Computerworld vor 30 Jahren
19.03.2019, 18:45 Uhr
Personal fehlt für Made in Switzerland
Jede zweite Annonce in der Computerworld war 1989 eine Stellenanzeige. In der Schweiz herrschte Informatikermangel. Einige Anwenderfirmen halfen sich, indem sie Inder einfliegen liessen.
Für die Ausbildung der Angestellten am PC setzten Schweizer Firmen auf Inhouse-Schulungen
(Quelle: Nino Kündig/Computerworld)
Hurra! – jubilierten die Kollegen von Computerworld angesichts der steigenden Zahlen bei den Informatikstudenten im Frühjahr 1989. Im neuen Semester hätten sich satte 17,6 Prozent mehr eingeschrieben als im Vorjahr: 57 Personen. Denn an den Schweizer Hochschulen hatten sich insgesamt 380 Studenten im Fach Informatik immatrikuliert. «Der akute Mangel an Ingenieuren und Informatikern in der Schweiz wird bis ins Jahr 2000 anhalten», orakelte die Interessengemeinschaft «Ingenieure für die Schweiz von morgen» im Gespräch mit Computerworld. Sie sollten (leider) recht behalten. (Leider) Auch über den Jahrtausendwechsel hinaus. Auch die mittlerweile rund 8800 Informatikstudenten decken bei Weitem nicht den Bedarf der Schweizer Wirtschaft.
Eine der wichtigsten Einnahmequellen der Zeitung «Computerworld» waren damals die Jobannoncen: Gut jedes zweite Inserat auf den wöchentlich drei bis fünf Anzeigenseiten wandte sich an Informatiker, die an ihrem Arbeitsplatz unzufrieden waren. Oder an Absolventen, die zusätzlich am «Ball der einsamen EDV-Herzen» an der ETH Zürich umworben wurden. Allein an der Kontaktparty nahmen über 70 Firmen teil, die den Studenten «ihre Bedürfnisse darlegen wollten», berichtete die Zeitung. Ob die «Bedürfnisse» befriedigt wurden, ist nicht dokumentiert.
Traumjob aus dem Computer
Die umworbenen ETH-Studenten konnten sich allerdings auch 1989 schon selbst nach einem Arbeitsplatz umsehen. Die Assistentenvereinigung AVETH hatte im Hochschulnetz bereits im Juli den elektronischen Stellenanzeiger «Telejob» aufgeschaltet. Die Industrie konnte dort gegen einen Unkostenbeitrag ihre Stellenanzeigen platzieren. Das Sekretariat der AVETH übernahm die Koordination. Angesichts der nicht einmal 400 Studenten eine noch machbare Aufgabe.
Mit den Fachkräften Geld verdienen wollte die nach eigenen Angaben europaweit erste elektronische Stellenvermittlungsfirma Job Bank. Das Start-up aus Rotkreuz lancierte seinen Service im März 1989: In der Datenbank waren zum Start 2000 offene Stellen von 200 Firmen gespeichert. Kunden wie verschiedene Banken, Digital Equipment, die PTT und die SBB liessen sich einen Eintrag 480 Franken pro Woche kosten. Stellensuchende konnten zum Ortstarif anrufen und ihre Präferenzen sowie Qualifikationen nennen. Anschliessend wurde ihnen per Post ein elektronisch generierter, persönlicher Stellenanzeiger zugeschickt.
Mit Job Bank wollten sich die Gründer Markus Estermann und Walter Lüthi ihren Anteil am Geschäft mit den gesamtschweizerisch insgesamt 450 000 Jobs sichern, die damals jährlich branchenübergreifend via Inserat und Personalbüros vermittelt wurden. Während Computerworld wie selbstverständlich über die potenzielle elektronische Konkurrenz berichtete, stiess Job Bank an anderen Orten auf Widerstand: Drei Deutschschweizer Tageszeitungen boykottierten die Werbeplatzierungen für die Dienste des Start-ups. Die Anzeigentexte würden gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb verstossen, war die fadenscheinige Begründung. Job Bank zeigte sich kooperativ und änderte die Formulierungen. Anschliessend erschien dann im «Tages-Anzeiger» trotzdem kein Inserat, denn der Verlag sah im Start-up eine Konkurrenz für seinen eigenen Stellenanzeiger. Mit 70'000 Anfragen pro Jahr machte Job Bank dennoch Kasse.