Taobao unter Beschuss 11.02.2015, 09:55 Uhr

Alibaba: Mekka für Produktfälscher

Der Anteil der illegalen Produkte auf Taobao liegt deutlich über dem chinesischen Durchschnitt, kritisiert die chinesische Handelsaufsicht. Das Portal sieht sich unter Beschuss von unerwarteter Seite.
Zwei Drittel der auf der Alibaba-Tochter Taobao angebotenen Produkte sollen dort illegal vertrieben werden, so der Vorwurf der chinesischen Handelsaufsicht SAIC. Auch wenn Alibaba die Methodik der zugrunde liegenden Studie scharf kritisiert hat: Das Ergebnis hält Christoph Ann, Professor für Wirtschaftsrecht und Geistiges Eigentum an der Technischen Universität München, für durchaus nachvollziehbar.
 
Herr Ann, zwei Drittel der Produkte auf Taobao sollen gefälscht sein oder unter illegalen Umständen vertrieben werden. Können Sie diese Zahl für mich einordnen?
Christoph Ann: Ich halte diese Zahl für durchaus realistisch. Schauen Sie, 85 Prozent der gesamten gefälschten Ware, die vom deutschen Zoll aufgegriffen wird, stammt aus der Volksrepublik China samt Hongkong. Das ist ein extrem lukrativer Handel: Die Margen bei Produktpiraterie sind höher als im Handel mit illegalen Drogen.
 
Dennoch hat es mich überrascht, dass der Vorwurf an Alibaba, der ja nicht neu ist, nun so vehement von Seiten der chinesischen Regierung kommt…
Ann: Die chinesische Regierung hat in der Tat lange Zeit wenig einheitlich in Sachen Produkt- und Markenpiraterie reagiert: Einerseits ist sie in medial begleiteten und inszenierten Grossrazzien gegen Produktfälscher vorgegangen, andererseits wusste sie, dass grosse Teile der chinesischen Wirtschaft direkt von Produktpiraterie lebten und hat deshalb die entsprechende Industrie still geduldet. Das ändert sich nun allerdings: Auch die VR China nähert sich dem Punkt, an dem es sinnvoller ist, weniger auf Produktpiraterie als auf eigene, originäre Entwicklungen zu setzen. Die Zahl chinesischer Patente mit Geltung für Deutschland und andere europäische Staaten verzeichnet seit einigen Jahren zweistellige Zuwachsraten - jedes Jahr!
 
Und dazu passt eine chinesische  Plattform wie Taobao, die als Mekka für Produktfälscher gilt, nicht mehr?
Ann: So könnte man das sagen.
 
Welche Auswirkungen wird der Vorstoss der chinesischen Handelsaufsicht für Alibaba haben?
Ann: Der Imageschaden dürfte eher gering ausfallen. Die Studie offenbart nichts, was die Branche sich nicht schon längst gedacht hat, und die Kunden, die auf Taobao Produkte gefälscht und im Original erwerben können, werden sich daran nicht stören. Allerdings könnten Markenartikler abgeschreckt werden, sich auf den Plattformen von Alibaba zu präsentieren, wenn diese dauerhaft den Ruf weghaben, vor allem Ramschware zu führen.
Mehr zu den Hintergründen rund um die Produktpiraterie-Vorwürfe gegen Alibaba lesen Sie in der kommenden Ausgabe unserer Schwester-zeitschrift INTERNET WORLD Business.
 
Alibaba-Gründer Jack Ma hat sich inzwischen mit SAIC verständigt: In Zusammenarbeit mit der Regierungsbehörde will der Online-Händler sein Anti-Produktpiraterie-Team auf 300 Mitarbeiter ausweiten. SAIC hat im Gegenzug verlauten lassen, der Report habe keinerlei juristische Konsequenzen für Alibaba. Der Aktienkurs von Alibaba, der nach der Veröffentlichung des SAIC-Reports und eher mauer Quartalszahlen um 4,4 Prozent eingebrochen war, legte prompt um 2,5 Prozent zu. Mit den ersten Quartalszahlen nach dem Börsengang hatte Alibaba seine Anleger noch begeistern können. 



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