Kommentar
04.05.2016, 23:21 Uhr
re:publica: Tech-Companies hui, Politik pfui
Die re:publica kämpft für ein freies und offenes Internet - wenn es gegen die Politik geht. Neben tollen Eindrücken bleibt ein schaler Beigeschmack: Die Veranstaltung ist dabei, sich selbst zu kannibalisieren.
Ich hatte mich wirklich gefreut auf diese Tage. Mein erstes Mal auf der re:publica. Bei vielen Digitalveranstaltungen geht es in erster Linie darum, möglichst viel Geld im Internet zu verdienen. Und damit auch oft, die Lebensgrundlage Internet zu kannibalisieren. Die re:publica aber steht für ein freies, offenes Internet und die positiven Möglichkeiten der Digitalisierung für jeden einzelnen. Und damit es frei und offen bleibt, müssen wir uns nun einmal alle dafür einsetzen. So schön, so gut.
Meine Erwartungen waren also ziemlich hoch. Und das nicht nur wegen der Themen Privatsphäre, Pressefreiheit, Netzneutralität und Datenschutz in lockerer Atmosphäre mit vielen Leuten, die ähnlich denken wie ich. Ich bewundere Markus Beckendahl seit langem für seine Arbeit, für seine Recherche, für sein Engagement in der Netzpolitik. Ich lese die Artikel von Johnny Häusler mit Freude. Gute Voraussetzungen sollten das sein.
Zweckoptimismus statt Aktionismus
Die Besucher, das Networking, die Atmosphäre und auch die Themen und Speaker haben meinen Erwartungen standgehalten. Beckedahl sprach unter anderem über die Unsicherheit beim Kauf digitaler Inhalte wie E-Books, Sascha Lobo viel über Snapchat und Trotz, Arbeitsministerin Andrea Nahles stellte sich den Fragen über die Zukunft der Arbeit. Dazwischen wurden künftige YouTuber gekürt, Musik auf Papier vorgestellt, über das Potenzial von VR und die Gefahren von Big Data, digitalem Kolonialismus und Malvertising diskutiert.
Im Vordergrund stand der Versuch, die pessimistische Grundstimmung ob der Dinge, die diese Generation zu erreichen verpasst hat (Stichworte Netzneutralität, Ausspionieren durch Geheimdienste, AfD als Social-Media-König, Breitbandausbau…) nicht gewinnen zu lassen. Auch wenn der Aktionismus einem trotzigen Zweckoptimismus weichen muss oder der noch so kleinste Tropfen auf den glühenden Stein wie eine Zwei-Millionen-Haushaltserhöhung für digitale Bildung gefeiert wird, als wäre ein ganzes Fass auf die eiskalte Granitplatte geschüttet worden.
Natürlich durften auch die Dauergäste auf Digitalkonferenzen nicht fehlen: Content und Influencer Marketing, Instagram für Marken, AdBlocker, Native Advertising. Alles unterhaltsam, inspirierend und trotzdem arm an neuen Informationen für digitale Oberstufler. Natürlich nicht alles. Den ersten re:publica-Tag hatten die von Greenpeace vorgestellten TTIP-Leaks fest im Griff. Auch die Panama Papers waren ein heisses und spannend diskutiertes Thema.