Leadership: «Command and Control hat es jetzt schwerer»
Wie Unternehmenskultur Leadership prägt
Marcel Keller, Schweiz-Chef vom Personaldienstleister Kelly, sieht die Lage differenzierter. «Für die einen Unternehmen hat sich enorm viel verändert, für die anderen wiederum sehr wenig.» Das hänge unter anderem «stark mit der Leadership- und Unternehmenskultur zusammen, die vor Corona gelebt wurde, mit den Unternehmenswerten und ob den Mitarbeitenden grundsätzlich Vertrauen entgegengebracht wird». Neu sei, dass wir alle plötzlich in einer unsicheren Zeit leben und wir uns nicht auf das vorbereiten konnten, was uns jetzt Sorgen bereitet. So hätten viele Unternehmen abrupt erst lernen müssen, wie virtuelle Führung gelingen kann.
“Leadership inspiriert die Nachfolger, für ungelöste Probleme neuartige Lösungen zu entwickeln„
Mathias Schüz, ZHAW
Denn statt noch mehr digitale Assets, noch mehr Daten zu sammeln und noch ausgefeiltere Reporting-Strukturen zu schaffen, sei eine der Grundlagen von Leadership, das echte Zuhören, in der Krise noch wichtiger geworden. «Nur dann kann ein Prozess beginnen, der elementar ist – nämlich das Interesse am Menschen und an seinen Anliegen», so Keller. Immer wichtig seien zudem «positive Gedanken», unabhängig davon, «ob wir uns in einer Krise befinden oder nicht». Aber um Leistungssteigerungen zu erreichen, brauche es neben Vertrauen, aktivem Zuhören und positivem Denken auch eine klare Strategie, Struktur und Kultur im Unternehmen. Und «um zu inspirieren, ist es mir ein Anliegen, den Fokus in diesen Videocalls nicht nur auf das Geschäftliche zu richten, sondern auch das Persönliche zu pflegen. Und ebenfalls wichtig ist es, Erfolge zu feiern», betont Keller denn auch.
Wenn die physische Nähe fehlt
Marc K. Peter, der das Kompetenzzentrum für Digitale Transformation an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Olten leitet, sieht die Arbeitswelt in Zeiten von Corona generell durch drei grosse Themen bestimmt. Das seien erstens, dass «das Führen auf Distanz und mit virtuellen Teams eine adaptierte Kommunikationsstrategie» verlange. Zweitens zeigte eine FHNW-Kurzstudie vom April 2020, «dass rund ein Drittel der Mitarbeitenden das Home Office nicht schätzt beziehungsweise emotional darunter leidet». Und drittens habe der vermehrte Technologieeinsatz etwa mit Instant-Messenger und Konferenzplattformen «zu Investitionen in die Weiterbildung und dem Stärken von Kompetenzen rund um die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch» geführt. Alle drei Themen, so der Professor weiter, «verlangen von den Führungskräften Offenheit, Lernbegierde und Adaption».
Da inzwischen die Hälfte der Schweizer KMU Online-Konferenz-Tools nutze und ein Drittel von ihnen sagt, dass diese mit Corona wichtiger geworden seien, stünden sie real vor ganz neuen Problemen, erläutert Peter. «Die Herausforderung liegt darin, die fehlende physische Nähe und das dadurch ebenfalls fehlende Erlebnisempfinden von Meetings und Townhalls im digitalen Raum zu kompensieren.» Konkret empfiehlt er Führungskräften, vermehrt die Storytelling-Methode einzusetzen, interaktive Elemente wie etwa Umfragen einzubauen, Informationen in kürzeren Einheiten zu vermitteln sowie zusätzlich zur Präsentation auch die Chatfunktion – zum Beispiel für Fragen – zu nutzen und mit spezifischen direkten Fragen den Dialog zu fördern.
Weiter gibt er zu bedenken, dass «Führungsmethoden, welche auf die Projektarbeit mit Meilensteinen, digitaler Zusammenarbeit und Agilität zielen, Vertrauen und eine solide, nachhaltige Kulturarbeit voraussetzen». Denn auch in der VUCA-Welt brauche es Vision und Strategie, um den Teams eine Orientierungshilfe und dem Management eine Investitionsbasis zu geben. «Bestandteile der agilen Methoden aus der IT-Entwicklung können auch in der Führung und Zusammenarbeit in anderen Teams erfolgreich genutzt werden. Dazu gehören eine Übersicht aller in kurzer Zeit abzuarbeitenden Arbeitspakete der Mitarbeitenden sowie kurze und regelmässige Meetings.