Rechenzentrum
05.07.2022, 11:47 Uhr
Die Renaissance der Rechenzentren
Befeuert von Trends wie Cloud und Edge-Computing erweist sich das Rechenzentrum als quicklebendig und wachstumsstark. Doch unterliegt diese Form der IT-Infrastruktur einem tiefgreifenden Wandel.
Ohne ein eigenes Rechenzentrum ist ein Unternehmen – so hiess es lange Zeit – nicht überlebensfähig. Doch solche landläufigen Annahmen sind ins Rutschen geraten. Nicht zuletzt durch die Hyperscaler von AWS bis Alibaba, Microsoft bis Google machen diverse Outsourcing-Alternativen dem guten alten eigenen Rechenzentrum Konkurrenz. Das eigene Rechenzentrum sei überholt und könne bei Leistungen und Kosten nicht mithalten, lautet die Parole des Tages. Doch stimmt das denn?
Die These vom baldigen Tod des Rechenzentrums in die Welt gesetzt haben unter anderem die Analysten von Gartner. Susan Moore postulierte im August 2019, dass „die Rechenzentren (fast) tot“ seien. Der Trend von den traditionellen Rechenzentren weg werde sich fortsetzen. Wenn in der Vergangenheit Geschäftsbereiche neue Anwendungen oder Services hätten haben wollen, hätten sie sich zuerst gefragt: „Wie können wir sie erstellen?“ Heute laute die Frage: „Wo können wir sie finden?“
Moore ging sogar so weit, vorherzusagen, dass bis 2025 80 Prozent der Unternehmen ihre klassischen Rechenzentren komplett schliessen würden (gegenüber gerade einmal 10 Prozent 2019). Unternehmen mit älteren Rechenzentren, so Moore, hätten aus Kostengründen kein Interesse mehr daran, sie zu modernisieren oder neue zu bauen. Sie würden sich stattdessen nach neuen Organisationsformen für ihre IT umsehen. Eine Folge: Der Anteil der IT-Kosten, der auf die eigenen Rechenzentren entfalle, sei in den letzten Jahren auf nur noch 17 Prozent gesunken.
Co-Location stark im Kommen
Auch wenn die Betreiber und Anhänger von Cloud-Computing dies gern behaupten, so hat das klassische Rechenzentrum keineswegs ausgedient. Bei der modernen Variante Co-Location dominieren Mischformen. Eine (teurere) Variante besteht dabei darin, Rechenzentrumsplatz für die eigenen Geräte anzumieten, ohne dass man dafür eine komplette eigene Struktur samt Gebäude und allen Service-Leistungen besitzen muss. Man kann aber auch nach Bedarf einzelne Server- und Speicherplätze sowie Dienstleistungen für seine Programme und Daten anmieten.
Aktuell überwiegt der Fall, dass ein Kunde Platz in Server-Racks oder -Räumen anmietet, während das Co-Location-Gebäude des Vermieters Energie, Internetanschluss, physische Sicherheit und Schutz gegen Umweltgefahren liefert. Bei den Kunden liegt in der Regel die Verantwortung für den Betrieb und die Verwaltung der eigenen Hardware-Geräte und die Software-Installationen, doch kann das auch an Dienstleister ausgelagert werden.
Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom, die von NTT unterstützt wurde, ist Co-Location im Kommen. Auf diese Rechenzentrumsvariante entfallen bereits etwa 40 Prozent der Kapazitäten in Deutschland. Das bedeutet, dass schon rund 10.000 Unternehmen auf solche Services setzen: Sie können oder wollen sich nicht mehr um den Betrieb und den Unterhalt einer Infrastruktur im eigenen Rechenzentrum kümmern. Laut Schätzungen soll der Co-Location-Anteil 2025 sogar auf 50 Prozent steigen, berichtet Bitkom. Weitere Details finden sich in der umfangreichen Bitkom-Publikation „Rechenzentren in Deutschland. Aktuelle Marktentwicklungen, Stand 2022“.
Besonders oft wird Co-Locaton, die gemeinsame Nutzung externer Rechenzentren, laut Gartner als Ersatz für traditionelle Data-Center eingesetzt. Gründe seien Vorteile wie höhere Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, gesetzeskonforme Baurichtlinien, Energieeffizienz, Gebäudemanagement und gute Erweiterungsbedingungen. On-Premise bleiben nach Gartner Prozesse, die besonders geschäftskritisch sind und grössere Kontrollmöglichkeiten erfordern, als es bei Cloud- und gehosteten Modellen der Fall sei.
Wer Co-Location nutzt, kommt in den Genuss einiger Vorteile des Cloud-Computings, ohne gleich die kompletten Verfūgungsrechte an einen Dritten abzutreten. Die gesamten Kapitalkosten für die IT (Capex) sollen sinken, man braucht prinzipiell auch keine eigenen Rechenzentrumsgebäude inklusive ihres Betriebs und ihrer Instandhaltung mehr. Allerdings behält man weiter die Kontrolle über die im eigenen Besitz befindlichen Gerätschaften samt eigener Software. Mischformen mit mehr oder weniger eigenem Besitztum gehören zu dieser Form der IT.