Die Blockchain automatisiert das Vertragswesen

Digitalisierte Verträge

Verifizierbar: Dank smarter Preisetiketten mit Anbindung an smarte Verträge sollen Verbraucher die Herkunft von Bekleidung zurückverfolgen können.
In den vergangenen Jahren haben Unternehmen damit begonnen, bereits geschlossene Vereinbarungen konsequent zu digitalisieren und in internen Datenbanken zu erfassen. Doch auch spezialisierte Software zur Verwaltung von Vertragslebenszyklen (Contract Lifecycle Management, CLM) bedarf zwingend der menschlichen Kontrolle. So ist eine CLM-Software beispielsweise nicht in der Lage, auf Ereignisse in der realen Welt autonom zu reagieren.
Blockchain-Technologie mit Anbindung an IoT-APIs und Möglichkeiten automatischer Rechtdurchsetzung sollen hier Abhilfe schaffen.
Was aber, wenn die Vertragspartner vor Gericht gehen? Dann nämlich hilft ein smarter Vertrag in Form von Software-Code wenig, warnt Casey Kuhlman, Geschäftsführer von Monax. Dies gelte sogar für relativ gut verständlichen Code wie EtherScript von Ethereum.
Würde ein Unternehmen einen solchen Vertrag als Beweisstück vorlegen, würden die Richter nur mit dem Kopf schütteln. Als Lösung empfehle sich die duale Integration: Smarte Verträge müssten gleichzeitig einmal in Code und einmal in menschlicher Sprache verfasst werden.
Nikolas Guggenberger, der sich am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster mit den juristischen Implikationen von smarten Verträgen auf Blockchain-Basis befasst, sieht hier noch weitere Problemfelder. Er unterstreicht, dass sich „zwischen Automatisierung und Einzelfallgerechtigkeit Konflikte ergeben“ können. Daher fordert Guggenberger die Sicherung rechtlicher Grundprinzipien und eine innovationsoffene Modernisierung des deutschen Rechts.
Professor Nikolas Guggenberger
“„Zwischen Automatisierung und Einzelfallgerechtigkeit können sich Konflikte ergeben.“„
Prof. Nikolas Guggenberger
Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster

Beispiele aus der Praxis

Die Finanz- und Versicherungsbranche sowie  die globale Versorgungskette zählen zu den ersten Anwendungsfeldern für smarte Verträge, doch sind das längst nicht die einzigen. Das zeigen die folgenden Beispiele:
Musikindustrie: Firmen wie Peertracks und Ujo arbeiten an smarten Verträgen für die Mu­sik­branche. In einem smarten Vertrag wird unter anderem vermerkt, wer welche Rechte an einem Song hat, unter welchen Bedingungen ein Song abgespielt werden darf und wie die Erlöse hieraus zu verteilen sind. Mit jedem Verkauf eines Songs rechnet der smarte Vertrag automatisch die Beträge aus und schüttet sie an die beteiligten Künstler und sonstige Rechte­inhaber selbstständig aus – ohne Mittelsmann, ohne Zwischenstelle, ohne die üblichen Verzögerungen und Kosten.
Urheberrecht: Stampd.io verschafft dem Urheber eines digitalen Werks den Nachweis über den Besitz der digitalen Kopie zu einem bestimmten Zeitpunkt. Das Besondere daran: Die Krypto-Beurkundung erfolgt ohne jeden Zugriff auf die Inhalte der betreffenden Dateien und ermöglicht so deren unbestreitbare Geheimhaltung.
Versicherung: Ein Beispiel dafür, dass smarte Verträge nicht nur bei digitalen Gütern, sondern auch bei Dienstleistungen stark im Kommen sind, ist das in New York ansässige Insurtech-Start-up Lemonade. Es unterstützt das Einreichen von Versicherungsansprüchen per mobiler App. Die Ansprüche sollen dabei innerhalb von drei Minuten bearbeitet werden – inklusive der automatischen Zahlungsabwicklung.
Aktienhandel: Das Unternehmen Symbiont möchte komplexe Finanzinstrumente in einer leicht verständlichen Programmiersprache entwickeln und vollständig in einem verteilten Ledger digitalisieren. Mit der Smart-Securities-Technologie von Symbiont soll es bereits möglich sein, komplexe Instrumente und vertragliche Vereinbarungen auf Distributed- Ledger-Basis zu modellieren. Die Lösung unterstützt sowohl manuell eingeleitete Unternehmensentscheidungen, etwa die Ausgabe von Aktien oder die Ausschüttung einer Dividende, als auch automatische, sich vollständig selbstausführende Ereignisse wie die Vergütung von Vorstandsmitgliedern mittels Optionen oder Aktien. Der US-Bundesstaat Dela­ware erkennt Symbionts Blockchain bereits als akzeptable Form der Aufzeichnung von Aktienbesitz an.
Kreditmarkt: Synaps, ein Joint-Venture zwischen Symbiont und dem Finanzdatenanbie­ter Ipreo Holdings, entwickelt eine Plattform zur Abwicklung des Handels mit Bankdarlehen im Konsortialkreditmarkt unter Verwendung smarter Verträge. Die Lösung unterstützt unter anderem das Abwickeln von Leerverkäufen, sogenannten Short Sales, und die algorithmische Bewertung der Handelsberechtigung eines Agenten. Sie kann jede Kreditgenehmigung wie auch -verweigerung in der Blockchain erfassen.
Supply Chain: Das Start-up Provenance hat sich zum Ziel gesetzt, die Nachverfolgung der Herkunft von Produkten und Rohstoffen mit Hilfe von DLT-Technologie zu revolutionieren. Unternehmen sollen so die Authentizität ihrer Produkte gegenüber dem Endverbraucher einfacher nachweisen können. Mit diesem Ziel vor Augen gewährt die Plattform dem Verbraucher einen Einblick in die Fair-Trade-Handelsbedingungen mit jedem einzelnen Lieferanten.

Fazit

Unser Streifzug durch die Blockchain-Welt belegt: Smarte Verträge sind im Aufwind. Obwohl bereits an vielen Ecken da­ran gearbeitet wird, sind vor einem breiten Einsatz in der Praxis allerdings noch einige Hürden zu überwinden. Beispiele aus den unterschiedlichsten Branchen machen aber schon klar, wohin die Reise geht.




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