Patrick Naef über CIOs
26.03.2021, 06:53 Uhr
«Digitale Transformation schafft nicht der CIO alleine»
Dem CIO kommt in der digitalen Transformation eine bedeutende Rolle zu. Er kann die Transformation aber nicht alleine schaffen. Vielmehr müssen alle Führungskräfte zu Digital Leaders werden, sagt Patrick Naef.
Patrick Naef ist heute unter anderem als Personalberater bei Boyden Switzerland tätig
(Quelle: Emirates)
Einige Unternehmen – auch in der Schweiz – etablieren angesichts der Herausforderungen durch die digitale Transformation spezielle Digital-Abteilungen. Und sie rekrutieren Chief Digital Officers ein, die Digitalisierungsprojekte entwickeln sollen. Für den Management-Berater und früheren CIO Patrick Naef ist das der falsche Ansatz. Die Gründe erklärt er im Interview mit den Kollegen von der Computerworld.
Computerworld: In einigen Firmen und Behörden wurden CDOs rekrutiert. Ist er die Lösung des Problems?
Patrick Naef: Eher nicht. Die Rekrutierung ist eher eine Kurzschlussreaktion. Als die Digitalisierung und die digitale Transformation vor einigen Jahren heisse Themen wurden, wussten viele Firmen nicht, wie sie mit dem Thema umgehen sollten. Einige realisierten ausserdem, dass ihre CIOs mit der Digitalisierung überfordert waren. Daraufhin installierten sie einfach einen Chief Digital Officer (CDO) und hofften, dass er ihre Digitalisierungsprobleme lösen würde.
Die Technologie verändert und definiert die Zukunft eines jeden Unternehmens neu. Als Folge ist sie zu einem Teil der wichtigsten, strategischen Faktoren eines jeden Unternehmens geworden, genauso wie die finanziellen und personellen Ressourcen. Obwohl natürlich von jeder Führungskraft erwartet wird, dass sie mit Finanzen und Menschen umzugehen weiss, ist es immer noch weitgehend akzeptiert, dass Technologie-Fragen an eine separate Instanz oder Person delegiert werden können. Denn viele Führungskräfte verfügen noch immer nicht über die nötigen Kompetenzen oder sind damit schlicht überfordert. Ob dies nun an einen CTO, einen CIO oder einen CDO delegiert wird, macht keinen wesentlichen Unterschied. Das Muster ist immer noch dasselbe: Technologie wird nicht als strategischer Faktor und als Schlüsselkomponente des Kerngeschäfts betrachtet, was dahingehend interpretiert wird, dass sie an jemand anderen delegiert werden kann. Mit dem wachsenden Ruf nach Digitalisierung versuchen viele Unternehmen, diese Lücke durch die Einstellung eines CDOs zu füllen.
CW: Sie sind kein Freund des CDO-Konzepts, höre ich heraus.
Naef: Stimmt. CDOs werden eingestellt, um die digitale Agenda eines Unternehmens voranzutreiben. Sie versuchen dann allerdings oft, ihr eigenes «Imperium» aufzubauen. Der Grund ist, dass die meisten dieser «erfahrenen» Führungskräfte immer noch traditionelle hierarchische Manager sind und nicht die aufgeschlossenen Führungskräfte (Leaders), die für eine solche Rolle in der digitalen und vernetzten Welt erforderlich wären. Sie arbeiten oft am Aufbau eines digitalen Geschäftsbereichs, der digitale Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt anbietet die getrennt von den etablierten Geschäften sind. Dies führt wiederum zu Konkurrenzsituationen mit dem traditionellen Geschäft. Es erzeugt auch Spannungen und interne Reibungen, die das Unternehmen mit massiver interner Politik eher lähmen, als die Wettbewerbsposition auf dem Markt zu verbessern.
Zur Person
Patrick Naef
war von 2006 bis 2018 der Konzern-CIO der Fluggesellschaft Emirates in Dubai. 2011 wurde er von den Lesern des deutschen Magazins «CIO» zum «CIO der Dekade» gewählt. Zuvor amtete der Schweizer als CIO bei SIG sowie Swissair und hatte Führungspositionen bei der Zurich Versicherung, HP und Bank Julius Bär inne. Heute begleitet Naef Organisationen bei der Digitalisierung, unterstützt Geschäftsleitungen bei IT-Themen und coacht IT-Führungskräfte und Start-ups. Er ist Managing Partner bei der Executive-Search-Firma Boyden in Zürich sowie Partner bei Acent in Deutschland und sitzt im Verwaltungsrat der Franke.