Schweizer Rechenzentren haben noch Kapazitäten
KMU im Visier
Das soll keine Schwarzmalerei sein. Die Auftragslage in der Branche ist nach wie vor gut und dürfte es auf absehbare Zeit bleiben. Besonders von kleineren Unternehmen seien Aufträge zu erwarten, sagt etwa Frits van der Graaff, Verkaufsleiter beim Colocation-Anbieter E-Shelter: «KMU haben zwar ihre eigenen Rechenzentren, aber merken langsam, dass es wenig Sinn macht, die Daten zweimal auf demselben Campus zu speichern, keine 30 Meter voneinander entfernt.» Van der Graaff räumt ein, dass natürlich auch die KMU von der Cloud gehört haben und darüber nachdenken, ihre Daten dahin zu verschieben. Doch die grossen Cloud-Provider seien keine wirkliche Alternative, da sie (noch) nicht in der Schweiz seien. Van der Graaff kennt den Markt wie kaum ein Zweiter. Seit rund zwei Jahrzehnten ist er im Schweizer Rechenzentrumsgeschäft tätig, hat schon Flächen verkauft, als Amazon noch ein reiner Buchhändler war. Doch auch wenn er sagt, dass die Auftragslage gut bleiben wird, räumt van der Graaff ein, dass die Zukunft für die RZ-Anbieter nicht nur rosig ist. «Anfragen für mehrere Hundert Quadratmeter gibt es im Vergleich zu früher tatsächlich kaum mehr. Doch die Abnahme hat nicht mit einem Nachfragerückgang, sondern vor allem damit zu tun, dass es mehr Konkurrenz unter den Anbietern gibt.» Viele Anbieter seien eingestiegen, die gar nicht so sehr am RZ-Betrieb interessiert seien, aber denen das Business-Modell gefalle. «Denn von der Zahl der Anfragen her geht es der Schweiz immer noch viel zu gut.»
Zu den neuen Playern zählen beispielsweise Elektrizitätswerke, die begonnen haben, die Aufgaben von Rechenzentren zu übernehmen. «Die haben zwar keine Ahnung vom Betrieb eines Rechenzentrums, aber sie kennen sich mit Strom aus, haben die Räume, die Ressourcen und die Glasfasern. Den Rest kaufen sie ein», sagt van der Graaff.
Service-Provider verärgert
Und wie reagieren die klassischen Anbieter darauf? Sie versuchen, sich ebenfalls zu diversifizieren und bieten Telefonie, Cloud- und weitere ICT-Dienste an. Oft in Standardpaketen, die KMU verleiten sollen, gar nicht erst auf dem Markt nach weiteren Möglichkeiten zu schauen. Doch geht diese Strategie auf? Fritz van der Graaff ist skeptisch. Heute seien die KMU «mündiger» als noch vor ein paar Jahren und würden sich «nicht mehr irgendwelche Pakete aufschwatzen lassen, sondern nur bezahlen, was sie brauchen». E-Shelter werde sich deshalb weiterhin aufs Housing konzentrieren und Kunden, die Zusatzdienste wollen, an die Partner im Fachhandel verweisen.
Die Diversifikation birgt zudem eine weitere Gefahr, die laut van der Graaff derzeit von vielen unterschätzt wird: Dass man durch das Anbieten, beispielsweise von Cloud-Services, in direkte Konkurrenz mit den Service-Providern tritt. Es ist kaum anzunehmen, dass diese tatenlos zusehen werden, wie ihre eigentlichen Partner versuchen, deren Kerngeschäft für sich zu beanspruchen.