Turbo-Evolution
23.01.2023, 15:55 Uhr
Test: Apple Mac mini (2023)
Der kleinste Desktop-Mac ist geradezu billig und bringt sogar den Mac Studio in Bedrängnis.
Er wirkt unscheinbar, hat es aber faustdick hinter den Ohren: der neue Mac mini
(Quelle: Apple Inc.)
Nichts ist so wie früher. Als der erste Mac mini 2005 vorgestellt wurde, war die Strategie klar: PC-Anwender sollten einen möglichst schmerzfreien Umstieg zum Mac vollziehen können. Zum Konzept gehörte auch der spartanische Lieferumfang ohne Maus, Tastatur oder Monitor; denn die waren beim wechselwilligen PC-Anwender ja bereits vorhanden, genauso wie ein Monitor.
18 Jahre später ist die Zielgruppe sehr viel breiter. Aus der grauen Maus wurde von Vollblut-Mac, der im unspektakulären, aber edlen Aluminium-Gehäuse daherkommt. Die Konfigurationen reichen vom einfachen Bürorechner für gerade einmal 649 Franken bis hin zum Rechenmonster im Handtaschenformat für 4919 Franken.
Um den Einsteigerpreis richtig einzuordnen, wird der Mac mini am besten mit einem Intel NUC verglichen, den kleinen, populären Barebone-Rechnern aus der Intel-Welt. Als diese Zeilen am 22. Januar geschrieben wurden, kostete ein «Barebone NUC 11 Performance kit NUC11PAHi7 i7-1165G7» mit einem Intel Core i7 Quad-Core-Prozessor bei Brack.ch 619 Franken, also 30 Franken weniger als der günstigste Mac mini – allerdings ohne RAM, ohne SSD und ohne Betriebssystem. Rechne!
Der Lieferumfang …
… könnte einfacher kaum sein. Neben dem Mac mini befindet sich gerade noch das Netzkabel in der Schachtel. Was sich ebenfalls nicht darin befindet, ist ein externes Netzteil. Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern wurde das Gehäuse also nicht geschrumpft, um die Käufer mit falschen Versprechen anzulocken, nur um ihnen beim Auspacken einen verkabelten Ziegelstein vor die Füsse zu werfen.
Technisch vom Feinsten
Was die Anschlüsse betrifft, ist die Auswahl erlesen. Neben zwei antiken USB-A-Anschlüssen warten HDMI 2.1 sowie Thunderbolt 4: Diese Anschlüsse im USB-C-Formfaktor bieten eine Datenübertragung von bis zu 40 Gbit, sind zu USB 4 kompatibel (40 Gbit) sowie zu USB 3.1 Gen 2 (10 Gbit). Über Thunderbolt wird ausserdem adaptiert, was immer gerade nötig ist: HDMI, DVI oder VGA, SD-Kartenleser und anderes Zubehör, für das sich keine zusätzlichen Löcher im Gehäuse lohnen.
Der Ethernet-Anschluss arbeitet mit 1 Gbit, kann jedoch für 110 Franken durch 10-Gbit-Ethernet ersetzt werden. Weitere Verbindungen kommen über Wi-Fi 6E (AX) und Bluetooth 5.3 zustande. Hier ist also alles vertreten, was die Industrie gerade lobpreist.
Doch je nachdem, ob Sie zum Modell mit Apples M2-SoC oder dem M2 Pro greifen, ändert sich bei den technischen Daten so einiges.
Unterschiede M2 vs. M2 Pro
Eine kurze Einführung für alle, die sich bis jetzt noch nicht mit Apples M-Architektur auseinandergesetzt haben.
Beim M2 spricht man gerne von der «CPU», also dem Hauptprozessor. Das vereinfacht das Verständnis, ist aber nicht korrekt. Bei der M-Architektur handelt es sich um vielmehr um ein «SoC» (System on Chip). Alles, was den Rechner definiert, befindet sich auf einem einzigen Baustein: die CPU, die Grafikeinheit und vieles mehr. Auch RAM-Riegel sucht man vergebens, denn zum SoC gehört ein integrierter, superschneller Speicherpool, das «Unified Memory». Daten werden nicht wie bei anderen Systemen herumkopiert, sondern stehen sofort jedem Baustein zur Verfügung, der sie braucht. Das kann unter anderem die Grafikeinheit oder die Neural Engine sein. Dabei sind die Antwortzeiten extrem kurz, weil keine Informationen von hüben nach drüben kopiert werden müssen.
Was es hingegen nicht mehr gibt, sind überholte Bus-Architekturen oder Controller. Stattdessen greift jeder Rechenkern direkt auf den Speicherpool zu. Die Kehrseaite dieser Medaille: Bei dieser Einheit lassen sich weder RAM noch SSD aufrüsten, weil es hier nichts zu stecken gibt.
Der M2 im kleinsten Mac mini definiert die Grundlage: das maximal adressierbare RAM, die Grösse der SSD, die Anzahl der Thunderbolt-Lanes, die Anzahl der Rechenkerne und mehr. Sogar die Anzahl der externen Displays hängt vom SoC ab.
