Fotosoftware
25.01.2019, 11:25 Uhr
Test: Capture One Pro 12
Ebenen, Helligkeitsmasken, kein Abo nötig: Capture One Pro 12 hat gute Argumente, um Lightroom-Fans zu konvertieren.
Phase One kennt man primär für seine exzellenten, aber auch astronomisch teuren Mittelformat-Kameras. Entsprechend ist es kein Wunder, dass sich das Unternehmen in Sachen Qualität auskennt. Die neuste Version von Capture One Pro ist hier keine Ausnahme. Mit lang ersehnten Funktionen und einigen spannenden Innovationen will sich die Software an die Spitze des Marktes katapultieren. Kein einfaches Unterfangen in einer von Adobe dominierten Welt. Aber Capture One Pro 12 hat durchaus ein paar schlagkräftige Argumente auf seiner Seite.
Das ist neu
Beginnen wir mit den Neuerungen gegenüber Capture One Pro 11. Phase One hat die neuste Version seiner Foto-Software mit einigen Funktionen bestückt, welche sich die bestehenden Nutzer schon seit einiger Zeit wünschten. Allem voran die neuen Maskenfunktionen. Die lineare Verlaufsmaske bietet neue Kontrollmethoden für den Nutzer. Unter anderem können die Masken auch asymmetrisch angebracht werden. Mehr Kontrolle über die Masken ermöglicht diverse Editieroptionen, für die sonst eine Zusatz-Software wie Photoshop nötig gewesen wäre. Einen Schritt weiter geht Phase One mit den neuen Helligkeitsmasken. Capture One Pro 12 kann per Mausklick eine Maske erstellen, die ein bestimmtes Luminanzspektrum abdeckt. Beispielsweise können Sie so einfach eine Maske aus allen Mitteltönen in einem spezifisch definierten Spektrum erstellen. Die Einstellungen dafür sind intuitiv und leicht erlernbar, was für eine so kraftvolle Funktion nicht selbstverständlich ist. Zuletzt fügt Capture One Pro 12 ovale Verlaufsmasken hinzu, eine Funktion, die man bei bisherigen Versionen der Software schmerzlich vermisste.
Das zweite grosse Update gibt es beim Interface. Phase One hat die Oberfläche von Capture One für Version 12 grundlegend überarbeitet. Die schlechte Nachricht zuerst: Capture One Pro ist nicht über Nacht einfach geworden, aber einfacher. Capture One Pro ist nach wie vor eine Profi-Software und muss als solche ein breites Angebot an Funktionen irgendwie auf den Bildschirm packen. Das funktioniert nicht ganz ohne Komplexität. So ist auch das neue Interface von Capture One Pro kompliziert und erst mit Übung wirklich übersichtlich. Die Software bietet aber diverse Möglichkeiten, die Oberfläche individuell anzupassen. So können praktisch alle verfügbaren Funktionen in eigene Reiter gepackt werden. Funktionen, die man nie braucht, packt man so einfach zur Seite und stellt sich mit dem Rest einen individuellen Workflow zusammen. Für Umsteiger von Lightroom bietet Capture One sogar einen «Lightroom-Modus». In diesem wird die Oberfläche so nah wie möglich an diejenige von Adobes Foto-Software angeglichen. Das Grundkonzept der beiden Programme bleibt natürlich verschieden, aber rein für das Bearbeiten kommt der Lightroom-Modus dem Vorbild ziemlich nahe.
Neben den beiden grossen Updates gibt es in Capture One Pro 12 einige kleinere Neuerungen, die ebenfalls nicht ganz ohne sind. Neu unterstützt Capture One Plug-ins. So können Drittanbieter ihre Werkzeuge auch für Capture One zur Verfügung stellen. Hier wird es eine Weile dauern, bis sich herauskristallisiert, ob die Funktion auch wirklich genutzt wird und ein gesundes Ökosystem entsteht. Die Ergänzung an sich ist aber auf jeden Fall positiv.
Capture One hat zudem verstanden, dass seine Software vor allem bei eher alternativen Nutzern grossen Anklang gefunden hat. Gerade Fujifilm- und Sony-Nutzer sind unter den Capture-One-Nutzern anteilsmässig übervertreten. Das fängt Phase One sowohl mit günstigeren Lizenzen für exklusive Fuji- oder Sony-Nutzer auf, aber auch mit den neuen Filmsimulationen für Fujifilm. Dabei handelt es sich um die offiziellen Filmsimulationen, die bereits auf den Fujifilm-Kameras sehr beliebt sind. Nur halt als optionales Entwicklungswerkzeug für RAW-Dateien, nicht als fester JPG-Stil.
