Absolute Dominanz 15.06.2016, 23:48 Uhr

Google, Amazon und Co - Die Kraft der Big Four

Google, Apple, Facebook und Amazon - die vier US-Konzerne haben sich im Internet eine Stellung erarbeitet, an der kaum noch jemand vorbeikommt.
(Quelle: Shutterstock.com/Lana Stem)
Finanzermittler der Polizei und zwei Dutzend Informatikexperten verschafften sich vor wenigen Tagen Zutritt zur Google-Zentrale in Paris. Die Razzia sollte zeigen, ob die Google Ireland Ltd. ­eine feste Niederlassung in Frankreich hat und dementsprechend Steuern abführen muss oder ob bei den Steuererklärungen möglicherweise getrickst wurde. Es wird noch eine Weile dauern, bis Ergebnisse vorliegen, doch Google beteuerte schon einmal seine Unschuld. "Wir halten uns an die Steuergesetzgebung in Frankreich ­genauso wie in allen anderen Ländern, in denen wir tätig sind", liess der Konzern ­eilends verlauten.
Genau das wollen aber viele Behörden und Politiker nicht glauben. In einigen ­europäischen Ländern, darunter Deutschland, ist die Steuerpraxis der grossen US-Internet-Konzerne Google, Apple, Facebook und Amazon - neuerdings gern auch GAFA genannt - umstritten. Zunehmend werden von EU-Vertretern die international verlaufenden Geldströme kritisch ­betrachtet. Diskutiert wird die Frage, wo möglicherweise illegal gearbeitet wird, wo rechtliche Grauzonen bestehen und an welcher Stelle man die Schuld bei sich selbst suchen muss.

EU-Initiativen sollen mehr Spielraum schaffen

Die Frage der steuerlichen Gleichberechtigung ist derzeit allerdings nur eine Front, an der die EU gegen die   Übermacht der grossen US-Internet-Konzerne vorgeht. Die EU-Kommission untersucht auch, ob Google seine marktbeherrschende Stellung beim Smart­phone-System Android ausnutzt und die Handyhersteller zwingt, den Chrome-Browser und die Google-Suche als Standardeinstellung vorzuinstallieren. Ausserdem hat sie gerade einen Entwurf für eine neue Richtlinie über audiovisu­elle Mediendienste vorgelegt, der den europäischen Film fördern soll. Videoplattformen wie Netflix sollen künftig Abgaben zahlen, mit denen dann europäische Produktionen gefördert werden.
Neben der "Netflix-Steuer" kümmert sich die EU auch intensiv um den E-Commerce. Um den Online-Handel innerhalb Europas zu fördern, tüftelt sie an Mass­nahmen, die den Versand von Paketen ­innerhalb der EU günstiger machen und E-Commerce-Vorschriften vereinheitlichen. Das Geoblocking soll EU-weit fallen, damit Verbraucher Waren in ­einem anderen Land ­erwerben können, ohne durch unterschiedliche Preise oder Vorschriften gegängelt zu werden.
All diese Initiativen zielen darauf ab, das Korsett für europäische Medien- und Handelsunternehmen zu lockern und sie im Wettbewerb mit den grossen US-Playern Google, Facebook, Amazon und Apple zu unterstützen. Für viele Branchenexperten ist es für solche Massnahmen höchste Zeit. "Von einem fairen Konkurrenzkampf kann man wahrlich nicht sprechen", betont Christoph Keese, Executive Vice President der Axel Springer SE. "Wir spielen nicht auf einem ebenen Feld, sondern auf einem steilen Abhang." Die rechtliche Wirklichkeit sei traurig. Gesetzgeber und Gerichte hätten zugelassen, dass traditionelle Branchen in Fussfesseln bergauf spielten, während die Internet-Konzerne alle Freiheit der Welt geniessen könnten. Keese: "Die heutige Rechtslage gleicht einem Programm zur Erzeugung globaler Netzmonopole bei gleichzeitiger Ausmerzung von Vielfalt."

Vormachtstellung der GAFA

Man muss die Einschätzung des Springer-Lobbyisten in dieser Schärfe nicht teilen - die Vormachtstellung der GAFA ist allerdings eine Tatsache, die je nach Blickwinkel mal riesig und mal gigantisch aussieht. Gemessen an ihrer Marktkapitalisierung liefern sich Apple und Google ­(Alphabet) regelmässig ein Kopf-an-Kopf-Rennen im Kampf um den Rang des wertvollsten Konzerns der Welt. Unter den Top Ten befinden sich auch Microsoft, Facebook und Amazon, was einer Zäsur gleichkommt: Die GAFA haben die Jahrzehnte währende Vormachtstellung von Indus­trie-, Öl- und Finanz-Multis wie Exxon Mobil gebrochen: Im Zuge der digitalen Globalisierung haben verhältnismässig junge Unternehmen - Facebook wurde erst 2004 gegründet - das Ruder übernommen und die USA geben weltweit die Richtung vor: Von dem vielfach vorhergesagten Verfall einer Weltmacht ist nichts zu spüren.

