Slock.it 12.06.2017, 09:43 Uhr

Das IoT in der Blockchain

Das deutsche Start-up Slock.it nutzt die Blockchain-Technik nun dazu, die Sharing Economy in Fahrt zu bringen. Als technische Basis kommt dabei Ethereum zum Einsatz.
(Quelle: Shutterstock / Khakimullin Aleksandr)
Die Blockchain ist erst wenige Jahre alt und gilt doch schon als wichtiger Business-Treiber für die Zukunft. So sagt etwa Wolfgang Hach, Partner bei Roland Berger, dass die Blockchain „die Art verändern wird, wie weltweit Geschäfte gemacht werden“. Finanztransaktionen, die bislang über Intermediäre abliefen, könnten künftig direkt zwischen den Beteiligten abgewickelt werden.
Quelle: World Economic Forum
Die kleine Software-Schmiede Slock.it hat sich bereits seit Längerem komplett auf die Blockchain ausgerichtet. Das Start-up mit Sitz im sächsischen Mittweida beschäftigt derzeit sieben Mitarbeiter, die ein Framework für die Sharing Economy auf Basis der Blockchain entwickeln. Die Universal Sharing Platform soll eine Plattform für das Internet der Dinge werden, mit der sich ungenutzte Rechen- und Serverkapazitäten, aber auch Parkplätze, Schliessfächer, Fahrräder und vieles mehr vermieten lassen.

Die Blockchain

Erstmals 2008 als Grundlage der Krypto-Währung Bitcoin in Erscheinung getreten, zieht die Blockchain-Technologie inzwischen weite Kreise.
Die Idee der Blockchain hat viele überzeugt. So rechnen etwa die Experten von Roland Berger damit, dass die Technologie bereits in drei bis fünf Jahren eine breite Nutzung erfahren  wird. Die Unternehmensberatung hat soeben die Studie „Enabling decentralized, digital and trusted transactions“ veröffentlicht. Die Untersuchung zeigt, dass auf Basis der Blockchain viele neue Geschäftsmodelle entstehen können, nicht nur in der Finanzindustrie. Aber wa­rum ist das so?
“„Die Blockchain ändert die Art, wie weltweit Geschäfte gemacht werden.“„
Wolfgang Hach
Partner bei Roland Berger
Im Grunde ist die Blockchain nichts anderes als ein dezentrales, öffentliches Buchhaltungssystem zum Protokollieren und Beglaubigen von Transaktionen, das durch den Einsatz von Kryptografie-Software geschützt wird. Dabei entsteht ein Protokoll aller Transaktionen, der sogenannte Distributed Ledger. Diese Art öffentliches Kassenbuch wird auf den Computern der Teilnehmer gespeichert, sodass kein einzelner Nutzer die Kontrolle über die Transaktionen an sich reissen kann.
Jeder Block in der Blockchain enthält dabei Verweise auf den vorherigen Block und die gesamte Kette (Chain) in Form von Prüfsummen. So lange die Mehrheit der Teilnehmer eine Transaktion bezeugt, gilt diese als beglaubigt und ist unveränderbar. Blockchain-Transaktionen erfolgen ausserdem direkt zwischen den einzelnen Marktteilnehmern (Peer-to-Peer, P2P) und damit schneller als traditionelle Vertragsabschlüsse und Transfers von Geld.
Die Blockchain-Technologie hat inzwischen einen weiteren wichtigen Schritt vollzogen: Weiterentwickelte Blockchains ermöglichen sogenannte Smart Contracts – programmierte Verträge.
Smart Contracts enthalten eigene Daten und vor allem selbstausführenden Code. Mit ihnen lassen sich zum Beispiel P2P-Transaktionen direkt und ohne zentrale Abrechnungsstelle durchführen, automatische Zahlungsvorgänge zwischen zwei oder mehr Parteien erledigen, Verzeichnisse von Eigentumsrechten erstellen, aber auch Dokumente beglau­bigen oder nutzungsabhängige Lizenzmodelle ent­wickeln.

