Online-Uhrenbranche: Zeit für Veränderung

Das Marktplatzmodell von Chrono24

Dass sich Chronext nach aussen als Händler positioniert, dürfte zu weiten Teilen der Differenzierung gegenüber dem älteren und umsatzstärkeren Wettbewerber Chrono24 geschuldet sein. Der Online-Marktplatz wurde 2003 gegründet und verfolgt seine heutige Ausrichtung seit der Übernahme durch die ehemaligen Pangora-Geschäftsführer Dirk Schwartz und Tim Stracke im Jahr 2010. Chrono24 vereint auf seiner Plattform Angebote von mehr als 3.000 Uhrenhändlern und konnte damit 2018 ein Handelsvolumen von rund 1,3 Milliarden Euro erzielen.
Das Unternehmen beschäftigt 250 Mitarbeiter, ist profitabel und betreibt Standorte in Karlsruhe, Berlin, New York und Hongkong. "Für mich war absolut klar, dass Luxusuhren für ein Marktplatzmodell geeignet sind", erklärt Co-CEO Stracke. "Ein grosser Teil des Handels entfällt auf gebrauchte Uhren. Das sind immer Unikate, bei denen es eine wichtige Rolle spielt, dass man viele Angebote vergleichen kann."
Auch für Chrono24 kommt dem Thema Vertrauen eine zentrale Rolle zu: "Wir suchen die Händler sehr handverlesen aus. Zudem wird jede Transaktion über unsere Plattform abgewickelt." Das bedeute, dass Chrono24 die Kaufgebühr so lange festhalte, bis die Uhr beim Kunden sei, und diesem auch entsprechende Rückgabemöglichkeiten garantiere.
"Für mich war klar, dass Luxusuhren für ein Marktplatzmodell geeignet sind": Tim Stracke, Co-CEO von Chrono24
Quelle: Chrono24
Für Stracke liegt die Besonderheit im Online-Handel mit Luxusuhren in der Emotionalität der Produkte. "Schon der Kauf einer solchen Uhr ist ein emotionaler Prozess - viele brauchen ein Jahr oder mehr bis zur Kaufentscheidung." Ohne grosse Marketing-Investitionen verzeichne man deshalb einen kontinuierlichen Strom von Besuchern, die sich regelmässig auf der Chrono24-Webseite über Modelle und Preise informierten. Um die Kundenbindung weiter zu stärken, setzt das Unternehmen auf entsprechende Inhalte und Services. "Dazu zählt zum Beispiel unsere Watch Collection, in der Kunden die Entwicklung ihres Uhrenportfolios ähnlich wie zum Beispiel bei Wertpapieren verfolgen können", erzählt Stracke.
Für das weitere Wachstum setzt auch Chrono24 auf eine internationale Geschäftsstrategie. Obwohl das Unternehmen aus Deutschland kommt, ist Italien inzwischen der wichtigste Markt für die Uhrenplattform. "Das liegt sicher an der Luxusverliebtheit und dem Stilempfinden dieser Nation“, erklärt Stracke. Die meisten Händler auf dem Marktplatz kommen dagegen aus den USA. Die höchsten Wachstumsraten beim Uhrenverkauf beobachte Chrono24 derzeit in Asien.

Die Hersteller auf Online-Aufholjagd

Sowohl Stracke wie auch Chronext-CEO Man wollen sich zu dem Konflikt rund um Nomos und Wempe nicht mehr speziell äussern. "Es ist schon so, dass die Uhrenbranche etwas konservativer ist als andere Branchen, doch gerade in letzter Zeit denken auch hier die Akteure immer mehr über Innovationen nach", erklärt Chrono24-Chef Stracke.
Das sehe man daran, dass immer öfter Hersteller im Hintergrund zu Partnerschaften bereit sein. Zudem gebe es Uhrenmarken, die selbst im Gebrauchthandel tätig seien und über Chrono24 den Zugang zu Gebrauchthändlern suchten. "Der digitale Handel ist wichtig, auch, um den jungen Menschen die Lust an schönen Uhren zu vermitteln", meint Stracke.
Auch für ihn ist online nicht mehr wegzudenken: Richemont-Chef Johann Rupert
Quelle: Richemont
Dass sich die Uhrenbranche im Wandel befindet, zeigt sich auch an den erhöhten Online-Aktivitäten der internationalen Hersteller. So starten die Schweizer Traditionsmarken Audemars Piguet und MB&F derzeit gerade selbst eigene Plattformen für Gebrauchtuhren. Und der auch im Uhrenmarkt eine wichtige Rolle spielende Luxuskonzern Richemont hat sich im vergangenen Jahr mit der Übernahme von Watchfinder und Yoox Net-a-Porter gleich zwei gut eingeführte Online-Plattformen ins Haus geholt. "Dadurch können wir die fortentwickelten Bedürfnisse unserer anspruchsvollen Kundschaft besser bedienen“, erklärte dazu Richemont-Chef Johann Rupert - mit anderen Worten: Auch aus dem Luxusuhren-Segment ist das Internet nicht mehr wegzudenken.



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