Cambridge Analytica
11.07.2018, 08:54 Uhr
Das bleibt vom Facebook-Datenskandal übrig
Vor rund 100 Tagen sorgte der Datenskandal bei Facebook für weltweite Schlagzeilen. User wollten ihr Profil löschen, Kunden ihre Werbung stornieren. Was ist geblieben?
Rund 100 Tage ist es nun her, dass der Skandal um eine Psycho-Quiz-App namens "This is your digital Life" weltweit für Empörung sorgte. Über diese App hatte die Beratungsfirma Cambridge Analytica auf Facebook die Daten von Millionen von Usern abgesaugt und für dubiose Zwecke verwendet.
Als das bekannt wurde, schmierte der Börsenkurs von Facebook ab, User und Werbekunden übten lautstark Kritik. Der Hashtag #deletefacebook machte die Runde. Unternehmen wie Tesla, Sonos, Mozilla, die Commerzbank, Dr. Oetker und andere verkündeten, sich von Facebook zu verabschieden oder ihre Werbeausgaben erst einmal einzufrieren.
Inzwischen aber scheint sich die Lage beruhigt zu haben. Cambridge Analytica ist pleite, Mark Zuckerberg hat sich mehrfach öffentlich entschuldigt, eine Imagekampagne gestartet und tatsächlich bei Facebook an den Einstellungen zur Privatsphäre geschraubt. Die User sind beim Thema Datenschutz zwar hellhörig geworden, ohne aber wirklich Konsequenzen zu ziehen. Gerade mal gut 4.000 Suchanfragen, wie man seinen Facebook-Account löschen kann, zählte der Online-Marketing-Spezialist Semrush im kritischen Monat März. Und auch eine Yougov-Umfrage, die kürzlich veröffentlicht wurde, belegt: Nur etwa ein Fünftel der User würde sich von einer Plattform abmelden, wenn diese immer wieder mit Datenlecks zu kämpfen hat.
Mozilla bleibt Facebook weiter fern
Bleibt die Frage: Sind auch die Werbungtreibenden zum Business as usual zurückgekehrt? Wer auf Facebook beispielsweise nach Tesla Motors sucht, wird zwar fündig, landet aber offenbar nicht auf der offiziellen Seite des Unternehmens. Die scheint nach wie vor abgeknipst zu sein. Der Unterhaltungselektronikhersteller Sonos ist dagegen schon eine Woche nach seiner Auszeit mit Werbeanzeigen wieder zu Facebook zurückgekehrt. Nur Mozilla macht nach wie vor Ernst. "Wir schalten immer noch keine Werbung auf Facebook", so das Unternehmen gegenüber INTERNET WORLD BUSINESS.
Als Begründung verweist Mozilla auf neuerliche Datenlecks bei Facebook. Die "New York Times" hatte erst vor ein paar Tagen von einem weiterhin sorglosen Umgang mit privaten Daten auf Facebook berichtet, was Mozilla gegen den Strich ging. In einem Blogpost schrieb das Unternehmen: "Das zeigt uns, dass Facebook noch eine Menge tun muss, um mit seinen Usern ins Reine zu kommen und ihnen klar zu sagen, wer ihre Daten hat." Einiges deute darauf hin, dass Facebook noch eine Menge lernen müsse.
Commerzbank beendet Werbepause
So kompromisslos wie Mozilla scheint allerdings sonst kein Werbekunde zu sein. Die Commerzbank zählte zu den Unternehmen, die sehr frühzeitig ihre Werbung auf Facebook gestoppt haben. Inzwischen aber ist das Finanzinstitut auf der Plattform mit Werbeanzeigen wieder präsent. "Für die Commerzbank ist der transparente und gesetzeskonforme Umgang mit den Daten von Nutzern und Geschäftspartnern eine zwingende Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit Facebook", sagt Uwe Hellmann, Leiter Brand Management. "Zu einigen Punkten haben wir noch Nachfragen, aber grundsätzlich haben wir auf dieser Basis unsere Werbepause beendet."