Die Big Four sind so kapitalstark wie Kanada

Die Agentur Zenith hat soeben ein Ranking veröffentlicht, das verdeutlichen soll, welche Unternehmen für das Marketing weltweit am wichtigsten sind. Berücksichtigt wurden deshalb nur die Umsätze, die aus Geschäftsfeldern stammen, die Werbung unterstützen. Auch hier beherrschen die Digital Companies das Bild. Auf Platz eins befindet sich Alphabet (Google), auf Rang fünf rangiert Facebook mit Zug nach oben: Das Netzwerk weist die bei Weitem grössten Zuwachsraten auf.
Scott Galloway, Professor für Marketing and Brand Strategy in New York, hielt ­Anfang des Jahres auf der DLD Con­ference in München einen viel beachteten Vortrag. Seine Analyse rückte die Vormachtstellung von Google, Amazon, Facebook und Apple noch einmal in ein ganz neues Licht. Hochgerechnet, so Professor Galloway, habe der Börsenwert der vier Konzerne im vergangenen Jahr dem Bruttoinlandsprodukt (BPI) von Spanien entsprochen. Inzwischen sei er bei 1,7 Billionen US-Dollar angekommen und damit auf der Höhe des BPI von ­Kanada.
Es sind solche Zahlen, die letzte Zweifel an der Monopolstellung verstummen lassen. "Die Big Four beherrschen de facto das Internet im B2C-Bereich und bauen den Einfluss aktuell eher aus, als dass man einen Rückgang beobachten könnte", sagt Achim Himmelreich, Vizepräsident des Digital-Verbands BVDW. Aufgrund der Kapitalkraft und Reichweite der GAFA sei kaum jemand in der Lage, eine adäquate Konkurrenz aufzubauen. Himmelreich: "Man wird de facto gezwungen, mit den Unternehmen zu kooperieren, da sie Marktstandards setzen."

Mit Millionen den Marktzutritt erschweren

So kann es sich beispielsweise kaum ein Händler leisten, den Marktplatz Amazon zu ignorieren, wenn er im E-Commerce erfolgreich agieren will. Und kaum ein Werbungtreibender kann darauf verzichten, Google oder Facebook in seine ­Kommunikationsstrategie einzubinden. Bereits jetzt fliesst weltweit mehr als die ­Hälfte aller Netto-Werbeerlöse für mobile Kampagnen an Google und Facebook.
Diese monopolartige Stellung dürfte sich weiter verstärken. In der globalen ­Digital-Ökonomie geht es darum, in Märkten als Erster eine kritische Masse an Kunden zu erreichen. Finanzstarke Unternehmen sind am einfachsten in der Lage, hier eine Gatekeeper-Funktion aufzubauen und anderen anschliessend den Zutritt zu erschweren. Gleichzeitig haben sie die ­nötigen Mittel, um Millionensummen in neue Geschäftsmodelle zu stecken, auch wenn sich diese später als untauglich erweisen. Die Invests haben sich manchmal schon deshalb ausgezahlt, weil sie Mitbewerbern die Strategie verhagelten, die ebenfalls in das Business investiert hatten, aber nicht diesen langen Atem hatten. "Die Kraft und das Potenzial der Big Four ist gigantisch", unterstreicht Jens-Uwe Steffens, geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Pilot Media. "Denn die Refinanzierung von Investitionen ist bei ihren weltweiten Dimensionen eine ganz andere. Wenn Facebook ein neues Programm für seine Nutzer schreibt, tut es das für 1,6 Milliarden Menschen."

Der Ströer-Konzern will Rambazamba machen

Die Frage ist deshalb: Sind deutsche Unternehmen überhaupt in der Lage, den Big Four Paroli zu bieten? Oder müssen sie sich mit einer Nebenrolle zufrieden geben, weil sie im Zweifelsfall gar nicht so lange durchhalten können?
Der Medienkonzern Ströer will sich ­offenbar im Kampf gegen die ­US-Konzerne nicht so ohne Weiteres geschlagen geben. Auf der Konferenz Online Marketing Rockstars im Februar gab Christian Schmalzl, COO der Ströer Media AG, ein selbstbewusstes Statement ab: "Sich vor den grossen Unternehmen Facebook und Google ins Höschen zu machen, ist die falsche Strategie. Da wird das Sterben ziemlich langweilig. Wir machen lieber Rambazamba und gucken, was passiert."
Dieses Rambazamba drückt sich vornehmlich in Zukäufen digitaler Firmen aus, die aus dem einstigen Aussenwerbeunternehmen den grössten deutschen ­Online-Vermarkter formten. Zuletzt übernahm Ströer beispielsweise die Schulfreunde-Community Stayfriends und das Portal Statista, derzeit wird der Erwerb des Shopping-Portals Stylefruits vorbereitet. Neben der Erweiterung ihres Vermarktungsportfolios geht es dem Konzern ­dabei um den Zugang zu Kundendaten.
Auch der ProSiebenSat1-Konzern hat in den zurückliegenden Jahren ein beachtliches Digital-Imperium errichtet. Zu diesem zählen inzwischen über 50 Entertainment- und Shopping-Plattformen, soziale Netzwerke und Preisvergleichsportale. 43 Prozent der Umsätze werden mittlerweile ausserhalb des klassischen Fernsehgeschäfts erwirtschaftet, im Jahr 2018 soll dieser Anteil auf 50 Prozent steigen. Man sehe sich im Wettbewerb mit den globalen Playern gut positioniert, unterstreicht ­Annette Kümmel, Leiterin Medienpolitik bei ProSiebenSat1 Media SE.

