Rechtsmissbrauch
06.12.2015, 22:09 Uhr
43 Abmahnungen sind auch in Deutschland zu viel
Abmahnungen sollen Fehlverhalten unterbinden. Aber was passiert, wenn sie lediglich als neue Einnahmequelle für einen Marktteilnehmer oder noch besser für dessen Anwälte dienen sollen? News dazu aus Deutschland.
Wer bei seinen Wettbewerbern ein unzulässiges Verhalten festgestellt hat und einen von ihnen erfolgreich abgemahnt hat, lässt es sich in der Regel nicht nehmen auch andere Konkurrenten, denen der gleiche Verstoss vorgeworfen werden kann, ebenfalls in Anspruch zu nehmen. Dagegen ist auch grundsätzlich nichts einzuwenden, denn Fehlverhalten darf abgemahnt werden.
Aber was passiert, wenn die Abmahnungen lediglich als neue Einnahmequelle für einen Marktteilnehmer oder noch besser für dessen Anwälte dienen sollen? Kann allein die Vielzahl von Abmahnungen einen Rechtsmissbrauch bedeuten? Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm befasst.
Der Entscheidung (Urteil vom 15. September 2015 - Az. 4 U 105/15) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Betreiber eines Online-Shops hatte einen Konkurrenten erfolgreich abgemahnt. Dieser hatte Briefkästen des Herstellers XY verkauft. Auf der Verpackung war die Werbeaussage "umweltfreundlich produziert und geprüfte Qualität" angebracht. Der Shopbetreiber hielt diese Werbeaussage für wettbewerbswidrig. Noch in der mündlichen Verhandlung hatte das damals zuständige Landgericht Hagen erklärt, dass es die Werbeaussagen ebenfalls für wettbewerbswidrig halte. Die mündliche Verhandlung fand am 03. Juni 2015 statt.
Einen Tag später führte der Shopbetreiber eine "Marktsichtung" durch, um weitere Verkäufer der Briefkästen ausfindig zu machen. Gleichzeitig fand eine Besprechung zwischen dem Shopbetreiber und seinen Anwälten statt. Am darauffolgenden Tag wandten sich die Anwälte wieder an den Shopbetreiber und übersandten ihm mit Bezugnahme auf die Besprechung vom Vortag eine Liste mit mindestens 50 weiteren Unternehmen, die dieselben Briefkästen des Herstellers XY mit der gleichen auf der Verpackung aufgedruckten Werbeaussage vertrieben. Der Shopbetreiber antwortete seinen Anwälten "…wie besprochen gehen Sie bitte gegen sämtliche Händler vor, die ebenfalls mit den beiden Verstössen auffallen."
Spätestens am 23. Juni 2015 begannen die Rechtsanwälte des Shopbetreibers in dessen Namen mit dem Versand von Abmahnung an Verkäufer der Briefkästen XY. Auch die dem Fall des OLG Hamm zugrundeliegende Abmahnung an einen weiteren Konkurrenten war am 23. Juni 2015 versandt worden.
Später stellte sich heraus dass zwischen dem 23. und 29. Juni 2015 43 Abmahnungen verschickt worden waren und sich die Zahl der Abmahnungen bis August 2015 auf insgesamt 71 erhöht habe. Zwischenzeitlich hätten die Anwälte mehr als 200 Abmahnungen versandt.