Activity-Armbänder & Co. 20.05.2016, 12:20 Uhr

Marktreport Fitness Tracker: Da führt kein Weg vorbei

Auch wenn die Nachfrage seitens der Kunden nach Smartwatches und Activity Trackern aktuell noch relativ gering ist – der Handel darf sich diesem Thema nicht verschliessen.
(Quelle: Maridav, shutterstock)
Nachdem im klassischen Geschäft mit Mobilfunk­tarifen schon lange nicht mehr so viel Musik drinsteckt wie noch vor Jahren, suchen Anbieter und Distributoren nach weiteren Möglichkeiten, mit denen Händler am PoS ihre Margen aufbessern können. Eine Zeitlang wurde die Vermarktung von Energie­tarifen als der Frequenz- und Umsatzbringer schlechthin angepriesen – mit bekanntermassen nur durchwachsenem Erfolg.
Ebenso wird immer wieder das Thema Smart Home als zusätzliches Vermarktungsfeld für den TK-Handel angeführt – und hier kommt die Branche langsam, aber sicher sogar in Bewegung. Das vernetzte Wohnen ist zudem auch bei den Konsumenten mittlerweile präsent.
Dasselbe kann man auch von einem vergleichsweise jungen Produkt-Segment behaupten, gemeint sind die sogenannten Smart Wearables. Zu diesen werden gemeinhin Smartwatches und deren weniger leistungsfähige Geschwister, die Fitness-Armbänder, gezählt. In den vergangenen Jahren hat sich um diese Geräte ein wahrer Hype entwickelt, den Anfang machten hier Armbänder wie zum Beispiel das ­Fuel Band des Sportriesen Nike.

Apple Watch als Hoffnungsträger

Auch Smartwatches gibt es schon seit geraumer Zeit, allerdings kamen diese nie über ein Nischendasein hinaus. Das sollte sich dann ändern, als Apple seine eigene intelligente Uhr vor einem Jahr herausbrachte – jedoch, der erhoffte Boom blieb aus. Zwar verkaufte sich die Apple Watch gerade in der Anfangsphase trotz des ­hohen Preises recht gut, aber wohl doch nicht so gut, als dass der Hersteller Absatzzahlen veröffentlichen würde. Von verschiedenen Seiten wird die smarte Uhr bereits jetzt als einer der grössten Flops des sonst so erfolgsverwöhnten US-Konzerns gesehen.
Zusatz-Features, etwa ein integrierter Pulsmesser, können zögernde Kunden überzeugen. Hier im Bild der neue Fitness-Tracker Garmin vivosmart HR+
Wie wird sich der gesamte Markt hier entwickeln? Dazu gibt es unterschiedliche Prognosen. Gartner zum Beispiel prophezeit für 2016 einen Absatz von 34,97 Millionen Armbändern. 2015 waren es 30,15 Millionen, und im Jahr 2017 sollen die Verkaufszahlen gar auf 44,10 Millionen springen. Auch bei den Smartwatches erwarten die Analysten Zuwächse von 30,32 Millionen Geräten im Jahr 2015 auf 50,40 Millionen im laufenden Jahr und 66,71 Millionen im Jahr 2017.
Beeindruckende Prognosen – jedoch darf man sich fragen, auf welcher Erwartungshaltung diese basieren. Denn laut einer Umfrage von Accenture besitzen derzeit erst sieben Prozent der Deutschen eine Smartwatch, konkrete Kaufabsichten äusserten lediglich acht Prozent. Bei den Fitness-Armbändern sieht es etwas, aber nicht wesentlich besser aus: Aktuell haben 13 Prozent der Befragten ein solches Gerät im Einsatz, zwölf Prozent wollen in diesem Jahr eines kaufen.

