Innovationsmanagement 18.11.2019, 12:12 Uhr

«Die Möglichkeiten einer Garage sind vielfältig»

Methoden, wie sie insbesondere Start-ups einsetzen, werden zunehmend von Traditionsfirmen angewandt. Immer mehr Schweizer Unternehmen arbeiten mit ihren Kunden an der Prototyp-Entwicklung in sogenannten Garagen. Was das bringt, erläutert Michael Lewrick von Deloitte.
Michael Lewrick, Director, ist verantwortlich für die Innovation Labs von Deloitte Schweiz
(Quelle: Deloitte Schweiz)
Computerworld: Immer mehr Unternehmen arbeiten mit ihren Kunden in sogenannten Garagen an der Entwicklung digitaler Produkte und Services. Wie bewerten Sie als Verantwortlicher der Innovation Labs von Deloitte Schweiz diese Entwicklung?
Michael Lewrick: Eine Garage einzurichten, ist ein Trend, den wir seit einigen Jahren sehen. Unternehmen möchten ihren Mitarbeitenden, Kunden und anderen Stakeholdern zeigen, dass im Unternehmen ein frischer Wind weht. Für viele Unternehmen ist eine Garage der Abschied von verstaubten Teppichetagen hin zu offenen und kreativen Räumlichkeiten, die Co-Creation, Experimente und Innovation zulassen. Deloitte Schweiz hat ebenfalls ein Garage-Konzept, in dem agile Teams zum Beispiel im Rahmen von «Rapid Prototyping» vornehmlich digitale Lösungen für Kunden entwickeln.
CW: Welche Vorteile bieten Garagen für die Innovationsentwicklung?
Lewrick: Eine Garage sollte ein Ort sein, an dem bewusst ein «New Way of Working» gelebt wird. Das Set-up, die Umgebung und die Funktion erlauben es, den Raum an verschiedene Aufgaben und Situationen anzupassen. Diese Flexibilität macht es möglich, unter anderem Brainstorming- und Whiteboard-Sessions durchzuführen, einfache Prototypen zu bauen sowie erste Lösungen vorzustellen und zu testen. Diese Art zu arbeiten, ist in traditionellen Büroräumen und Besprechungszimmern meist nicht möglich, da das Mobiliar nicht flexibel ist, keine grossflächigen Whiteboards vorhanden sind und es schlicht an Material fehlt, um spontan Entwürfe zusammenzustellen oder ein Experiment starten zu können.
CW: Was sind die Vorausetzungen dafür, damit eine Firma von dem Konzept nachhaltig profitiert?
Lewrick: Der Raum, die Garage, ist eigentlich nur eine Hülle. Viel wichtiger ist das Mindset, also die Bereitschaft, die Art und Weise, wie (zusammen-)gearbeitet wird und Einstellungen oder Denkweisen zu verändern. In der Garage von Deloitte Schweiz leben wir eine Denkhaltung, die am besten mit dem Design Thinking Mindset zu vergleichen ist: Unsere Teams sind per se neugierig und gehen den wirklichen Kundenbedürfnissen auf den Grund, um Lösungen mit Reichweite und Tiefe zu erstellen. Zudem wird vernetzt zusammengearbeitet, sodass mit agilen Teams, die sich um spezifische Themen oder Aufgaben bilden, auch komplexe Problemstellungen von autonomen Einheiten gelöst werden.
CW: Was gilt es dabei zu beachten?
Lewrick: Bei der Arbeit an Projekten in einer Garage ist von grosser Bedeutung, potenzielle Lösungen in Form von Prototypen zu visualisieren und erlebbar zu machen. Weitere Erfolgsfaktoren sind ein gutes Storytelling und ein klares gegenseitiges Verständnis beim Teilen von Erkenntnissen sowohl im Team als auch mit Kunden. Langfristig können Unternehmen nur von einem Garage-Konzept profitieren, wenn ein solches Mindset laufend und über alle Hierarchiestufen hinweg gelebt wird.
CW: Wie verbreitet ist die Methode zur Innovationsentwicklung?
Lewrick: Garagen, Innovationslabore oder Kreativitätsräume sehen wir in fast allen Branchen. Inwieweit in diesen jeweils das passende Mindset gelebt wird, ist jedoch sehr unterschiedlich. Die Möglichkeiten einer Garage sind vielfältig; so können neue Produkte, Services, Geschäftsmodelle bis hin zu ganzen Business-Ökosystemen gestaltet werden, die eine echte Differenzierung oder einen echten Wert für den Kunden und das Unternehmen darstellen.
CW: Für wen eignen sich solche Angebote und für wen eher nicht?
Lewrick: Eine Garage sollte nur dann eingerichtet werden, wenn der tiefere Sinn dahinter klar ist und eine Vision für die zu bearbeitenden Themen existiert – wenn es also einen starken Wunsch nach der Veränderung hin zu einer Arbeitsform gibt, der die klassischen Regeln von «Order and Command » überwinden soll. Hierfür bedarf es einer klaren Vision, netzwerkorientiertem Denken, der Einbindung von Mitarbeitenden über die klassischen Abteilungssilos hinaus sowie agiler und flacher Organisationsstrukturen.
CW: Wie bewerten Sie die Erfolgschancen?
Lewrick: Jede Garage in einem Unternehmen braucht eine klare Vision, sodass Teams eigenständig in die gleiche Richtung steuern können. Ein neues Mindset kann nicht Top-down verordnet werden. Es braucht Freiräume, in denen Mitarbeitende selbstwirksam und abteilungsübergreifend handeln können. Ein weiterer Erfolgsfaktor sind die Führungskräfte: Sie müssen vom neuen Mindset überzeugt sein und dies täglich authentisch vorleben.




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