Digitalkamera
18.07.2018, 08:45 Uhr
18.07.2018, 08:45 Uhr
Test: Sony RX100 VI
Das enorme Zoom und der neue Sucher beschämen ihre Vorgänger.
Einleitung
Seit der Einführung der ersten Sony RX100 im Jahr 2012 geniesst diese Serie die Aufmerksamkeit der Branche. Keine andere Kamera bietet so viele Funktionen auf engstem Raum. Ihre Abmessungen entsprechen den früheren Billig-Knipsern, die man sich kaufte, weil man «einfach etwas Handliches» dabeihaben wollte. Auch die RX100 VI passt in jede Jackentasche, doch von billig ist hier keine Rede: Der Strassenpreis liegt bei knapp 1500 Franken.
Damit ist die Zielgruppe definiert: Anspruchsvolle Fotografen, die das Smartphone nur im Notfall zücken und lieber eine «richtige Kamera» dabeihaben wollen, die jedoch möglichst klein sein soll. Zu den weiteren Charakterzügen gehören die Abneigung gegen Kompromisse sowie die Bereitschaft, ein wenig tiefer in die Tasche zu greifen.
Eine von vielen – aber nicht die Beste für alle
Allerdings ist es mit der Wertbeständigkeit dieser Serie nicht weit her, denn Sony drückt die neuen Modelle in einem fast schon unanständigen Tempo in den Markt. Sechs Jahre nach der Vorstellung sind wir bereits bei der sechsten Generation (römisch VI) angekommen – und nichts deutet darauf hin, dass sich Sony 2019 eine Pause gönnen wird.
Weil aber die Modelle so schnell wechseln, sind die technischen Unterschiede oft nur in den Details zu suchen. Natürlich wurden die Kameras immer wieder verbessert – aber das heisst nicht, dass diese Neuerungen für alle Fotografen gleichermassen interessant sind.
Finde die Unterschiede
Es lohnt sich also auf jeden Fall, vor dem Kauf einen Blick auf die Geschwister zu werfen – also auf sämtliche (!) Vorgängermodelle, die nach wie vor im Handel sind. So kostet die RX100 V, also die direkte Vorgängerin, «nur» noch etwa 950 Franken – und dann geht es abwärts bis hin zur Ur-Version für ca. 350 Franken. Wenn Sie jedoch zur Version III oder noch tiefer greifen, teilen jene Modelle mit dem aktuellen Gerät nur noch rudimentäre Gemeinsamkeiten.
Tipp: Um zum richtigen Modell zu greifen, helfen nur zwei Dinge: Eine Liste mit den Eigenschaften, die Ihnen wichtig sind, sowie die Datenblätter der einzelnen Modelle. Die Details finden Sie auf der Sony-Website über diesen Link. Ignorieren Sie dort die offiziellen Mondpreise: Die erste RX100 wird bei Sony zum Beispiel mit 659 Franken angeboten, doch bei Brack oder Digitec kostet sie zurzeit etwas mehr als die Hälfte, nämlich 349 Franken.
Die wichtigsten Neuerungen
Den Test zur Sony RX100 V finden Sie hier, jenen zur Sony RX100 IV an dieser Stelle. Im Folgenden wollen wir uns nur den wichtigsten bekannten Eigenschaften widmen und vor allem die Neuerungen gegenüber der Sony RX100 V herausschälen, also dem direkten Vorfahren.
Das Zoom
Es ist kaum zu glauben, aber Sony hat es tatsächlich geschafft, den eh schon eindrucksvollen Zoombereich der winzigen Kamera zu verdreifachen! Die meisten Käufer waren wahrscheinlich mit den gebotenen 24–70 Millimetern (umgerechnet auf KB) ganz zufrieden, auch wegen des ausgeprägten Weitwinkels.
Die Untergrenze von 24 Millimetern gilt zwar auch bei der RX100 VI, doch das Tele hat sich auf satte 200 Millimeter verlängert. Der Vergleich von oben nach unten zeigt das unveränderte Weitwinkel, die maximale Tele-Brennweite des Vorgängers und das neue 200-Millimeter-Tele der RX100 VI:
Unter dieser Verlängerung musste allerdings die maximale Lichtstärke ein wenig leiden, die sich von ƒ1.8–2.8 auf ƒ2.8–-4.5 reduziert – ein Kompromiss, den nicht nur Reisefotografen bestimmt gerne in Kauf nehmen.
Der Sucher
Zu den Eigenheiten der RX100-Serie gehört auch der versenkbare Sucher, der bei Bedarf aus dem Gehäuse geholt wird. Leider war das bis anhin eine ziemliche Fummelei, weil das Okular nach dem Ausfahren manuell in seine Position gezogen und nach Gebrauch wieder zurückgeschoben werden musste.
