Byrds & Bytes
27.02.2018, 11:04 Uhr
Die streitlustigen App-Entwickler
Wenn die drei App-Entwickler von Byrds & Bytes über Neues diskutieren, geht es heiss zu und her. Jede noch so gute Idee wird zuerst schonungslos in die Mangel genommen.
Die Köpfe hinter Byrds & Bytes (v.l.): Roman Kasinski, Jonathan Gerber und Benjamin Freisberg
(Quelle: lp / NMGZ)
An der Aare herrscht an sonnigen Tagen zwischen dem Marzilibad und dem Schönausteg reges Treiben. Hündeler spazieren mit ihren Tieren dem Weg am Ufer entlang, Jogger machen sich auf einer Runde über den Mittag den Kopf frei. Im Berner Sandrainquartier wird aber nicht nur spaziert und gejoggt, sondern auch entwickelt. An der Sandrainstrasse 17, nur einen Steinwurf vom Berner Hausfluss entfernt, haben sich Benjamin Freisberg, Jonathan Gerber und Roman Kasinski in einem Gebäude des städtischen Technoparks Marzili eingenistet – Tür an Tür mit anderen Jungunternehmen. In ihrem Büro arbeiten sie unter dem Firmennamen Byrds & Bytes an Applikationen. Mitten im kleinen und eher spärlich eingerichteten Raum stehen zwei Holztische, die zu einem Quadrat zusammengerückt sind. Freisberg, Gerber und Kasinski sitzen mit ihren Laptops je an einer Tischkante. Zur Eingangstür hin steht ein leerer Stuhl.
«Hier drinnen sitzen wir gewissermassen auf einem Friedhof», sagt Gerber schmunzelnd. Damit meint er die vielen Ideen, welche die drei während ihrer gemeinsamen Arbeit bereits begraben haben, wie er gleich nachschiebt. «Wenn bei uns eine neue Idee auf den Tisch kommt, geht es darum, diese auf die Probe zu stellen. Und dabei gibt es bei uns schon mal die eine oder andere hitzige Debatte.» Das soll laut seinem Kollegen Kasinski auch so sein – so sehr man von einer neuen Idee auch überzeugt sein mag: «Wenn man anfängt, ein Produkt umzusetzen, dann ist der zeitliche Aufwand extrem gross. Deshalb ist es manchmal gut, wenn man zuerst mal den Kopf gewaschen bekommt.»
Ist aber einmal ein spannender Ansatz gefunden, packen alle mit an. Denn eine konkrete Rollenverteilung gibt es bei Byrds & Bytes nicht. An jedem Schritt im Entwicklungsprozess einer Anwendung beteiligen sich alle drei Teammitglie- der – trotz ganz unterschiedlichem Bildungshintergrund. Freisberg studierte Mathematik und Informatik, Gerber begann mit Informatik und stieg später auf Archäologie und Politikwissenschaften um. Kasinski studierte Rechtswissenschaften und Management.
Quartiergeflüster fördern
Zwei eigene Apps haben die drei bisher hervorgebracht. «Zedl», so heisst die erste Anwendung, die das kritische Hinterfragen aller Teammitglieder überlebt hat. Dabei handelt es sich im Prinzip um eine kartenbasierte Lokalversion von Twitter oder Facebook. Sie erlaubt es den Usern, mittels Zetteln Nachrichten an ausgewählte Orte zu pinnen und miteinander in Kontakt zu treten. Seit Oktober 2017 ist «Zedl» für Android- und iOS-Geräte verfügbar. Kasinski erklärt: «Zedl soll Menschen zusammenbringen, die am selben Ort dieselben Interessen teilen – etwa, an welchem Stand es am Food-Festival die besten Momos zu kaufen gibt.» (Teigtaschen aus der Himalayaregion, Anm. d. Red.) Mit der App solle dadurch auf organische Art und Weise ein Austausch an Orten entstehen, an denen sich die User gerade befinden – ohne, dass man dafür extra einer separaten Facebook-Gruppe oder Ähnlichem beitreten müsse.
Gemäss Gerber war für die Entwicklung von «Zedl» eine ideologische Überlegung ausschlaggebend. «Dank der sozialen Medien kann man sich heute zwar mit Leuten auf der ganzen Welt vernetzen, aber die Kommunikation mit Personen in der nahen Umgebung geht dabei gleichzeitig verloren.» Geld macht Byrds & Bytes mit der App noch nicht. «Zedl befindet sich auf einer niedrigen Skalierungsstufe, auf der noch keine Monetarisierung möglich ist», erklärt Gerber. Das war laut Kasinski jedoch auch nicht das Ziel des Projekts. «Werbemodelle waren zwar eingeplant, sobald man sich aber stark auf eine Entwicklung verlässt, wird man davon abhängig.» Investoren, Werbepartner und ein schnelleres Wachstum von «Zedl» wären nötig gewesen, hätte es sich für die Firma lohnen sollen. «Weil für uns das Produkt im Mittelpunkt steht, hat dieses Priorität. Wenn wir da etwas Gutes bieten können, kann man sich dann vielleicht einmal über Werbung oder Finanzierungsmöglichkeiten unterhalten.»