Das kann Capture One Pro sonst noch
Natürlich ist nicht alles in Capture One Pro 12 neu. Die Software bietet bereits ausgereifte Verwaltungs- und Bearbeitungsfunktionen für Fotografen an. In Sachen Verwaltung ist Capture One Pro sogar einer der grössten Konkurrenten für Adobe Lightroom. Die meisten Konkurrenten sind entweder stark in der Verwaltung oder in der Bearbeitung. Capture One Pro ist eines der wenigen Programme, das in beiden Belangen mithalten kann. Die Verwaltungsfunktionen von Capture One sind nicht ganz so ausführlich wie bei Lightroom, aber für eine grosse Mehrheit der Fotografen ausreichend. Beim Import können diverse Aktionen durchgeführt werden. Beispielsweise das Anheften von Tags oder das Umbenennen der Dateien. Auch können Sie Dateien an verschiedenen Orten importieren, auch am Ursprungsort. Praktisch: Importieren Sie Fotos an Ihrem Ursprungsort, um die Original-Ordnerstruktur zu erhalten. Mit der Backup-Funktion kopiert Capture One alle importierten Bilder zugleich an einen von Ihnen festgelegten Ort. Oder Sie importieren Bilder direkt ab Kamera auf Ihren PC und kopieren die Bilder zeitgleich auf eine externe Festplatte.
Zum Bewerten und Markieren verwendet Capture One Pro 12 etwa die gleichen Werkzeuge wie Lightroom: Sternebewertungen, Farben und Tags. Die Flaggen für «Annehmen» und «Ablehnen» fehlen hingegen. Alternativ dazu können Sie sämtliche abgelehnten Bilder mit einer Farbe markieren oder diese schlicht nicht bewerten. Die entsprechenden Filter sind einfach zugänglich auf der linken Seite der Software, deutlich weniger umständlich als bei Lightroom.
Anders als bei der Adobe-Konkurrenz gibt es bei Capture One Pro keine Modi wie «Bibliothek» und «Bearbeiten». Alles findet im gleichen Fenster statt. Die unterschiedlichen Funktionen sind in einer Reihe von Reitern versteckt. Die Anzahl der Funktionen pro Reiter ist absichtlich limitiert. Denn bei Capture One Pro können Sie nicht nach unten scrollen. Öffnen Sie eine Funktion, die mehr Platz als auf dem Bildschirm verfügbar einnimmt, schliesst sich eine andere. Üblicherweise diejenige, die bereits am längsten offen war. Das ist nicht wirklich intuitiv und zwingt einen dazu, mehrere Reiter für die Bearbeitung zu verwenden, statt alle in eine scrollende Leiste zu packen.
Das Bearbeiten selbst geht flott von der Hand, sobald man sich an die neue Bedienung gewöhnt hat. Eine der grössten Stärken von Capture One Pro ist die Verwendung von Ebenen und Masken. Adobe verbaut diese Funktionen nicht in Lightroom, um Photoshop nicht intern zu konkurrenzieren. In Capture One Pro ist das kein Thema. Sie können nach Lust und Laune Ebenen, Masken und andere erweiterte Bearbeitungsmethoden direkt in der App verwenden. So wird Capture One Pro nicht nur zu einem Lightroom-Ersatz, sondern ersetzt für fotografische Zwecke auch Photoshop.
Clever ist auch die Kopierfunktion für Bearbeitungen. Mit einem einfachen Klick können Sie vorgenommene Bearbeitungen in den Zwischenspeicher packen und einfach mit einem zweiten Klick auf ein anderes Bild übertragen. So weit, so üblich. Sie können jedoch auch Änderungen live zwischen mehreren Bildern synchronisieren. Markieren Sie dazu einfach die gewünschten Bilder, schalten Sie eines davon gross und aktivieren Sie den Synchronisationsknopf oben rechts. Vorgenommene Änderungen werden so automatisch auf alle angewählten Bilder übertragen: Eine extrem praktische Funktion für Fotojournalisten und andere Fotografen, die grosse Mengen an Bilder schnell bearbeiten müssen.
Für Fuji-Nutzer ist Capture One noch durch ein weiteres Detail interessant: Lightroom-Nutzer mit Fujifilm-Kameras sind nicht durchs Band zufrieden mit dem Rendering von RAF-Dateien (Fuji-RAW) durch Lightroom. Gerade in Bildern mit Laub und ähnlichem Grünzeug fällt in Lightroom ein Effekt auf, der ein wenig an Ölgemälde erinnert. Einigen Nutzern gefällt der Stil, vielen nicht. Capture One rendert Fuji-RAWs deutlich präziser als Lightroom. Phase One bietet sogar einen günstigeren Tarif für Fujifilm- und Sony-Nutzer an. Diese Version von Capture One Pro unterstützt nur Kameras des jeweiligen Herstellers, kostet dafür aber grob einen Drittel weniger. Keine Option für unser Testcenter, aber durchaus interessant für alle, die sowieso nur mit einer Kamera unterwegs sind.