Das Beispiel fügt sich in das Gesamtbild, das die Agentur Socialbakers von der Situation zeichnet. Der Social-Media-Spezialist bemerkte unmittelbar nach Bekanntwerden des Cambridge-Analytica-Skandals eine kurze Zurückhaltung unter Usern und Werbekunden. Danach habe sich alles schnell wieder auf vorherigem Niveau eingependelt, so Moses Velasco, Chief of Strategy bei Socialbakers. Länger anhaltende Irritationen habe es so gut wie keine gegeben.
Das liegt vor allem an der starken Marktstellung von Facebook, mit der die Plattform für Werbungtreibende so gut wie unverzichtbar ist. Zwar erwächst ihr gerade in Instagram - vor allem in den Bereichen Beauty, Fashion und Retail - mächtig Konkurrenz. Doch vor allem die grossen Markenartikler haben häufig einen millionenschweren Freundeskreis auf Facebook. Da wäre es schon eine Entscheidung von allerhöchster Tragweite, wenn dieser direkte Kanal zu den Kunden einfach so gekappt würde. "Facebook ist mit seiner grossen Basis eine starke Plattform, um uns mit Nutzern und Interessenten auszutauschen und sie über unsere Produkte und Services zu informieren", unterstreicht Sabine Kloos, Director Brand & Marketing Communications bei Telefónica Deutschland. "Beim Einsatz von Fremdplattformen achten wir aber sehr genau auf die Bedürfnisse unserer Kunden und den Schutz ihrer Daten."
Social-Media-Kanäle werden kritisch geprüft
Auch wenn sich die Negativ-Schlagzeilen auf die Werbeeinnahmen von Facebook nicht unmittelbar ausgewirkt haben: Alarmiert sind die Werbekunden schon. Media Markt und Saturn, die beiden grossen Elektronik-Fachmarkt-Ketten, nutzen Facebook weiterhin für Werbung, auch wenn der Kanal innerhalb der Kommunikationsstrategie eine eher untergeordnete Rolle spielt. Aktuell habe man keine Pläne, die Werbeaktivitäten auf der Plattform auszusetzen oder gar Facebook-Profile zu löschen, so eine Sprecherin des Unternehmens. "Jedoch beobachten wir die Entwicklungen um den Datenschutzverstoss sehr genau."
Facebook befindet sich also unter strenger Beobachtung. Der jüngste Datenskandal hat beispielsweise bei Beiersdorf (Nivea, Hansaplast) dazu geführt, dass die Zusammenarbeit mit sämtlichen Social-Media-Kanälen noch engmaschiger und kritischer geprüft werde als zuvor, so eine Sprecherin. Die Social-Media-Partner müssten sich ihrer grossen Verantwortung bewusst sein, andernfalls müssten sie mit Konsequenzen rechnen. "Sollten der Datenschutz und die Datensicherheit bei Facebook oder anderen Social-Media-Kanälen nicht mehr gewährleistet sein, werden wir intervenieren und gegebenenfalls von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand nehmen", so die Sprecherin.
Kunden loben fairen Austausch mit Facebook
Die Commerzbank stand wegen der Datenkrise in sehr engem Austausch mit Facebook. Das Brand Management setzte einen Fragebogen auf und bat um teils sehr konkrete Antworten. Facebook habe dabei Wert auf einen fairen und konstruktiven Austausch gelegt und geliefert. Uwe Hellmann: "Konkret wurde uns zugesagt, dass Massnahmen ergriffen werden, damit sich solche Dinge wie in der Vergangenheit nicht wiederholen können."
Tatsächlich hat Facebook inzwischen die Tools verbessert und die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung anerkannt. Für viele die richtigen, notwendigen Schritte. Dennoch bleibt ein Rest von Skepsis. Uwe Hellmann: "Wir beobachten weiter genau, wie Facebook seine Zusagen umsetzt."