Zalando als Gegenspieler von Amazon

Der ProSieben-Konzern war auch tatkräftig daran beteiligt, den Online-Händler Zalando aus Berlin zu einem ernst zu nehmenden Gegenspieler von Amazon aufzubauen. Über Jahre hinweg stellte man Zalando auf seinen Kanälen TV-Spots zur Verfügung und beschleunigte damit dessen Wachstum. Als Zalando ­anschliessend an die Börse ging, konnte ProSieben seine vereinbarte Beteiligungsoption versilbern. Heute ist Zalando in 15 Ländern aktiv und weiter auf Wachstumskurs. In diesem Jahr will das Unternehmen noch 200 Millionen Euro in Technologie und Logistik investieren.
Im Bereich E-Commerce hat sich zudem die Otto Gruppe international positioniert. Zuletzt machte der grösste Versandhändler Europas mehr als die Hälfte seines zwölf-Milliarden-Umsatzes im Internet. Nach wie vor will Otto auf Läden und gedruckte Kataloge nicht verzichten, doch die Investitionen gehen in die digitale Richtung: Rund 300 Millionen Euro sollen in Logistik und die digitale Vernetzung des Handels fliessen.
Otto kann als Beispiel dafür gelten, dass sich auch Traditionsunternehmen gegenüber Vertretern der Big Four behaupten können, wenn auch mit hohem Aufwand. Thomas Voigt, Direktor Wirtschaftspolitik und Kommunikation der Otto Group, plädiert dafür, die GAFA-Debatte differenziert zu sehen. Natürlich sei die Gefahr gross, dass Amazon den Online-Handel dominiere, so Voigt. Gleichzeitig bestünden für klar positionierte Marken und Händler immer noch genügend Chancen. Eng werde es aber in der Mitte. Voigt: "Mittelgrosse Einzelhändler, undifferenzierte, diffus positionierte Anbieter werden verlieren."
Auch Jens-Uwe Steffens, Chef der Agentur Pilot, fordert dazu auf, nicht den Mut zu verlieren. Digitale Märkte hätten ­immer auch eine lokale Komponente, die kleineren Unternehmen Spielräume lasse. "Die Grossen leben von der Standardisierung, das schafft Freiräume."

Big Four dienen auch gern als Ausrede

Thomas Zervos, Geschäftsführer der Serviceplan Consulting Group, geht sogar noch einen Schritt weiter. Allzu oft, so der Managementberater, sei der Verweis auf die Übermacht der Big Four auch einfach eine Schutzbehauptung. Tatsächlich, so seine Erfahrung, werden von vielen ­Unternehmen die Marktchancen nicht wirklich wahrgenommen. "Es fehlt die Bereitschaft, sich komplett auf neue Geschäftsmodelle einzulassen. Man will lieber das, was man hat, maximal kapitalisieren."
Zervos will auch den Verweis auf strengere ­Datenschutzbestimmungen nicht gelten lassen, durch die deutsche Unternehmen gegenüber den Big Four angeblich einen Wettbewerbsnachteil haben. Auch Google und Facebook bewegten sich im Rahmen ­dessen, was erlaubt sei. "Die Menschen scheuen nicht die Abgabe von Daten. Sie wollen nur nicht Daten für Dienste abgeben, in denen sie für sich keinen Mehrwert erkennen." Annette Kümmel von ProSiebenSat1 rät zu mehr Selbstbewusstsein: "Europa ist einer der grössten Wirtschaftsräume der Welt. Diese Stellung sollten wir auch selbstbewusst im internationalen Wettbewerb vertreten und verteidigen."
Der Weg dorthin ist aber beschwerlich. Soeben ergab eine Umfrage des BVDW, wie es um die Digitalisierung der Unternehmen in Deutschland wirklich bestellt ist. Ernüchterndes ­Ergebnis: Mehr als die Hälfte ist noch nicht reif für die Digitalisierung.




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