Umfrage
22.03.2021, 06:45 Uhr
Schweizer Industrie mit Nachholbedarf punkto Digitalisierung
Nur ein Drittel der Schweizer Industriefirmen hält den eigenen digitalen Reifegrad für genügend hoch, wie eine Umfrage der Initiative «Industrie 2025» zeigt. Doch auch in dieser Branche könnte die Pandemie der Digitalisierung neuen Schub verleihen.
In der Schweizer Industrie gibt es offenbar noch Nachholbedarf punkto Digitalisierung. Denn nur ein Drittel der hier ansässigen produzierenden Unternehmen hält den eigenen digitalen Reifegrad für genügend hoch. Das zeigt eine Umfrage der Arbeitsgruppe «Digitalstrategie» der Initiative «Industrie 2025» unter insgesamt 112 Unternehmen, die in der 2. Jahreshälfte 2020 durchgeführt wurde. Diese Firmen gaben von sich aus an, dass sie die Digitalisierung entweder als integralen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur leben oder bereits eine digitale Roadmap und klar definierte Prozesse und Tools implementiert haben.
Zwar gehört die Digitalisierung angeblich für mehr als die Hälfte (55 %) der Unternehmen zu den drei wichtigsten strategischen Themen, für 12 Prozent ist diese sogar Thema Nr. 1. Aber gleichzeitig gaben 58 Prozent der befragten Managerinnnen und Manager an, dass es in ihrem Betrieb noch keine Digitalstrategie gibt.
Projekte werden umgesetzt
Immerhin: Den Umfrageergebnissen zufolge setzte ein Grossteil der produzierenden Unternehmen bereits zahlreiche Digitalisierungsprojekte um. Diese dienten zu Beginn der Digitalisierungsbestrebungen oft zur Optimierungen operativer Prozesse, heisst es in einem Communiqué zur Studie. Aus technologischer Sicht investierten die befragten Unternehmen mit Abstand am meisten in ERP-, CRM-, MES- oder auch PLM-Systeme. 61 Prozent der Befragten gaben hierzu an, «hohe» oder sogar «sehr hohe» Investitionen tätigen zu müssen. Wichtig sind für hiesige Industriefirmen jedoch auch das Internet der Dinge (IoT) und Data Analytics. Weniger Geld fliesst dagegen in Blockchain-Technologie, Smart Contracts oder auch Kommunikationstechnologien.
Interessant: Gerade mal 20 Prozent aller Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer stellen für die IT-Security «hohe» oder «sehr hohe» Budgets zur Verfügung. Mit Blick auf die zahlreichen Cyber-Attacken auf Industriefirmen im vergangenen Jahr erstanunt dies doch eher.
Allerdings veränderte die Pandemie die Lage bezüglich der digitalen Transformation von hiesigen Industriefirmen. «Durch Corona hat die Digitalisierung für Industriefirmen weiter an Bedeutung gewonnen», sagt Boris Ricken, Head of Manufacturing bei der AWK Group, die massgeblich an der Umfrage mitwirkte. Die Umfrageergebnisse stützen seine Aussage: Fast drei Viertel (70 %) der Befragten stimmten der Aussage zu, dass die Digitalisierung durch die Corona-Krise noch bedeutender für sie geworden ist. Nur ein Bruchteil der Umfrageteilnehmer (6%) rechnet den Angaben zufolge deswegen mit einem umfangreichen Stopp von Digitalisierungsprojekten im eigenen Unternehmen.
Handlungsempfehlungen für die Industrie
Philip Hauri, der Geschäftsleiter von Industrie 2025, bezeichnet die Corona-Krise jedoch auch als «Katalysator, der Gewinner und Verlierer anhand ihrer Fähigkeit zu digitalisieren ausliest». Damit Schweizer Industriefirmen den Anschluss nicht verlieren, haben die Studienautorinnen und -autoren deshalb folgende Handlungsempfehlungen aufgestellt:
- Digitalisierung ist ein Top-Management Thema. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung müssen hier die Ownership übernehmen und den Prozess vorantreiben.
- Aufgrund der strategischen Relevanz sollten Schweizer Industriefirmen die Entwicklung einer eigenen Digitalstrategie in Betracht ziehen. Diese wirkt nicht nur motivierend und handlungsleitend, sondern bietet auch den Vorteil der Fokussierung, erlaubt eine Priorisierung von Projekten und erhöht die Effizienz in der Umsetzung.
- Unternehmen sollten alle Handlungsfelder der Digitalisierung berücksichtigen und sich nicht auf die interne Prozessoptimierung beschränken. Weitere wichtige Themen sind insbesondere die Digitalisierung der Kundenschnittstelle sowie neue digitale Produkte und Services.
- Aufgrund der zahlreichen Angriffe auf die Schweizer Industrie sollten Unternehmen hinterfragen, ob sie genug in ihre Cybersecurity-Fähigkeiten investieren. Für die erfolgreiche Umsetzung von Digitalstrategien müssen Industriefirmen zudem in ihre Umsetzungskompetenzen investieren. Im Vordergrund stehen hier insbesondere IT- und Projektmanagement-Fähigkeiten sowie Data Analytics.
- Stoppen Industriefirmen Digitalisierungsprojekte aufgrund von Corona, drohen sie den Anschluss zu verlieren. Bei knappen Budgets empfiehlt es sich stattdessen, das Portfolio strategisch neu zu priorisieren. Corona wirkt als Katalysator und wird die Digitalisierung weiter beschleunigen. Im Rahmen ihrer Digitalstrategie müssen Industriefirmen hierzu die notwendigen Ressourcen bereitstellen.