Bei der RX100 VI sind das nur noch böse Erinnerungen, die langsam verblassen. Der neue Sucher springt auf Knopfdruck in seine endgültige Position, ist also sofort einsatzbereit. Um ihn wieder zu verstauen, reicht es, ihn mit der gebotenen Vorsicht zurück in das Gehäuse zu drücken. Dank dieses Upgrades ist der Sucher mindestens doppelt so nützlich wie bis anhin, weil es Spass macht, ihn bei jeder Gelegenheit spontan zu benutzen; das liess sich von den Vorgängern kaum behaupten.
Das freut den Videografen
Display-Position. Das Display verharrt wie bis anhin bei einer Grösse von 3 Zoll. Es lässt sich um bis zu 180 Grad nach oben schwenken und wird damit dem zeitgeistigen Anspruch der Selfie-Tauglichkeit gerecht.
Klapp-Display. Neu lässt sich das Display nicht nur um 45 Grad, sondern um ganze 90 Grad nach hinten kippen, sodass es bei jedem noch so hohen Hindernis einwandfrei abzulesen ist. Wenn der Schuss trotzdem vermasselt wird, kann es nur noch an zu kurzen Armen liegen.
Touchscreen. Viel wichtiger ist jedoch, dass die RX100 VI mit einem Touchscreen kommt. Mit seiner Hilfe wird der Fokus während Videoaufnahmen geräuschlos auf die gewünschte Stelle verlagert – ein absolutes Muss für eine aktuelle Kamera, die sich mit fortschrittlichen Video-Eigenschaften brüstet.
HLG mit 4K und HDR. Bereits seit Version IV zeichnen die kleinen Sony-Kameras in «S-Log2/S-Gamut» auf; die RX100 VI bietet alternativ eine HLG-Aufzeichnung (für «Hybrid Log-Gamma») in 4K mit HDR-Unterstützung!
Keine externen Mikrofone. Das integrierte Mikrofon bietet eine ansprechende Qualität. Wenn die Schärfe verlagert oder die Brennweite geändert wird, hinterlässt das keine hörbaren Spuren im Video. Dennoch ist es unverständlich, warum die RX100 VI keinen Anschluss für ein externes Mikrofon bietet. Damit disqualifiziert sich die Kamera für Anwender mit hohen Ansprüchen oder für Video-Blogger. Die Kamera verfügt zwar über einen «Multi-Port» im Micro-USB-Format, aber der ist nur dazu da, um die Kamera zu laden oder um eine Fernsteuerung anzuschliessen.
Griff VCT-SGR1. Apropos Fernsteuerung: Beim brandneuen VCT-SGR1 handelt es sich um ein Mini-Stativ oder einen Griff, ganz wie es beliebt. In Daumenhöhe sind Tasten eingearbeitet, mit denen sich die Kamera auslösen oder die Brennweite ändern lässt. Der Preis für den VCT-SGR1 liegt bei etwa 140 Franken.
Zeitlupe. Unverändert ist hingegen die Super-Zeitlupe mit bis zu 960 fps, die maximal 8 Sekunden lang sein kann.
Ergonomie und Bildqualität
Ergonomie
Durch die geringen Abmessungen könnte die Kamera für Fotografen mit grossen Händen schon fast zu klein sein – doch bekanntlich kann man nicht alles haben. Die Tasten auf der Rückseite sind logisch angeordnet. Der winzige Wulst auf der rechten Seite verbessert die Griffigkeit hingegen kaum. Schön wäre es auch, wenn Sony der Kamera ein zusätzliches Einstellrad spendieren würde, das auf der Vorderseite direkt unter dem Zeigefinger liegt.
Hingegen wird die Menüführung bei allen Sony-Kameras immer mehr zu einer Belastung. Die altbackene Struktur zieht sich über geschlagene 34 Bildschirmseiten dahin und verhindert erfolgreich, dass man diese Kamera bereits beim ersten Beschnuppern liebgewinnt. Am besten ackern Sie sich zu Beginn durch das Handbuch und nehmen die gewünschten Anpassungen vor – in der Hoffnung, dass das Menü danach für eine lange Zeit nicht mehr benötigt wird.
Bildqualität
Wie alle ihre Vorgänger arbeitet die RX100 VI mit einem 1-Zoll-Sensor. Das klingt nach wenig, weil die meisten Kameras in dieser Preisklasse mit grösseren Sensoren ausgestattet sind. Allerdings bewies Sony in der Vergangenheit immer wieder, dass sie aus dieser Grösse eine erstaunliche Bildqualität herauskitzeln können – und das hat sich nicht geändert.
Die Bilder sind in der Standard-Einstellung ein wenig blass, doch die Bildwirkung kann im «Kreativmodus» für JPEG-Aufnahmen verändert werden. Und so sorgt die Einstellung «Lebhaft» für die knackigen Ferienbilder, die wir alle so mögen.
In der Dämmerung müssen leichte Abstriche gemacht werden, weil die maximale Blendenöffnung wie erwähnt von ƒ1.8 auf ƒ2.8 geschrumpft ist – also muss entweder die Verschlusszeit verlängert oder der ISO-Wert erhöht werden – Kompromisse, die fast so alt sind wie die Fotografie selbst.
