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Ausgerechnet Java ist ein Nadelöhr

Als Nadelöhr in der Weiterentwicklung des Geschäfts wird immer wieder die schwierige Suche nach Java-Entwicklern genannt. «Java ist zwar nicht schwierig zu verstehen, dafür aber sehr gross und umfangreich», sagt Elcas Stampfli unisono mit anderen Firmenvertretern.
Entwickler müssen mittlerweile eine Vielzahl verschiedener Frameworks für Datenhaltung, Business-Prozesse und Frontends beherrschen. Und die sind komplex, sich einzuarbeiten, braucht viel Zeit. Deshalb würde Stampfli auch klar in Abrede stellen, dass jeder Programmierer Java beherrscht: «Ein bisschen programmieren reicht nicht.» Und das, obwohl Java an allen deutschsprachigen Fachhochschulen Hauptprogrammiersprache ist.
Christoph Denzler, der an der Fachhochschule Nordwestschweiz den Studiengang Informatik verantwortet, weiss, woran das liegt. «Ich höre oft, dass grundsätzlich breit ausgebildete Informatiker gesucht werden.» Solche bildet die FHNW denn auch aus. Die von der Schule angestrebte Grundausbildung ziele darauf ab, es den Unternehmen zu ermöglichen, die jungen Berufseinsteiger relativ schnell zu den benötigten Spezialisten auszubilden.
Wichtig seien ausserdem erste praktische Erfahrungen, welche die Studenten der Fachhochschule in Form von Projekten mit Partnerunternehmen sammeln können. Dabei kommen agile Frameworks wie Scrum zum Einsatz.

Social Skills gehören zum Studium dazu

Neben einer guten Grundausbildung, auf der die Unternehmen aufbauen können, setzt Denzler gezielt auf den Aufbau eines Erfahrungsschatzes in den weichen Faktoren. Dadurch lernen die Studierenden, in der Teamarbeit gesamthaft Verantwortung zu zeigen und davon abzusehen, Aufgaben strikt nach Funktion zu verteilen.
Ein bei vielen Studenten unbeliebtes Instrument ist die Möglichkeit, dass die Studierenden innerhalb von Projektteams Noten anpassen können. «Wir ermöglichen es den Studenten, die Noten einzelner Teammitglieder zu erhöhen», erläutert Denzler.
Weil sich der Notenschnitt im Team nicht ändern darf, bedingt das auch die Senkung der Note eines anderen Teammitglieds. Wie die Studenten dieses Tool anwenden, bleibt ihnen überlassen. Genutzt werde es selten und viele Studierende bitten Denzler darum, es abzuschaffen. «Aber das ist eben auch eine Aufgabe: Lernen, die Arbeit von Teamkollegen realistisch einzuschätzen und ein passendes Feedback zu kommunizieren. Das kann sehr unangenehm sein. Entsprechend wichtig ist es, dass wir auch das schulen.»
“Unsere Studierenden lernen, die Arbeit von Teamkollegen realistisch einzuschätzen und ein passendes Feedback zu kommunizieren„
Christoph Denzler, FHNW
Überraschenderweise tauscht man sich beim Studiengang Informatik der Fachhochschule nur sporadisch mit der Privatwirtschaft aus. «Wir sind jetzt daran, das zu ändern, und wollen in Zukunft regelmässig mit der Industrie in Kontakt treten», sagt Denzler.
Dass die Schule trotzdem einen guten Draht zur Arbeitswelt hat, liegt auch daran, dass knapp die Hälfte der Immatrikulierten berufsbegleitend studiert. Daraus ergibt sich ein reger Fluss von Informationen aus der Berufswelt. «Ich muss mich gegenüber Studierenden oft rechtfertigen, weshalb ich ein bestimmtes Framework für den Unterricht gewählt habe, und schaue mir die von den Studierenden vorgeschlagenen Alternativen an», führt Denzler weiter aus.
Eine Produktausbildung bietet die Fachhochschule deshalb aber nicht an, die Grundausbildung zugunsten möglichst vielfältiger Zukunftsperspektiven steht im Mittelpunkt. Neben Java spielen dafür in der Ausbildung unter anderem auch .NET sowie Module für Python und Perl eine Rolle.

Spezialisierung kann riskant sein

In der Industrie kommt die Stossrichtung der Fachhochschule Nordwestschweiz vielerorts gut an. So setzt Geschäftsführer Markus Brunold von BSI Business Integration auf Studienabgänger mit einem relativ breiten Profil.
Auch, weil Informatiker bei BSI vom ersten Kundengespräch bis zur fertigen Software in den gesamten Entstehungsprozess involviert sind. «Wir suchen Programmierer und ausgebildete Software-Ingenieure, primär ab Hochschule», sagt Brunold. Es ist die Sparte, in der branchenweit am meisten Fachkräfte gesucht werden.
Konsequenterweise hat das Unternehmen seine jeweils vier Standorte in der Schweiz und Deutschland um städtisch angesiedelte Hochschulen herum aufgebaut. «An Orten, an denen die Studierenden sich wohlfühlen und auch bleiben wollen», wie er anmerkt.
Einer davon ist Baden, wo das Unternehmen vor 23 Jahren seinen Anfang genommen hat. «Uns ist wichtig, dass Bewerberinnen und Bewerber gerne mit Kunden zusammenarbeiten und die grossen Freiheiten zu nutzen wissen, die wir unseren Arbeitnehmenden geben», sagt Brunold.
Denn BSI verfügt über keine klassischen Unternehmensabteilungen, sondern arbeitet schon seit seiner Gründung in agilen Teamstrukturen. «Wir stellen für jedes Projekt ein passendes, sehr gut organisiertes Team zusammen.» Entsprechend gross sind die Freiheiten der Entwicklerinnen und Entwickler. Durch die breiten Anforderungen, die sich von Projekt zu Projekt ergeben, ist es für BSI auch nicht so wichtig, welche Sprachen ein Software Engineer beherrscht.
Vorteilhaft seien in der Business-Welt jedoch Java und sicher nützlich auch die agile Software-Entwicklung. Er warnt junge Entwicklerinnen und Entwickler davor, sich zu früh auf eine Sprache zu spezialisieren: «Damit beschränkt man sich immer auch auf ein sehr enges Gebiet.»

Autor(in) Computerworld Redaktion




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