Framework für Sharing Economy

Sesam öffne dich: Slock.it hat unter anderem den Prototypen eines intelligenten Türschlosses entwickelt, dessen Steuerung über die Blockchain erfolgt.
Quelle: Slock.it
„Was man abschliessen kann, das kann man auch vermieten“, beschreibt Christoph Jentzsch die Idee hinter Slock.it. Mit dem Framework, das das Unternehmen entwickelt, sollen sich nahezu beliebige vernetzte Dinge im Internet of Things vermieten lassen. Unter anderem kann Slock.it damit intelligente Tür- oder Vorhängeschlösser in die Blockchain integrieren. Smart Contracts regeln dann Punkte wie den Kautionspreis oder die Kosten, die für die Nutzung anfallen.
Eines der ersten in die Tat umgesetzten Projekte, bei dem das Framework zum Einsatz kommt, ist Share & Charge, das zusammen mit der RWE-Tochter Innogy entwickelt wurde. Share & Charge will das zentrale Netzwerk für sämtliche Arten von Ladestationen werden. In einem ersten Schritt möchte Innogy Fahrern von Elektroautos Zugang zu den vielen bislang nur privat genutzten Ladestationen ermöglichen, die es in Deutschland gibt. Die Besitzer der Ladestationen profitieren dann ihrerseits von einer besseren Auslastung ihrer Infrastruktur.
Slock.it hat zusammen mit Innogy für Share & Charge bereits eine Smartphone-App für iOS und Android entwickelt, mit der sich Strom-Tankstellen vermieten und finden lassen. Bislang besteht das Netz vor allem aus den mehr als tausend Ladestationen, die Innogy selbst betreibt. Es soll aber möglichst schnell um privat betriebene Ladestationen erweitert werden.
Quelle: CoinMarketCap
Das Slock.it-Framework würde sich Christoph Jentzsch zufolge auch eignen, um die boomende Paketzustellung zu verbessern. So könnte der Paketbote mit Hilfe der Blockchain Zugang zu einem für die Allgemeinheit versperrten Raum erhalten, in dem er die Pakete ablegt. Jentzsch denkt dabei sogar schon an den Kofferraum von Autos, den ihre Besitzer für die Paketzustellung vermieten könnten.
Als weiteres Szenario nennt Jentzsch die Plattform Airbnb, auf der Privatleute ihre Wohnung an Interessenten aus der ganzen Welt vermieten können. Allerdings dürfte nicht jeder die Vermietung seiner Wohnung der Blockchain und einer anonymen App überlassen wollen. Nicht ohne Grund bietet Airbnb umfangreiche Möglichkeiten für Vermieter und Mieter, sich gegenseitig zu bewerten und Vertrauen aufzubauen. Dieses Problem würde sich laut Jentzsch durch höhere Kautionen oder Whitelists mit überprüften Interessenten lösen lassen. Hier bleibt abzuwarten, ob die Vermieter mitspielen.
Noch mehr Sicherheit soll deswegen eine Zusammenarbeit mit SafeShare Insurance bringen. Das Unternehmen mit Sitz in London hat sich auf Versicherungsleistungen für die Blockchain spezialisiert. Laut Stephen Tual, Mitgründer und Chief Operating Officer (COO) von Slock.it, braucht man diese Leistung insbesondere bei höherwertigen Objekten, die vermietet werden sollen. „Mit SafeShare zahlt der Nutzer nur für die Versicherung, die er wirklich benötigt.“
Auch die Experten von Roland Berger sind überzeugt, dass sich Versicherungsfälle mit Hilfe der Blockchain effizient regeln lassen. Versicherungen könnten zum Beispiel im Liefer- und Speditionsverkehr anhand der Fahrer- und Fahrzeugdaten massgeschneiderte Policen anbieten, die festhalten, wie eine Ware verladen und transportiert wird und wer bis zu welchem Zeitpunkt haftet. Über intelligente Sensoren könnten Schäden erfasst und der Versicherung gemeldet werden. „All das erhöht die Kundenzufriedenheit, senkt die Kosten, die den Versicherern für verschiedene Dienstleister entstehen, und lässt sich gut mit anderen digitalen Lösungen, die heute schon entstehen, kombinieren“, so Wolfgang Hach. Darüber hi­naus ermögliche es die Blockchain, Dokumente unveränderbar, mit Zeitstempel und nachverfolgbar digital zu speichern. Dadurch liessen sich Zahlungen schneller anstossen und Warenlieferungen beschleunigen.