Vielfältige Gründe für die Kaufzurückhaltung

Als einen der Gründe für das immer noch geringe Interesse an Wearables nannten die Teilnehmer der Accenture-Umfrage Bedenken, was die Sicherheit der erfassten Daten angeht. Mehr als die Hälfte führen zu hohe Preise als Hinderungsgrund an, und immerhin 30 Prozent fehlt der weitere Mehrwert der Geräte.
In dieselbe Kerbe schlägt auch Silvio de Lorenzo, Inhaber des Telco Shops in Hildesheim: „Ich will meinen Kunden nichts verkaufen, was nach ein paar Wochen Benutzung in der Schublade verstaubt. Und dieses Schicksal wird wohl sehr, sehr viele gerade dieser Fitness-Armbänder ereilen“, ist sich der Fachhändler sicher.
Ohnehin sei die Nachfrage in seinem Shop verschwindend gering, nur als Ap­ple damals seine Uhr vorgestellt oder Samsung eine neue Smartwatch ­gezeigt hat, seien eine Handvoll Kunden gekommen. „Aber die wollten die Geräte dann ‚nur mal ansehen‘. Verkauft haben wir da fast keine.“
Längst gibt es auch viele modisch designte Wearables auf dem Markt, wie hier den aktuellen Fitbit Blaze mit Lederarmband und Edelstahlgehäuse
Auch beim Beratungsunternehmen Iskander Business Partner sieht man in dem geringen Mehrwert im Alltag eines der Haupthindernisse für die Zukunft der Wearables – auch im TK-Handel. Bettina Rotermund, Unternehmensberaterin bei Iskander, sieht hier eine grosse Chance in der Verbindung mit dem Thema E-Health. Der reine Verkauf der einzelnen Geräte sei für TK-Anbieter wie beispielsweise die ­Telekom kaum von Interesse. „Mit neuen Ange­boten – etwa einer Smartwatch in Verbindung mit einem E-Health-Tarif – liefern die Telekommunikationsunternehmen ihren Kunden wieder neuen Mehrwert und gute Gründe, dauerhaft beim bestehenden Anbieter zu bleiben“, ist Rotermund überzeugt. 
Dies sind aber noch Zukunftsvisionen, derzeit hat der Handel einzig die Möglichkeit, Smartwatches oder Activity Tracker als Zusatzprodukt zum Smartphone – oder eben einzeln – zu verkaufen. Silvio de Lorenzo sieht deshalb momentan auch keinen Sinn darin, die Geräte aktiv zu vermarkten: „Die Marge ist für den doch nicht unerheblichen Beratungsaufwand einfach zu gering, zumal, wenn man das Gerät dem Kunden auch noch mit seinem Smartphone koppeln und einrichten soll.“

Wearables gehören ins Sortiment

Doch ganz kommt man an den smarten Begleitern heute nicht mehr vorbei, die Nachfrage wird, wenn auch langsam, aber sicher, steigen, und dann sollte man als Shop-Betreiber gerüstet sein. Es muss dabei nicht gleich eine komplette Wearables-Wand sein, wie sie Mobilcom-Debitel in einigen Shops installiert hat (siehe Bild unten). „Die Nachfrage auf dem Markt insgesamt ist nicht hoch“, gibt auch Hubert Kluske unumwunden zu. Es sei noch sehr viel Schulungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten, damit die Kunden als erste Anlaufstelle für einen Kauf einen Mobilfunkladen ansteuern, so der Geschäftsführer der Mobilcom-Debitel Shop GmbH.
Auch bei Eno Telecom ist man überzeugt, dass der Handel das Thema bedienen muss. „Ein Grundsortiment von Wear­ables sollte jeder Händler haben“, erklärt Katrin Bulla, Leiterin Marketing, Fachhandelsvertrieb und Netzvermarktung bei den Nordhornern. Wie auch Kluske rät sie aber dazu, auf bekannte Marken wie etwa Samsung, Sony oder Garmin zu setzen, da diese bei den Kunden bereits für Wearables stehen.
Mobilcom-Debitel stattete einige Shops mit einer grossen Präsentationswand für Wearables aus – inklusive funktionsfähigen Testgeräten
Bei SH Telekommunikation sieht man die Fitness-Armbänder momentan noch absatzstärker als die margenträchtigeren Smartwatches. Die Nachfrage nach Jawbone, Fitbit und Co. sei aktuell höher, „allerdings sind Angebot und Preisspanne in diesem Bereich auch deutlich grösser und sprechen dadurch tendenziell mehr Kundengruppen an“, heisst es von dem Grosshändler. Speziell bei Smartwatches sieht man bei SH ein saisonal unterschiedliches Kaufverhalten der Kunden, die meist teureren Uhren laufen demnach im Weihnachtsgeschäft besonders gut.
Auch wenn die – meist von den Her­stellern – angekündigte hohe Nachfrage derzeit noch ausbleibt: Der Handel darf das Thema Wearables nicht komplett vernachlässigen und sollte zumindest eine Handvoll Produkte parat haben. Die Margen mögen im Vergleich zu anderen Zubehörgeräten gering sein, gerade wenn man den Zeitaufwand der Einrichtung beim Smartphone des Kunden einberechnet. Dennoch kann gerade dies auch eine Chance sein, wenn sich der Kunde im Gespräch mit einem Freund, der mit der In­stallation seiner Smartwatch nur Probleme hatte, an die gute Beratung und den Einrichtungsservice bei seinem Fachhändler erinnert.




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