Bildstabilisator
Die RX100 VI ist mit einer Kombination aus einem optischen und einem digitalen Bildstabilisator ausgerüstet, bei Sony unter dem Marketingbegriff «SteadyShot» bekannt. Die längste sinnvolle Verschlusszeit hängt natürlich von der Brennweite ab – aber die wirkt sich nicht so stark aus, wie wir vermutet haben. So konnten wir in der Weitwinkelstellung noch bei 1/8 Sekunde brauchbar-scharfe Aufnahmen schiessen. Beim ungleich längeren Tele mit 200 Millimetern blieben die Chance auf ein annehmbares Bild sogar bei einer 1/16 Sekunde intakt.
Tipp: Die Werte basieren auf Dreierserien, bei denen das beste Bild herausgepflückt wurde – eine Garantie für scharfe Bilder gibt es jedoch nicht. In grenzwertigen Situationen empfiehlt es sich darum, ein halbes Dutzend Bilder zu machen, um die Ausbeute zu erhöhen.
Rauschverhalten
Kleine Sensoren sind anfälliger für Bildrauschen bei schwachem Licht, doch auch hier leistet die RX100 VI mit ihrem 1-Zoll-Modell hervorragende Arbeit. Bei 1600 ISO sind die Bilder noch nahezu rauschfrei. Bei 3200 ISO wird das Rauschen sichtbar, ohne jedoch störend aufzufallen. Erst bei 6400 ISO ist das Rauschen überdeutlich zu sehen. Diese Beschreibung könnte allerdings problemlos zu einem modernen, wesentlich grösseren APS-C-Sensor passen. Und deshalb verdient Sony an dieser Stelle ein dickes Lob.
Kaufberatung und Fazit
Licht und Schatten
Die Sony RX100 VI ist eine hervorragende Kamera und hält, was diese erfolgreiche Serie seit jeher verspricht: maximale Leistung bei minimalen Abmessungen. Tatsächlich muss man den Sony-Ingenieuren neidlos zugestehen, dass sie es immer wieder schaffen, noch mehr technische Feinheiten auf engstem Raum unterzubringen. Sensationell ist auch das massiv erweiterte Tele-Zoom bis 200 Millimeter, ohne dass dabei die ausgeschaltete Kamera dicker geworden ist. Zwei Punkte trüben jedoch das positive Gesamtbild.
Erstens hat sich Sony sehr viel Mühe gegeben, die Video-Funktionen weiter auszubauen und um professionelle Funktionen auszubauen – doch der fehlende Anschluss für ein externes Mikrofon disqualifiziert diese Kamera für anspruchsvolle Anwender und Video-Blogger.
Zweitens leidet die RX100 VI unter derselben zweifelhaften Bedienung wie alle Sony-Kameras. Die endlos-weiten Menüs und die altbackene Darstellung machen den Umgang mit dieser Kamera in der ersten Zeit nicht gerade zu einem Zuckerschlecken. Ausserdem lässt sich der Objektivring in seiner Funktion zwar anpassen, aber irgendwie fehlt auf der Vorderseite ein weiteres Rädchen, das sich mit dem Zeigfinger bedienen lässt. Zugegeben, das ist Jammern auf hohem Niveau – allerdings auf demselben hohen Niveau, auf dem man auch den Preis findet.
Fazit
Die Sony RX100 VI ist die erste Wahl für alle, die kompromisslose Leistung von einer Kamera verlangen, die trotzdem in jede Hosentasche passt. Wenn Sie bereit sind, für so viel verdichtete Technik den Preis zu bezahlen und mit den erwähnten Schwächen leben können, werden Sie mit der RX100 VI eine Menge Spass haben.
Sony CyberShot RX100 VI
Positiv: Grösse, Zoom, Funktionsvielfalt, Sucher, Videoqualität, Rauschverhalten, Bildstabilisator
Negativ: Menüs, Bedienung, kein Mikrofon-Eingang, kein externes Ladegerät
Details: 1-Zoll-Sensor mit 20.1 Mpx, Zoom 24-200 mm bei ƒ2,8–4,5, 315 AF-Punkte, bis 24 Bilder pro Sekunde, Video bis 4K mit 30 fps und HDR, ISO 125–12800, WLAN, NFC, Bluetooth, Gewicht 301 Gramm mit Akku und Speicherkarte
Strassenpreis: ca. 1500 Franken
Info: sony.ch
Negativ: Menüs, Bedienung, kein Mikrofon-Eingang, kein externes Ladegerät
Details: 1-Zoll-Sensor mit 20.1 Mpx, Zoom 24-200 mm bei ƒ2,8–4,5, 315 AF-Punkte, bis 24 Bilder pro Sekunde, Video bis 4K mit 30 fps und HDR, ISO 125–12800, WLAN, NFC, Bluetooth, Gewicht 301 Gramm mit Akku und Speicherkarte
Strassenpreis: ca. 1500 Franken
Info: sony.ch