Dienstleistungen bringen das Geld
Im Vergleich zur Anfangszeit sei mittlerweile aber auch die Nutzung der App abgeflacht. Immer wieder hätten zwar Personen auch an ausgefallenen Orten Zettel gepostet – etwa entlang der US-Ostküste oder in Neuseeland –, aber die gewünschte Skalierung sei dabei nicht erreicht worden. Unterschätzt haben die Jungunternehmer laut Gerber, welche Finanzkraft dazu nötig ist, um das Produkt effektiv zu bewerben und mit genügend Content zu bespielen. Für Byrds & Bytes ist «Zedl» deshalb zum Vorzeigeprojekt und zur Machbarkeitsstudie geworden. «Einerseits wollten wir damit grundsätzlich evaluieren, ob wir so eine App überhaupt programmieren können, andererseits wollten wir damit testen, ob das Endprodukt schliesslich auch jemanden gefällt.»
Wie Freisberg erklärt, habe Byrds & Bytes mit der Entwicklung von «Zedl» aber wertvolle Kontakte knüpfen können. Wichtig ist das insofern, weil sich Freisberg, Gerber und Kasinski ihr Geld hauptsächlich mit Dienstleistungen verdienen. Für ihre Kunden realisieren sie Projekte in den Bereichen Webdesign und Webentwicklung. Zudem entwickeln die drei Jungunternehmer Apps im Auftrag von A bis Z oder bieten einzelne Aspekte innerhalb des Entwicklungsprozesses an, wie etwa die Brand Identity.
Auf Ideenfindung beim Bier
Frische Ideen für Applikationen entstehen bei Byrds & Bytes nicht nur per Desk-Research hinter dem Laptop. Freisberg, Gerber und Kasinski organisieren zum Austausch mit Interessierten regelmässig den Event «Byrds & Beers» – ein Treffen, das jeweils zu einem bestimmten Thema stattfindet. Dabei laden die drei Jungunternehmer Personen ein, die im entsprechenden Themenbereich tätig sind oder sich intensiv damit beschäftigen. Die Gäste erzählen erst etwas über das Thema, anschliessend wird beim Bier darüber diskutiert.
Aus einer Veranstaltung im November ging etwa die App «Bit Burst» hervor. Das Treffen zum Thema Blockchain inspirierte die drei von Byrds & Bytes dazu, eine nicht ganz ernst zu nehmende Anwendung zu entwickeln, die User benachrichtigt, wenn die Bitcoin-Blase geplatzt ist. «Im Rahmen eines Tagesprojekts haben wir die App entwickelt, die das Thema aus einer ironischen Perspektivebeleuchten soll», sagt Kasinski. Gerber fügt hinzu, dass die zweite App von Byrds & Bytes lediglich in Googles Play Store zugelassen wurde. «Apple fand, dass die Funktionalität doch zu gering ist, und hat die App deshalb nicht für den App Store zugelassen», sagt er lachend.
Von Medizin-Informatik bis zum Biohof
Thematisch setzt sich das Jungunternehmen bei «Byrds & Beers» keine Grenzen – Events gab es etwa zur Medizin-Informatik, Psychologie, aber auch zum Biohof. «Wir versuchen, das Spektrum bewusst möglichst breit zu halten», erklärt Freisberg. Und weiter: «So wollen wir mit Leuten aus Bereichen einen Austausch vorantreiben, in denen wir aus IT-Sicht Potenzial sehen.» Hängen geblieben ist Byrds & Bytes kürzlich beim Internet der Dinge. Hierzu schaffte sich die Firma ein vernetztes und mit zahlreichen Sensoren ausgestattetes Messgerät an, das künftig vielleicht einmal Daten in einem Landwirtschaftsbetrieb sammeln könnte. Hierfür halten die Entwickler momentan gerade Ausschau nach möglichen Einsatzmöglichkeiten in der Praxis.
«Bei neuen Technologien müssen wir uns einfach immer die Frage stellen, ob wir Zeit haben, uns das nötige Wissen anzueignen», sagt Kasinski. Freisberg pflichtet ihm bei: «Die Fähigkeit, etwas umzusetzen, das ist meist nicht das Problem. Weil wir uns immer noch irgendwie finanzieren müssen, ist für uns aber die Zeit begrenzt. Wir würden wohl alle am liebsten 200 Prozent an unseren eigenen Produkten arbeiten, aber irgendwo sind uns auch Grenzen gesetzt.» Grundsätzlich soll Byrds & Bytes aber immer eine Spielwiese bleiben, um Neues auszuprobieren und zu experimentieren.
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