Google, Amazon und Co - Die Kraft der Big Four
Mit Millionen den Marktzutritt erschweren
So kann es sich beispielsweise kaum ein Händler leisten, den Marktplatz Amazon zu ignorieren, wenn er im E-Commerce erfolgreich agieren will. Und kaum ein Werbungtreibender kann darauf verzichten, Google oder Facebook in seine Kommunikationsstrategie einzubinden. Bereits jetzt fliesst weltweit mehr als die Hälfte aller Netto-Werbeerlöse für mobile Kampagnen an Google und Facebook.
Diese monopolartige Stellung dürfte sich weiter verstärken. In der globalen Digital-Ökonomie geht es darum, in Märkten als Erster eine kritische Masse an Kunden zu erreichen. Finanzstarke Unternehmen sind am einfachsten in der Lage, hier eine Gatekeeper-Funktion aufzubauen und anderen anschliessend den Zutritt zu erschweren. Gleichzeitig haben sie die nötigen Mittel, um Millionensummen in neue Geschäftsmodelle zu stecken, auch wenn sich diese später als untauglich erweisen. Die Invests haben sich manchmal schon deshalb ausgezahlt, weil sie Mitbewerbern die Strategie verhagelten, die ebenfalls in das Business investiert hatten, aber nicht diesen langen Atem hatten. "Die Kraft und das Potenzial der Big Four ist gigantisch", unterstreicht Jens-Uwe Steffens, geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Pilot Media. "Denn die Refinanzierung von Investitionen ist bei ihren weltweiten Dimensionen eine ganz andere. Wenn Facebook ein neues Programm für seine Nutzer schreibt, tut es das für 1,6 Milliarden Menschen."
Der Ströer-Konzern will Rambazamba machen
Die Frage ist deshalb: Sind deutsche Unternehmen überhaupt in der Lage, den Big Four Paroli zu bieten? Oder müssen sie sich mit einer Nebenrolle zufrieden geben, weil sie im Zweifelsfall gar nicht so lange durchhalten können?
Der Medienkonzern Ströer will sich offenbar im Kampf gegen die US-Konzerne nicht so ohne Weiteres geschlagen geben. Auf der Konferenz Online Marketing Rockstars im Februar gab Christian Schmalzl, COO der Ströer Media AG, ein selbstbewusstes Statement ab: "Sich vor den grossen Unternehmen Facebook und Google ins Höschen zu machen, ist die falsche Strategie. Da wird das Sterben ziemlich langweilig. Wir machen lieber Rambazamba und gucken, was passiert."
Dieses Rambazamba drückt sich vornehmlich in Zukäufen digitaler Firmen aus, die aus dem einstigen Aussenwerbeunternehmen den grössten deutschen Online-Vermarkter formten. Zuletzt übernahm Ströer beispielsweise die Schulfreunde-Community Stayfriends und das Portal Statista, derzeit wird der Erwerb des Shopping-Portals Stylefruits vorbereitet. Neben der Erweiterung ihres Vermarktungsportfolios geht es dem Konzern dabei um den Zugang zu Kundendaten.
Auch der ProSiebenSat1-Konzern hat in den zurückliegenden Jahren ein beachtliches Digital-Imperium errichtet. Zu diesem zählen inzwischen über 50 Entertainment- und Shopping-Plattformen, soziale Netzwerke und Preisvergleichsportale. 43 Prozent der Umsätze werden mittlerweile ausserhalb des klassischen Fernsehgeschäfts erwirtschaftet, im Jahr 2018 soll dieser Anteil auf 50 Prozent steigen. Man sehe sich im Wettbewerb mit den globalen Playern gut positioniert, unterstreicht Annette Kümmel, Leiterin Medienpolitik bei ProSiebenSat1 Media SE.
Zalando als Gegenspieler von Amazon
Der ProSieben-Konzern war auch tatkräftig daran beteiligt, den Online-Händler Zalando aus Berlin zu einem ernst zu nehmenden Gegenspieler von Amazon aufzubauen. Über Jahre hinweg stellte man Zalando auf seinen Kanälen TV-Spots zur Verfügung und beschleunigte damit dessen Wachstum. Als Zalando anschliessend an die Börse ging, konnte ProSieben seine vereinbarte Beteiligungsoption versilbern. Heute ist Zalando in 15 Ländern aktiv und weiter auf Wachstumskurs. In diesem Jahr will das Unternehmen noch 200 Millionen Euro in Technologie und Logistik investieren.
Im Bereich E-Commerce hat sich zudem die Otto Gruppe international positioniert. Zuletzt machte der grösste Versandhändler Europas mehr als die Hälfte seines zwölf-Milliarden-Umsatzes im Internet. Nach wie vor will Otto auf Läden und gedruckte Kataloge nicht verzichten, doch die Investitionen gehen in die digitale Richtung: Rund 300 Millionen Euro sollen in Logistik und die digitale Vernetzung des Handels fliessen.
Otto kann als Beispiel dafür gelten, dass sich auch Traditionsunternehmen gegenüber Vertretern der Big Four behaupten können, wenn auch mit hohem Aufwand. Thomas Voigt, Direktor Wirtschaftspolitik und Kommunikation der Otto Group, plädiert dafür, die GAFA-Debatte differenziert zu sehen. Natürlich sei die Gefahr gross, dass Amazon den Online-Handel dominiere, so Voigt. Gleichzeitig bestünden für klar positionierte Marken und Händler immer noch genügend Chancen. Eng werde es aber in der Mitte. Voigt: "Mittelgrosse Einzelhändler, undifferenzierte, diffus positionierte Anbieter werden verlieren."
Auch Jens-Uwe Steffens, Chef der Agentur Pilot, fordert dazu auf, nicht den Mut zu verlieren. Digitale Märkte hätten immer auch eine lokale Komponente, die kleineren Unternehmen Spielräume lasse. "Die Grossen leben von der Standardisierung, das schafft Freiräume."
Big Four dienen auch gern als Ausrede
Thomas Zervos, Geschäftsführer der Serviceplan Consulting Group, geht sogar noch einen Schritt weiter. Allzu oft, so der Managementberater, sei der Verweis auf die Übermacht der Big Four auch einfach eine Schutzbehauptung. Tatsächlich, so seine Erfahrung, werden von vielen Unternehmen die Marktchancen nicht wirklich wahrgenommen. "Es fehlt die Bereitschaft, sich komplett auf neue Geschäftsmodelle einzulassen. Man will lieber das, was man hat, maximal kapitalisieren."
Zervos will auch den Verweis auf strengere Datenschutzbestimmungen nicht gelten lassen, durch die deutsche Unternehmen gegenüber den Big Four angeblich einen Wettbewerbsnachteil haben. Auch Google und Facebook bewegten sich im Rahmen dessen, was erlaubt sei. "Die Menschen scheuen nicht die Abgabe von Daten. Sie wollen nur nicht Daten für Dienste abgeben, in denen sie für sich keinen Mehrwert erkennen." Annette Kümmel von ProSiebenSat1 rät zu mehr Selbstbewusstsein: "Europa ist einer der grössten Wirtschaftsräume der Welt. Diese Stellung sollten wir auch selbstbewusst im internationalen Wettbewerb vertreten und verteidigen."
Der Weg dorthin ist aber beschwerlich. Soeben ergab eine Umfrage des BVDW, wie es um die Digitalisierung der Unternehmen in Deutschland wirklich bestellt ist. Ernüchterndes Ergebnis: Mehr als die Hälfte ist noch nicht reif für die Digitalisierung.