Helen Arnold: Digitale Transformation - jetzt wird es ernst

Disruptive Veränderungen der Gesellschaft

Halten Sie 50 Prozent für eine realistische Prognose?
Arnold: Ich glaube, dass wir uns als Gesellschaft mit der Zukunft der Beschäftigung auseinandersetzen müssen. In den 80er-Jahren hat der PC die Arbeitswelt verändert, und das ging gut, das wissen wir heute.
Bollwerk Schule: Bis heute sind Schulen weitgehend digitalfrei.
Quelle: Shutterstock/wavebreakmedia
In der Umbruchsphase aber muss man sich überlegen, wie man die Konsequenzen gesellschaftspolitisch begleitet und auch abfedert.
Was wären ihre Vorschläge?
Arnold: Schauen Sie, die Schule ist zurzeit mehr oder weniger eine digitalfreie Zone. Es gibt keine Minute Unterricht über zum Beispiel die Funktionsweise eines Algorithmus‘ oder eines Netzwerkes. Wir sollten in der Erziehung, unabhängig von den Altersklassen, vordenken und die richtigen Entscheidungen treffen, damit unsere Kinder die Kompetenzen erlernen, die sie morgen benötigen.
Ich sehe den Wandel aber auch in meiner Position als CIO bei SAP. Früher war es zum Beispiel wichtig, Blaupausen zu schreiben. Aber das ist in der Arbeitswelt von heute nicht mehr wichtig. Altbewährtes zu überdenken ist eine Aufgabe, die wir auf allen Ebenen angehen müssen, sei es im einzelnen Unternehmen, sei es in der Politik oder im Fortbildungssektor.
Wie sieht die digitale Transformation bei SAP selbst aus? Wie gehen Sie das an?
Arnold: Wir unterscheiden zwischen differenzierenden Geschäftsprozessen, die sich eng am Kunden orientieren, und nicht differenzierenden Standardprozessen. Der Geschäftsprozesskern, das monolithische ERP der Vergangenheit, ist offener geworden. Unser S/4-Kern bietet heute mehr Andockstationen. Wir haben vor einigen Jahren einen harten Schnitt gemacht und unsere Prozesse entrümpelt und verschlankt. Heute - aus der Cloud - beziehe ich kleinere, portionsgerechtere Prozesse. Wir befördern die nicht differenzierenden Standardprozesse, zum Beispiel HR oder Einkauf, konsequent in die Cloud. Da sind wir – SAP - unsere eigene Referenz.
Hat sich die Arbeit bei der SAP dadurch verändert? Nehmen wir die Software-Entwickler: SwissQ hat mir gesagt, dass im Banken- und Versicherungsbereich die Wasserfall-Methodik immer noch recht verbreitet sei.
Arnold: Bei SAP wird nicht mehr nach dem Wasserfall-Verfahren entwickelt. Aber das hat sich auch nicht von heute auf morgen verändert, sondern hat etwa zwei Jahre gedauert. Vorreiter waren neue Bereiche wie Mobile und Cloud, die in wöchentlichen Iterationszyklen arbeiten. Heute arbeiten unsere Software-Entwickler nach DevOps, orientieren sich also sehr eng am Betrieb der Lösungen, die sie programmieren.
Auch das ist digitale Transformation. Das Vorgehen nach dem Wasserfall-Prinzip stellt ein ganz anderes Kompetenzprofil an die Mitarbeiter als das agile Liefermodell. Die Zeiten einer IT, die weitgehend isoliert vom Business in den eigenen vier Wänden operiert, sind vorbei. Im Mittelpunkt einer jeden IT steht stets der Kundennutzen. Um auf diesen reagieren zu können, braucht es agile Entwicklungsmethoden.




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