um.
Bei einer Zweitpreisauktion erhält den Zuschlag der Höchstbietende - der zu zahlende Betrag jedoch wird vom zweithöchsten Gebot oder einem vom Vermarkter festgelegten Floor-Preis (Mindestpreis) bestimmt. Durch die Einführung von Header-Bidding-Strukturen führte diese Logik jedoch zu Ineffizienzen: In einer übergeordneten Auktion werden die von den Sell-Side-Plattformen gemeldeten zweithöchsten Gebote verglichen, welche jedoch nur selten die tatsächliche Zahlungsbereitschaft der Einkäufer widerspiegeln. Die Einführung von First-Price-Auktionen, in denen das höchste Gebot auch dem zu zahlenden Impression-Preis entspricht, löste dieses Problem auf scheinbar unkomplizierte Weise.
Ob das wirklich so ist, diskutierte Mario Gebers, Director Business Development DACH, OpenX und Leiter Fokusgruppe Programmatic Advertising im BVDW. Sein Fazit: Die Änderung hat sich gelohnt, erforderte aber diverse Umstellungen der Planungsmechaniken bei Werbungtreibenden und Agenturen. Es müssen sich alle nun fragen: Was ist mir der Nutzer wirklich wert? Das führte zu "gefühlten" Intransparenzen in der Umstellungsphase. Lobenswert sei aber, so Gebers, dass man sehr schnell auf Standards gekommen sei innerhalb der Industrie.

Die Chancen

Die Chancen für die jeweiligen Parteien fasst Gebers zusammen:
Für Verkäufer:
  • programmatische Nachfrage kann gegen Direkt-Buchungen (I/O) gestellt werden
  • bessere Monetarisierung für Premium-Inventar
  • Supply Path wird messbar
Für Käufer:
  • mehr Transparenz
  • mehr Effizienz - Gebot mit dem echten "Wert" des Nutzers kann die Auktion gewinnen - auch gegen Direkt-Buchungen (I/O)
Die grosse Angstfrage, die die Umstellung mit sich brachte war: Wird jetzt alles teurer? Nein, gibt Gebers Entwarnung. Die DSPs haben ihre Algorithmen angepasst und Kampagnen sind in 2019 bislang sehr konservativ gefahren worden. Jedoch kam es zu "BidShading" durch einige SSPs - also künstlichen Preissenkungen. Zudem gab es eine geringere Anzahl personalisierter Ads durch die DSGVO.
Und was treibt die AdTech-Branche 2020 an?
  • Supply-Path-Optimization: Transparenz für Käufer und Verkäufer (ads.txt, seller.json)
  • Fokus auf Daten (Stable ID, DSGVO/TCF 2.0)
  • OTT/CTV als Bewegtbildkanal (adressierbare TV-Kampagnen)




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