Ethereum als Basis

Share-&-Charge-App: Rund um München finden sich bereits zahlreiche Ladesäulen, an denen Fahrer ihre Elektroautos mit Unterstützung der Blockchain laden können.
Quelle: Innogy
Technisch basiert das Framework von Slock.it auf der Ethereum-Blockchain. Die dezentrale Plattform wird von einer Stiftung in der Schweiz vorangetrieben, die im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne finanziert wurde, bei der mehr als 18 Millionen Dollar eingesammelt werden konnten. Ethereum verfügt über eine eigene Krypto-Währung namens Ether. Ende April 2017 betrug die Marktkapitalisierung dieser Ether nach Angaben der Webseite CoinMarketCap bereits knapp 6,3 Milliarden Dollar. Bitcoin bringt allerdings noch mehr Geld auf die Waage. Hier waren im April 21,5 Milliarden Dollar im Umlauf.
Nach Aussage von Jentzsch ist Ethereum „eine Art Weltcomputer, der vieles möglich macht“. Neben den Ether bietet Ethereum deutlich mehr: Ethereum ist eine Plattform zum Ausführen der Smart Contracts. Damit lassen sich Verträge technisch abbilden und mit der Blockchain verknüpfen. Slock.it hat beispielsweise den Smart Contract „The DAO“ (Dezentralisierte autonome Organisation) entwickelt und in die Ethereum-Blockchain implementiert. The DAO soll eine autonome und automatisierte Investmentfirma sein, die ohne konventionelle Entscheidungsgremien wie einen Vorstand auskommt. The DAO zeigt aber auch die Schwierigkeiten, mit denen die junge Blockchain-Branche noch zu kämpfen hat: Im Sommer 2016 war es einem Unbekannten gelungen, durch einen Fehler im Smart Contract rund 3,6 Millionen Ether unbrauchbar zu machen. Es soll ein Schaden von mehr als 65 Millionen Euro entstanden sein.
Ein weiteres Beispiel für einen Smart Contract, der in Ethereum integriert wurde und von Slock.it genutzt wird, ist Uport. Das Unternehmen entwickelt eine weltweite Identitätslösung auf Basis der Blockchain, bei der die Nutzer Herr über ihre Daten bleiben sollen. Slock.it will die Uport-Dienste verwenden, damit sich die Nutzer am System anmelden können. Das hat laut Firmengründer Jentzsch den grossen Vorteil, dass Slock.it keine eigene Identitätslösung entwickeln muss.
Auf die Zukunft an­gesprochen, zeigt sich Jentzsch optimistisch. Man habe sehr viele Anfragen von grossen Konzernen.

