Als das Kursbuch, die 111 und das Banking digital wurden
Supercomputer im Tessin
Weltweit führend sollte die Schweiz bei den Supercomputern werden – aber erst in den 1990er-Jahren. Der Entscheid gegen den Standort Zürich und zugunsten des Tessins für das nationale Hochleistungsrechenzentrum fiel allerdings schon im Mai 1989. Der Tessiner FDP-Nationalrat Sergio Salvioni hatte sich für seinen Heimatkanton starkgemacht und gegen die Widerstände aus der Limmatstadt durchgesetzt.
Das Swiss National Supercomputing Centre wurde 1991 in Manno eröffnet. Der erste Rechner, benannt nach dem Rheinwaldhorn – italienisch: «Adula» – ging ein Jahr später in Betrieb. Der NEC SX-3 mit einer Maximalleistung von 0,0128 TFLOPS war damals einer der schnellsten Rechner der Welt. Dieses Alleinstellungsmerkmal hat sich das Swiss National Supercomputing Centre bis heute bewahrt, steht doch noch heute im Tessin einer der weltweit leistungsfähigsten Computer. Der «Piz Daint» vom Hersteller Cray ist mit 21'230 TFLOPS der global fünftschnellste Rechner.
SBG im Informatik-Kaufrausch
Das Hochhaus an der Schanzenbrücke in Zürich wurde 1989 eröffnet. Es markiert den Beginn eines regelrechten «Kaufrausches» der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) in dem Jahr. In dem Gebäude installierten Dätwyler und Reichle & De-Massari ein hochmodernes Netzwerk sowie Verteilersysteme, die 300 Händler der Bank mit den Börsen der Welt verbanden. Parallel wurde in der damaligen SBG-Kaderschmiede Schloss Wolfsberg in Ermatingen eine Netzwerkinfrastruktur auf Basis von Novell-Technologie installiert. Über das LAN konnte sich der Führungskräftenachwuchs mit den weltweit verteilten Systemen der SBG verbinden und mit den angeschlossenen Teilnehmern kommunizieren – mit einer Geschwindigkeit von 64 Kbit/s.
Für die Endkunden liess die SBG exklusiv einen Einzahlungsautomaten entwickeln. Der Spezialist NCR bekam den Zuschlag für den «Giromat», dessen Programmierung eine halbe Million Franken verschlang. In einem Pilot wurde das Gerät in Zürich Altstetten getestet. Dabei zahlte die Bank damals noch Zinsen auf vorausbezahlte Aufträge. Wie SBG-Generaldirektor Hubert Huschke an der Präsentation des Giromat im Oktober 1989 vor den Medien sagte, sollten sich die Maschinen für sein Haus trotzdem rechnen: Die automatisierte Einzahlung kostete weniger als einen Franken, die manuelle Erledigung das Zehnfache.
Eine weitere millionenschwere Informatikinvestition leistete sich die SBG im November: Als einer der ersten Kunden überhaupt kaufte die Bank zwei Vax-9000-Mainframes von DEC. Die Systeme sollten kleinere Maschinen ersetzen, die in Niederlassungen mit geringerem Handelsvolumen gezügelt wurden. Für die neuen Vax-Grossrechner hatte die SBG den Standort Bahnhofstrasse vorgesehen. Dort sollten sie für die Transaktionsverarbeitung im Handel zum Einsatz kommen und sich in den bereits installierten DEC-Gerätepark einfügen. So sei insbesondere die «Kompatibilität von den kleinen bis zu den grossen Maschinen» für den Kaufentscheid ausschlaggebend gewesen, sagte Jürgen Liedel von der SBG der Computerworld.
Rekordausgaben beim Bund
Der Bund kalkulierte für das Jahr 1989 mit Informatikausgaben in Höhe von 268,2 Millionen Franken. Mit dem Geld wurde der Aufbau der Informatikstrukturen in der Bundesverwaltung «auf breiter Front» vorangetrieben. Ausserdem stiegen die Kosten für Dienstleistung und Wartung infolge der Knappheit an ausgebildeten Spezialisten «rapide», hiess es seitens der Behörden. Tatsächlich bewegen sollte sich im Laufe des Jahres allerdings wenig. Denn im Voranschlag für die Informatikausgaben des Folgejahres lauteten die Argumente immer noch: Die Einführung der Büroautomation steht «auf breiter Ebene» an. Und: «Ein überdurchschnittlich hohes Ausgabenwachstum verzeichnen insbesondere die Dienstleistungsaufträge an Dritte, also an teure externe Berater.» Dennoch forderte der Bundesrat 333,6 Millionen Franken Budget – und eckte damit bei der Finanzkommission an. Sie kürzte dann auch nahezu alle Rechnungsposten zusammen, sodass den Verwaltungsinformatikern «nur» 311,6 Millionen blieben.
Den Rotstift bekam besonders der Bildungsetat zu spüren, denn von den Gesamtkürzungen in Höhe von 31,5 Millionen Franken fielen 19,8 Millionen in dieses Ressort. Die ETHs mussten allein mit 10,8 Millionen weniger leben, was unter anderem den Aufbau des Supercomputer-Zentrums in Manno bremste. Heute können sowohl die öffentlichen Verwaltungen als auch das Bildungswesen von den damals zweistelligen Zuwachsraten beim Informatikbudget nur noch träumen. In beiden Sparten steigen die Ausgaben für IT mittlerweile nur noch um etwas mehr als 2 Prozent.