Zürich auf dem Weg zur europäischen Cloud-Metropole

Stromversorger müssen nachrüsten

Rechenzentren sind bekanntlich wahre Stromfresser. So fordern die zahlreichen Bau- und Ausbauprojekte auch die Stromversorger, für die eine Anschlusspflicht gilt. Zwar könne etwa das Netz der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) die heutigen Bezüge der Data Center problemlos verkraften, wie es auf Anfrage heisst. Für das Netz sei die Leistungsspitze aber häufig der Grund, weshalb es verstärkt und ausgebaut werden müsse. Mehrheitlich würde dabei ein bestehendes Unterwerk aus- oder gegebenenfalls ein neues gebaut, heisst es weiter. Über ein Unterwerk wird die Energie aus dem Transportnetz entnommen und von Hochspannung auf die Mittelspannung des Verteilnetzes transformiert. Die maximale Leistung der bestehenden und geplanten Rechenzentren im Kanton Zürich bewegt sich dabei jeweils im Bereich zwischen 20 und 40 Megawatt. Damit benötigen die leistungshungrigsten von ihnen unter Voll­last etwa gleich viel Energie wie die ganze Stadt Kloten.
Aufrüsten muss der lokale Winterthurer Stromversorger Stadtwerk etwa aufgrund des Bauprojekts von Vantage Schweiz. Am 2. Dezember 2020 bewilligte der Stadtrat dort einen gebundenen Kredit von 8,6 Millionen Franken, um das nahe gelegene Unterwerk Grüze auszubauen. Die Leistung des Unterwerks – es ist das grösste der Stadt und versorgt derzeit 30'000 Menschen in vier Quartieren mit Elektrizität – soll etappenweise von 100 auf 160 Megawatt erhöht  werden. Der Data-Center-Campus von Vantage wird dann laut Angaben des «Landboten» über den grössten Stromanschluss der Stadt und eine Anschlussleistung von 55 Megawatt verfügen. Unter anderem aufgrund des Interxion-Rechenzentrums ZUR3 planen die EKZ in Rümlang den Bau eines zusätzlichen Unterwerks. Und der «Metro-Campus- Zürich» soll künftig von zwei verschiedenen Unterwerken der EKZ erschlossen werden. Die Ausbauten erfolgen etappiert, entsprechend den Bauarbeiten der Rechenzen­tren. Ein Unterwerk wird gemäss Greens Campomilla dabei direkt auf der Parzelle realisiert. «So können wir eine sichere und leistungsfähige Stromversorgung für die geplanten drei Data Center sicherstellen und verfügen in den jeweiligen Ausbauten auch über Leistungsreserven.»

Gemeinden und Kanton profitieren

Und obwohl Rechenzentren viel Platz und Strom brauchen und in der Regel auch nicht sehr schön anzusehen sind, gibt es für Gemeinden durchaus Vorteile, wenn sich die Betreiber bei ihnen ansiedeln. In Rümlang und Opfikon plant die Genossenschaft Elektra Baselland beispielsweise den grossen «Energieverbund Airport City» – ein Fernwärme- respektive Fernkältenetz, das künftig mit der Abwärme des Interxion-Rechenzentrums ZUR3 versorgt werden soll.
Greens «Metro-Campus-Zürich» soll auch mit Grünzonen und Flächen für das lokale Gewerbe ergänzt werden
Quelle: Green
Im Rahmen des Bauprojekts von Green in Dielsdorf setzte sich der örtliche Gemeinderat laut eigenen Angaben etwa dafür ein, dass nebst den geplanten Data Centern auch Flächen für das lokale Gewerbe entstehen. «Es wird für Dielsdorfer KMU aufgrund des knapper werdenden Landes anspruchsvoller, Gewerbeflächen zu finden, um ihren Betrieb zu vergrössern», erklärt der Gemeinderat. Mit dem geplanten Projekt würden die Industriezone und Dielsdorf als Arbeitsplatzstandort «klar gestärkt». Ebenso habe die Gemeinde bei der Prüfung des Baugesuchs ein Augenmerk darauf gelegt, dass die Umgebung qualitativ hochwertig gestaltet wird. So soll beispielsweise der dorfseitig angelegte Grünraum mit der Fusswegverbindung entlang der Bahn­linie einen qualitativ hochwertigen Freiraum gegenüber dem Wohngebiet auf der anderen Seite der SBB-Geleise schaffen. «Auch im Sinne von Gemeinde und Bevölkerung ist es, dass wohl zusätzliches Steuer­substrat generiert wird», heisst es seitens des Gemeinderats schliesslich.
“Die Gemeinde stand uns sehr wohlwollend zur Seite„
Andrea Luigi Campomilla, Green
Viel Überzeugungsarbeit musste deshalb offenbar von Green nicht geleistet werden. «Da wir bereits Erfahrung mit ähnlichen Bauprojekten aufweisen konnten und konstruktiv zusammengearbeitet haben, stand uns die Gemeinde sehr wohlwollend zur Seite», sagt Campomilla. Auch der Kanton Zürich habe sich im ganzen Bewilligungsprozess sehr kooperativ gezeigt. «Es besteht ein grosses Interesse seitens des Kantons, die Wirtschaft mit guten digitalen Infrastrukturen zu unterstützen und den Wirtschaftsstandort voranzubringen», fügt der Green-COO an.

Wohin geht die Reise?

Gemäss Abt von Accenture wächst der Markt mit Cloud- Lösungen aktuell um bis zu 30 Prozent pro Jahr. Kunden des Dienstleisters hätten derzeit rund 10 Prozent ihrer Applikationen in der Public Cloud. In den nächsten fünf Jahren soll der Anteil bis auf 60 Prozent ansteigen, erklärt der Cloud-Experte.
Ob die hiesigen Data-Center-Betreiber mit dieser Entwicklung Schritt halten können, wird sich zeigen. An ihrer Bereitschaft, weiter auszubauen, wird es sicherlich nicht mangeln. Aber eventuell am verfügbaren Platz. «Die Region Zürich hat mit den bereits gesicherten Arealen nach wie vor ein gewisses Ausbaupotenzial, das sicherlich noch für ein paar wenige Jahre reicht. Wenn das starke Nachfragewachstum jedoch im gleichen Tempo weitergeht, dann dürften neue Standorte gefordert sein», zeigt sich Schoch von CBRE überzeugt. Zudem stellt er sich die Frage nach den Grenzen des hiesigen Markts. Möglicherweise biete dieser irgendwann nicht mehr dieselben Wachstumsaussichten wie andere Wirtschaftsstandorte.
Dass Zürich zu den grossen FLAP-Märkten aufschliessen kann, hält er deshalb für unwahrscheinlich. Aus Schochs Sicht wird die Region jedoch kurz- und mittelfristig sicherlich ihren Platz in Europas Spitzengruppe der Data-Center-Märkte halten können.




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