Interview mit Slock.it-CEO Christoph Jentzsch

Christoph Jentzsch, Mitgründer und CEO von Slock.it
Quelle: Slock.it
Das Start-up Slock.it entwickelt ein Framework für die Sharing Economy auf Basis der Blockchain. Mit Christoph Jentzsch, Mitgründer und CEO von Slock.it, spricht com! professional da­rüber, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben.
com! professional: Was genau hat man sich unter einem Smart Contract in der Blockchain vorzustellen?
Christoph Jentzsch: Mit einem Smart Contract können zum Beispiel Personen, die etwas vermieten wollen, und Personen, die etwas mieten wollen, zusammenfinden. Das ist die Grundidee. Smart Contracts sind im Wesentlichen Code-Schnipsel, mit denen Sie nahezu beliebige Bedingungen festlegen können. Sie selbst bestimmen, wie zwei oder mehr Parteien miteinander interagieren.
com! professional: Können Sie ein Beispiel nennen?
Jentzsch: Wir haben zum Beispiel einen Smart Contract für die Sharing Economy geschrieben, bei dem sich eine Kautionssumme sowie ein Preis pro Stunde oder Tag festlegen lässt. Die andere Seite, die etwas mieten möchte, kann der geforderten Kaution dann zustimmen, um ein bestimmtes Schloss öffnen zu können. Das kann sich auch an einem Fahrrad oder einem Auto befinden. Nach der Nutzung bekommt der Mieter seine Kaution abzüglich der angefallenen Kosten zurück. Die gesamte Logik dieses Vertrags und das Payment werden auf der Ethereum-Blockchain abgewickelt und nicht von Slock.it. Wir verbinden den Vermieter und den Mieter also über die Blockchain.
com! professional: Gibt es schon erste praktische Umsetzungen?
Jentzsch: Die erste ist Share & Charge. Dabei haben wir Ladesäulen für Elektroautos in die Blockchain eingebunden und eine passende App gebaut. Das ist Ende April live gegangen und kann nun von der Allgemeinheit genutzt werden.
com! professional: Bei Ladesäulen kann man sich relativ leicht vorstellen, dass man sie an unbekannte Menschen vermietet. Wie sieht es aber aus, wenn jemand seine Wohnung wie bei Airbnb vermieten will? Will ein Vermieter wirklich komplett die Kontrolle darüber verlieren, an wen er vermietet?
Jentzsch: Muss er ja nicht. Das ist nur eine Möglichkeit. Er könnte Whitelists mit einer Liste von Adressen nutzen, die vollständig identifiziert sind, und nur denen erlaubt er, seine Wohnung zu mieten. Wenn wirklich etwas zu Schaden kommt oder wenn es einen Rechtsstreit gibt, dann hat er die Daten und kann etwas unternehmen. Es kommt immer auf den speziellen Anwendungsfall an. Die Rahmenbedingungen kann der Vermieter selbst festlegen. Eine andere Möglichkeit wäre, eine sehr hohe Kaution zu verlangen. Letztlich hängt alles von den jeweiligen Einstellungen der Nutzer ab, wir wollen ihnen das auch gar nicht vorschreiben. Wir bauen nur die Plattform für die Sharing Economy.
com! professional: Eine Frage zur Technik: Das Framework von Slock.it basiert auf der Ethereum-Blockchain. Wieso verwenden Sie diese Blockchain als Grundlage für Ihre Plattform?
Jentzsch: Ethereum bietet nicht nur die Smart Contracts, sondern hat auch den Vorteil der Grösse des Netzwerks und der Interoperabilität mit anderen Diensten. Das ist für mich eigentlich sogar noch ausschlaggebender. Ethereum ist wie ein Weltcomputer, der vieles möglich macht. Dazu kommt die virtuelle Währung Ether. Das ist programmierbares Geld, das wir ebenfalls einsetzen.
com! professional: Muss sich jemand, der etwa eine Ladesäule mieten oder vermieten will, mit einer virtuellen Krypto-Währung wie Ether beschäftigen oder kann er bei den gewohnten Euro
bleiben?
Jentzsch: Momentan haben wir die Lösung mit Euro umgesetzt. Dazu haben wir einen virtuellen Coin entwickelt, der im Wert genau einem Euro entspricht. Dieser Coin wird zentral gemanagt und nicht wie eine klassische Krypto-Währung dezentral. Die Abrechnung und die Buchhaltung erfolgen aber ebenfalls auf der Blockchain.
com! professional: Kann sich das noch ändern?
Jentzsch: Ja, das kann sich noch ändern, wenn sich Krypto-Währungen breiter durchsetzen. Momentan sind die meisten Anwender aber mit Euro und Dollar zufrieden. Das ist auch in Ordnung so. In naher Zukunft wird das wahrscheinlich so bleiben. Anders sieht es aus, wenn wir von Maschine-zu-Maschine-Kommunikation sprechen. Dann bezahlt etwa nicht mehr der Mensch die Ladesäule, sondern gleich sein Auto. Der Mensch muss das dem Auto nur in den Einstellungen erlauben. Dadurch spart er sich zum Beispiel Transaktionsgebühren, die für Umrechnungen anfallen.




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