Flüchtlinge am PoS: Kommunikation mit Händen und Füssen
"Unerwartet höflich und freundlich"
Übereinstimmend sagen die befragten Händler, dass die Flüchtlinge meist unerwartet höflich und freundlich seien. „Klar sind auch welche dabei, die grosskotzig sind, aber genauso gibt es Deutsche, bei denen man sich fragt, wer die denn erzogen hat“, so Jäkel. Manchen müsse man auch erst erklären, dass man ein laufendes Kundengespräch nicht unterbricht. „Aber beim nächsten Mal klappt es dann. Der Wille, sich an Gepflogenheiten anzupassen, ist schon da.“ Interessant sei vielmehr, wie sich die Einheimischen verhalten würden. „Viele reagieren zurückhaltend, wenn die Flüchtlinge im Laden sind, und wenn die Jungs oder Mädels dann weg sind, stellen sie neugierige Fragen. Da leiste ich einiges an Aufklärungsarbeit“, sagt Jäkel.
Schwieriger als der zwischenmenschliche Umgang ist hingegen oftmals die Wahl des richtigen Produkts. „Das grösste Problem sind hierbei die hohen Ansprüche dieser Menschen“, sagt Aydin Kütük von Audio Kom – und meint damit das Datenvolumen. „Die wollen per WhatsApp, Viber und Facebook mit den Liebsten in der Heimat kommunizieren, daher ist das Volumen von grösster Bedeutung. Wir verkaufen aber hauptsächlich Vodafone und Telekom, die derzeit standardmässig 500 bis 750 Megabyte anbieten, was viel zu wenig ist“, so Kütük.
Die Wahl fällt daher meist auf die Tarife von Ethno-Providern wie Ortel, Lebara oder Lycamobile, die zum Teil Volumina von fünf Gigabyte anbieten. „Das zu verkaufen, bedeutet für uns allerdings einen grösseren Aufwand, da die Sprachbarriere relativ hoch ist und das Geschäft damit unrentabel wird“, sagt Kütük. Tatsächlich hinken die Ethno-Anbieter hier hinterher: So lässt sich etwa die Website von Ortel nicht auf Arabisch oder Farsi aufrufen. „Und auch die Sprach-Hotline meldet sich zunächst nur auf Deutsch“, kritisiert Jäkel. „Das ist eine grosse Hürde für die Kunden.“
Unverständnis herrscht bei manchen Flüchtlingen und Asylbewerbern offenbar auch darüber, dass eine Daten-„Flatrate“ hierzulande eben keine echte Flatrate ist. „Die wundern sich, dass man nicht unbegrenzt Datenvolumen bekommt. Deutschland steht hier im internationalen Vergleich sehr weit hinten“, stellt Jäkel fest.
Auch was die Wertigkeit von Dienstleistungen angeht, bringen viele Flüchtlinge eine andere Kultur mit: „Im Unterschied zu vielen Einheimischen gibt es ein Verständnis dafür, dass Serviceleistungen auch Geld kosten“, sagt Jäkel. „Jedes Mal, wenn ich irgendwie geholfen habe, werde ich hinterher gefragt: ‚Was kostet das?‘“, so der TK-Berater bei HiFi Studio Unger. Und auch Harald Schuster bestätigt: „Für die meisten Araber ist es selbstverständlich, dass eine Dienstleistung etwas kostet, speziell wenn Karte und Gerät von einer anderen Quelle stammen.“