Finanzierungsstrategie 20.03.2020, 06:36 Uhr

Für Händler: Kurzfristige Kredite als Hilfe in Krisenzeiten

Die Corona-Krise bringt viele Händler in eine wirtschaftliche Schieflage. Kurzfristige Kredite können helfen, die schwierigen Zeiten zu überstehen. Neben Banken bieten mittlerweile etliche Unternehmen Finanzierungslösungen für Händler an.
(Quelle: shutterstock.com/Witthaya lOvE)
Viele Händler drohen wegen der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Not zu geraten - sei es, weil Lieferketten unterbrochen sind und der Warennachschub ausbleibt, sei es, weil die Nachfrage durch den Stillstand im öffentlichen Leben einbricht, sei es, weil Mitarbeiter ausfallen und die Ware deswegen nicht verschickt werden kann.
Andere wiederum könnten online aufgrund der geschlossen stationären Läden viel mehr verkaufen als sonst, wenn sie denn das nötige Geld hätten, um Ware einzukaufen und kurzfristig Mitarbeiter einzustellen. Kurz: Durch die Corona-Krise steigt der Finanzbedarf vieler Händler erheblich. Doch wie können Händler schnell einen Kredit erhalten?
Die eigenen Hausbanken sind bei der Vergabe von Krediten für viele noch immer der erste Ansprechpartner. Aber viele Banken tun sich schwer, das Risiko eines Online-Händlers einzuschätzen, weil sie nur wenige Erfahrungswerte haben. Sie sind daher oft eher zögerlich bei der Vergabe von Krediten oder verlangen kaum leistbare Sicherheiten. Doch neben den klassischen Krediten der Hausbanken gibt es inzwischen eine ganze Reihe anderer Finanzierungsmöglichkeiten und Hilfen, die nicht nur in Krisenzeiten hilfreich sein können. Hier ein Überblick:

Sofortkredite von PayPal, Klarna und Iwoca

Quelle: Paypal
So bieten beispielsweise die beiden Payment-Dienstleister PayPal und Klarna ihren Geschäftskunden Business-Kredite an. Beide Anbieter stellen kurzfristig bis zu 100.000 Euro zur Verfügung, der Verwendungszweck steht dem Händler frei. Nötig ist lediglich ein Geschäftskundenkonto. Bei PayPal muss dieses seit mindestens drei Monaten bestehen und ebenso lange muss der Händler auch schon aktiv verkauft haben. Der Händler kann die Höhe und Laufzeit des Kredits bis zur Maximallaufzeit selbst festlegen. Die Rückzahlung erfolgt über sein Geschäftskundenkonto. Die Kredite können sofort online beantragt werden, die fälligen Gebühren werden unmittelbar bei der Antragstellung angezeigt. In der Regel wird das Geld binnen ein bis zwei Tagen bereitgestellt.
Sofortkredite bietet auch das 2012 in London gegründete Unternehmen Iwoca mit Deutschlandsitz in Frankfurt an. Interessenten melden sich online mit einigen Unternehmensdaten an. Iwoca prüft die Daten und entscheidet binnen weniger Stunden über die Kreditvergabe. Als Faustregel ist eine Maximalsumme von zehn Prozent des letzten Jahresumsatzes möglich. Das Geld ist frei verfügbar und muss binnen zwölf Monaten zurückgezahlt oder umgeschuldet werden. Es fallen ausschliesslich die Zinskosten an, die bei der Anfrage angegeben werden.
Auch Facebook hat angekündigt, insgesamt 100 Millionen US-Dollar für 30.000 kleine Unternehmen in 30 Ländern, darunter auch Deutschland und die Schweiz, bereitstellen zu wollen. Das genaue Procedere ist jedoch noch nicht bekannt. Die Annahme der Anträge soll in den kommenden Wochen beginnen.