Generell ist das Geschäftsmodell von Capture One Pro 12 sehr vielseitig. Sie können die Software mit einer einmaligen Zahlung von 329 Franken kaufen. Alternativ gibt es Capture One Pro auch als Abo, für 198 Franken pro Jahr. Da etwa jährlich eine neue Version von Capture One Pro erscheint, sparen Sie mit dem Abo ordentlich im ersten Jahr. Dank vergünstigter Upgrade-Preise sind beide Varianten ab dem zweiten Jahr etwa gleichauf, vorausgesetzt, Sie bezahlen monatlich. Ein vorausbezahltes Jahres-Abo ist die günstigste Variante. Eine 30-Tage-Testversion ist verfügbar. Schön: Seit Version 12 können Sie von allen vorhergehenden Capture-One-Versionen vergünstigt upgraden. Allerdings sind Upgrades von Version 10 und 11 etwas günstiger als von Version 9 und älter.
Wo fehlt es noch? Fazit und Bewertung
Wo fehlt es noch?
Capture One Pro 12 ist eine ausgezeichnete Software, aber nicht perfekt. Lightroom ist Capture One nach wie vor bei der Verwaltung überlegen. Die Integration von Lightroom in andere Software und Webdienste ist noch unerreicht. Möglicherweise können Plug-ins hier helfen, das muss sich aber erst zeigen. Das Interface von Capture One Pro könnte ebenfalls noch ein wenig Arbeit vertragen. Die Reiter zum Wechseln der Werkzeuge sind enorm wichtig, aber auch sehr klein und gehen leicht unter. Ebenfalls schön wäre die Möglichkeit, die Werkzeugleiste zu scrollen. Dann wäre auch die Anpassbarkeit der Werkzeugleiste noch besser. Aktuell zwingt einen die Software praktisch dazu, wenige Tools in einen Reiter zu packen, da man sonst nur ein Tool oder zwei davon überhaupt offen haben kann.
Ein Punkt, an dem Capture One Pro selbst nicht direkt etwas ändern kann, ist die Beliebtheit. Natürlich ist Beliebtheit per se kein guter Gradmesser für die Qualität einer Software. Allerdings bringt sie einige Vorteile mit sich: Wer nach einer guten Lightroom-Anleitung sucht, findet tonnenweise Inhalte. Entsprechendes Material zu Capture One Pro ist deutlich rarer. Ebenso bieten viele bekannte Fotografen Voreinstellungen an, die aber nur in Lightroom funktionieren. Ähnlich, wie wenn man sich eine Handy-Hülle kaufen möchte: Für Apple und Samsung gibt es zuhauf, alle anderen haben wenig Auswahl.
Die wohl grösste Lücke an Funktionen ist der Mangel an Bracketing-Werkzeugen. Fans von HDR, Focus-Stacking oder automatischen Panoramen müssen sich dafür externe Software suchen. Das wäre vor ein paar Jahren noch weniger ein Problem gewesen, da damals keine grössere Foto-Software eine wirklich gute Stacking-Funktion anbot. Allerdings ist die Automatische-HDR-Funktion von Lightroom mittlerweile sehr ausgereift und Macphuns Luminar bietet mit Aurora HDR eine massgeschneiderte Zusatzapplikation an. Vielleicht kommt das ja in Capture One Pro 13.
Fazit
Capture One Pro 12 ist eine Wucht einer Software. Für anspruchsvolle Fotografen gibt es keine einzelne Applikation, die so viele Möglichkeiten in einer so hohen Qualität bietet. Nur Adobe mit der Lightroom/Photoshop-Kombination kann mehr. Die grösste Hürde für Capture One Pro 12 ist die Nutzeroberfläche. Die Massen sind sich die unvergleichliche Einfachheit von Lightroom gewöhnt und trotz viel Engagement von Phase One bleibt der Umstieg harzig. Falls Sie noch nicht zu tief im Adobe-Ökosystem verwurzelt sind, ist Capture One eine exzellente Wahl für anspruchsvolle Fotografen, die das meiste aus ihren Bildern holen möchten. Es sei denn, Sie mögen HDR.
Capture One Pro 12
Positiv: Bearbeitungswerkzeuge, Bildqualität, Preismodelle
Negativ: Oberfläche, kein HDR-Stacking
Details: RAW-Converter und Fotobearbeitung für Windows und macOS, mit Masken und Ebenen
Strassenpreis: ab Fr. 329.–
Info: phaseone.com
Negativ: Oberfläche, kein HDR-Stacking
Details: RAW-Converter und Fotobearbeitung für Windows und macOS, mit Masken und Ebenen
Strassenpreis: ab Fr. 329.–
Info: phaseone.com