Forschung
03.11.2014, 05:48 Uhr
So werden Headsets entwickelt
Im Forschungszentrum von GN Store Nord tüftelt man an neuen Jabra-Headsets und analysiert die Prototypen in ausgeklügelten Testräumen. Wir waren vor Ort und zeigen Einblicke in die Entwicklung.
Nichts. In diesem Raum herrscht die absolute Stille. Hier könnte man nicht einmal die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören, denn Boden, Wände und Decke würden den Schall einfach schlucken. Dieser „schalltote Raum“ befindet sich in der Firmenzentrale von GN Store Nord in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und ist Teil des mehr als 600 Quadratmeter umfassenden Forschungs- und Entwicklungszentrums des Kommunikations- und Audio-Spezialisten. Hier werden Headsets & Co. auf Herz und Nieren geprüft, bevor sie in die Produktion gehen.
Die Wände sind vollständig mit Keilen unterschiedlicher Grösse bedeckt, die aus einem speziellen Schaumstoff bestehen. Die besondere Gestaltung dieser Abteilung hat nur einen Zweck: Wie in einem Tonstudio soll Schallwellen keine Möglichkeit gegeben werden, sich an den Wänden zu brechen, zurückzustrahlen und so die Messergebnisse zu verfälschen. So können die Forscher im Labor störungsfreie Bedingungen herstellen – und diese auch mit stets identischen Parametern wiederholen. Bei der Entwicklung neuer Headsets kann in diesem Raum das Mikrofon genau eingestellt werden, da Störungen durch Echos der Teststimmen eliminiert werden.
Der Hallraum ist das genaue Gegenstück zum schalltoten Raum, seine Wände sowie Boden und Decke bestehen aus harten, reflektierenden Flächen. Diese dürfen zudem nicht parallel sein, damit es keine „stehenden Wellen“ gibt. Bei diesem Phänomen überlagern sich die eigentliche Schallwelle und die von der Wand zurückgeworfene und löschen sich so gegenseitig aus. So kann es beispielsweise passieren, dass man in einem Raum, der mit einem mächtigen Subwoofer beschallt wird, an einem besonderen Punkt nichts von den hämmernden Bässen hört, weil sich die Wellen genau hier überlagern.
Der Fachausdruck für die Bedingungen in diesem Raum lautet Diffusfeld, also Schall, der erst von vielen Wänden oder Gegenständen reflektiert wurde, bevor er auf das Headset trifft. Ein herkömmliches Mikrofon würde diese Schallwellen ungefiltert als Hintergrundgeräusche an den anderen Gesprächsteilnehmer weiterleiten, moderne Headsets können aber genau diese Störsignale herausfiltern, so dass im Idealfall nur die Stimme des Sprechers ankommt. Dazu befinden sich ein oder mehrere zusätzliche Mikrofone am Headset. Das Gerät errechnet dann aus der zeitlichen Differenz zwischen dem Eintreffen der Schallwellen auf dem eigentlichen Sprechmikrofon und dem Eintreffen auf den übrigen Mikrofonen, was Sprache ist und was Umgebungsgeräusch.
Hall- und Antennen-Testraum
Während im schalltoten Raum nur ein Mikrofon den Sprecher simuliert und im Hallraum acht Lautsprecher unterschiedliche Geräuschquellen darstellen, soll der sogenannte Hörraum eine möglichst natürliche Umgebung nachstellen, etwa ein Strassencafé oder ein Wohnzimmer. Dazu sind sowohl geräuschabsorbierende als auch -reflektierende Elemente in dem Zimmer verteilt.
Um die Analyse eines neuen Headsets und des verbauten Bluetooth-Moduls besonders lebensnah zu gestalten, benutzen die Entwickler im Antennen-Testraum einen Kunstkopf, der in Masse und Dichte einem menschlichen Kopf ähnelt. Die Keile an den Wänden sollen verhindern, dass die Bluetooth-Signale vom Smartphone über Reflexion zum Headset gelangen; so kann genau ermittelt werden, wie gut die Empfangs- und Sendeleistung der Prototypen tatsächlich ist.
Ein wesentlicher Einsatzort für Bluetooth-Headsets ist das Auto. Die Bedingungen in diesem vergleichsweise sehr kleinen Raum mit vielen reflektierenden Flächen und Störgeräuschen unterscheiden sich jedoch grundlegend von allen anderen Testumgebungen, die in den einzelnen Räumen simuliert werden können. Um die Übertragungsqualität und andere Parameter während des Fahrens untersuchen zu können, wird ein echtes Fahrzeug in einem Testraum benutzt, in dem auch die Fahrzeuggeräusche miteinbezogen werden können.
EVM-Halle für Strahlenschutzbestimmungen
Etwas skurril mutet ein kleiner Bereich des Labors an: Hier hängen an einer Wand verschiedene Ohren – natürlich aus Gummi –, anhand derer die Entwickler die unterschiedlichen Eargels entwickeln können, mit denen ein sicherer Halt im Ohr gewährleistet sein soll. Der Hersteller legt jedem verkauften Jabra-Headset Ohrstücke in mehreren Grössen und Formen bei, so dass auch für etwas ausgefallenere Ohren das Passende dabei sein sollte.
Bevor ein neues Headset auf den Markt gebracht werden darf, muss es etliche Normen erfüllen, unter anderem auch die Strahlenschutzbestimmungen der EU. Dazu gibt es in dem Forschungszentrum eine eigene EMV-Halle (Elektromagnetische Verträglichkeit). Diese kann zur Anwendung bekannter Feldstärken genutzt werden, ausserdem lässt sich hier testen, wie anfällig die neuen Produkte gegenüber anderen Strahlungsquellen sind. Die EMV-Halle wiegt insgesamt über 22 Tonnen und ist damit so schwer, dass die Tür hydraulisch bedient werden muss.