Lagerware als Sicherheit für Banken

Eine andere Möglichkeit, sich kurzfristig Geld zu beschaffen, ist die sogenannte Lagerfinanzierung. Das Konzept: Oft liegen Waren im Wert von mehr als hunderttausend Euro im Lager des Händlers, gebundenes Kapital also. Diese Waren dienen bei der Lagerfinanzierung als Sicherheit. Das Verfahren ist seit langem  in den Geschäftsbeziehungen zwischen stationären Händlern und deren Hausbanken üblich. Beim Online-Handel sind jedoch viele Banken mit der grossen Handelsdynamik und den sich stetig verkürzenden Lagerzeiträumen überfordert. Deswegen können sie den Lagerwert nicht einschätzen.
Quelle: Labest.finance
Abhilfe verschafft hier das 2016 gegründete Fintech Labest aus Hamburg. Vereinfacht gesagt, liefert Labest eine transparente Lagerbewertung in Echtzeit, auf deren Basis die Bank über eine Kreditvergabe entscheiden kann. Dafür werden die Wareneingangs- und Ausgangsdaten des Händlers über Schnittstellen aus dem ERP-System (Enterprise Resource Planning) mit Einkaufs- und Marktpreisen der Waren sowie allgemeinen Marktdaten angereichert und gebündelt für die Banken aufbereitet.
Der Antrag auf eine solche Lagerfinanzierung kann bei Labest online gestellt werden. Labest prüft den Antrag und die ergänzenden Unternehmensinformationen und übergibt die Anfrage an seine Finanzierungspartner. Diese machen dem Händler dann ein Angebot. Kommt es zum Vertragsabschluss, bindet Labest sein Monitoring-Tool an die Warenwirtschaft des Händlers an, im Gegenzug kann der Händler innerhalb der vereinbarten Kreditlinie flexibel auf das Geld zugreifen. Die anfallenden Gebühren sind individuell.

Wareneinkauf über Dritte finanzieren

Quelle: Modifi.com
Daneben gibt es auch das Modell der Einkaufsfinanzierung. Dabei bezahlt der Kreditgeber den Lieferanten im Voraus und ermöglicht dem Händler die Rückzahlung in Raten über einen vereinbarte Zeitraum hinweg. Durch die sofortige Bezahlung erhält der Händler oftmals noch einen Rabatt von seinem Lieferanten (Skonto). Ein Anbieter aus diesem Segment ist das 2018 gegründete Start-up Modifi mit Sitz in Amsterdam und Berlin. Das Verfahren läuft komplett online: Der Händler lädt bei Modifi seine Rechnung hoch und legt seine gewünschten Zahlungsmodalitäten fest. Modifi bezahlt nach einer Risikoprüfung die Rechnung direkt an den Lieferanten. Zahlungsziel sind 30, 60, 90 oder auf Wunsch verlängert auch 120 Tage. Dafür fällt eine Pauschalgebühr an.
Weitere Anbieter von Einkaufs- oder Warenfinanzierung sind das Luxemburger Unternehmen Tradico sowie das 2017 in Berlin gegründete Unternehmen Vai Trade. Das Procedere ist mit dem von Modifi vergleichbar. Allerdings können sich die Händler bei Vai Trade bis zu 180 Tage mit dem Bezahlen Zeit lassen. Die Kreditzusage erfolgt binnen 24 Stunden, die Maximalsumme liegt bei 150.000 Euro.
Ähnlich geht die Berliner Firma Amafin vor, die seit März 2018 unter dem Namen Myos  Zwischenfinanzierungen anbietet. Dabei bewertet sie anhand von Marktpreisen den Wert der Ware, die der Händler im Lager hat oder kaufen möchte und streckt ihm einen bestimmten Prozentsatz dieser Summe vor. Als Sicherheit dient Myos die Ware, die dem Händler nur in Teilmengen zur Verfügung steht. Hat der Händler einen Teil der Ware verkauft, zahlt er eine Rate an Myos zurück. Gelingt es ihm nicht, die Ware zu verkaufen, bekommt Myos die Ware und verkauft sie selbst. Die maximale Laufzeit liegt flexibel bei neun Monaten, die Gebühren liegen zwischen einem und 2,5 Prozent im Monat.
Sowohl Lager- als auch Einkaufsfinanzierung will das neugegründet Unternehmen Creddis anbieten, das zur Otto-Gruppe gehört. Creddis ist jedoch noch nicht offiziell am Markt.

Kreditvermittler suchen passende Angebote

Quelle: Compeon.de
Ein hilfreiche Anlaufstelle für Händler auf der Suche nach einem Kredit sind auch Finanzierungsvermittler wie Finanzierung.com, Compeon oder Fincompare. Bei ihnen stellt der Händler eine Anfrage entsprechend seines Kreditbedarfs und sie ermitteln aus einem Pool an Anbietern passende Angebote. Die Anfragen sind generell kostenlos. Inwieweit für den Händler Vermittlungs- oder auch Beratungsgebühren anfallen, muss jedoch konkret erfragt werden.

Kühler Kopf und gesunder Menschenverstand

Generell gilt: Solche alternativen Finanzierungswege können für Händler eine gute Unterstützung sein, um Kapitalengpässe aufzufangen. Auch wenn vieles online und unkompliziert funktioniert – es geht um viel Geld. Um strategische Überlegungen, welche Art der Finanzierung zum eigenen Geschäftsmodell passt, und um das genaue Vergleichen der Konditionen und Gebühren kommt man nicht herum. Und gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht zu unausgegorenen Entscheidungen hinreissen zu lassen.



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