Display. Der M2 befeuert gleichzeitig zwei Displays: über einen Thunderbolt-Anschluss mit 6K bei 60 Hz sowie über einen zweiten Thunderbolt-Anschluss mit bis zu 5K bei 60 Hz. Alternativ kann einer der Thunderbolt-Ports eingespart und das zweite Display über HDMI mit 4K bei 60 Hz angeschlossen werden.
Beim M2 Pro reicht es hingegen für drei Displays: zwei mit einer Auflösung von bis zu 6K bei 60 Hz und einem zusätzlichen Display via HDMI mit 4K bei 60 Hz. Oder nur ein Display, das bei 4K mit bis zu 240 Hz über HDMI angesteuert wird!
RAM. Der M2 bietet 8 GB bis 24 GB RAM, der M2 Pro 16 GB bis 32 GB.
SSD. Der M2 ist mit 256 GB bis 2 TB SSD erhältlich, der M2 Pro mit 512 GB bis 8 TB.
GPU und Speicherbandbreite. Der M2 schaufelt die Daten mit 100 GB pro Sekunde durch die verschiedenen Komponenten, während es beim M2 Pro 200 GB pro Sekunde sind. Die Grafikeinheit kommt ausserdem mit 16 Kernen statt mit 10 Kernen wie beim M2 – und das kann sehr wohl eine Rolle bei High-End-Grafiken spielen, aber nicht im Büroalltag.
Thunderbolt. Und dann sind da noch die Thunderbolt-Anschlüsse, von denen es beim M2 nur zwei Stück gibt. Beim M2 Pro hingegen sind vier Ports verbaut. Diese Anschlüsse bilden wohl für viele Interessenten den Knackpunkt schlechthin: Wenn mehr Peripherie angeschlossen werden soll, ohne dass ein Dock angehängt wird, dann macht der M2 Pro das Rennen – auch wenn die grössere Rechenleistung vielleicht gar nicht gebraucht wird.
Tempo, Speicher, Lüfter
Bei der Geschwindigkeit werden üblicherweise Benchmarks aufgeführt, doch schnöde Zahlen sagen wenig über das Arbeitsgefühl aus. So liest und schreibt die SSD knapp 3 GB pro Sekunde – und sorgt damit für schnelle Programmstarts, genauso schnelle Kopiervorgänge und ganz allgemein für einen dienstfertigen Arbeitsplatz.
Was alles andere betrifft, funktioniert der M2 butterweich. Ich verwende seit einigen Monaten dasselbe M2-SoC in einem MacBook Air – unter anderem für InDesign, Photoshop und für die Videoverarbeitung. Alles funktioniert fliessend und ohne jedes Ruckeln.
Vor allem aber werkelt der Mac mini still und leise. Zwar ist ein Lüfter verbaut, doch Sie werden ihn vielleicht nie zu hören bekommen. Der Mac mini wird im Alltag nicht einmal handwarm und selbst bei der Videoverarbeitung bleibt das Gerät etwa so lautlos wie ein Fliegenpilz.
Videoverarbeitung
Apropos: Beim Tempo wird oft die Videoverarbeitung hervorgehoben, weil sie etwas vom härtesten ist, was man einem Rechner vorsetzen kann: Sie fordert CPU, GPU und SSD gleichermassen. Doch auch hier brilliert der Mac mini: Der M2 unterstützt hardwaremässig das Codieren und Encodieren von H.264, HEVC (H.265), ProRes und ProRes RAW. Damit sind auch jene privaten Anwender auf der sicheren Seite, die mit dem iPhone 14 Pro in der bestmöglichen ProRes-Qualität filmen und die Clips anschliessend schneiden und bearbeiten möchten.
Hingegen fehlt die Hardware-Unterstützung für das junge AV1-Videoformat, das vor allem von Google gefördert wird: Es bietet eine bessere Komprimierung und damit auch besseres Streaming bei reduzierter Datenmenge. Vor allem aber ist die Nutzung lizenzfrei – und damit wird AV1 eine helle Zukunft beschieden sein. Die Apple-Rechner mit M2-SoC können jedoch nicht auftrumpfen, sondern müssen sich wie die meisten anderen PCs ohne Hardware-Unterstützung an der Codierung abmühen. Das wird sich frühestens mit dem M3 ändern – wenn überhaupt.
Kaufberatung und Fazit
Vor dem Kauf sollten Sie sich vor Augen halten, dass später nichts mehr aufgerüstet oder geändert werden kann. Alle Komponenten sind auf dem SoC quasi miteinander verschweisst. Es lohnt sich also, ein wenig zu klotzen, um auch zukünftigen Ansprüchen gerecht zu werden.
M2 oder M2 Pro?
Wenn Sie einen Mac mini für die Schule, für das Heimbüro oder für andere Alltagsaufgaben suchen, greifen Sie ohne lange nachzudenken zum Modell mit dem kleinen M2-SoC, 16 GB RAM und so viel SSD-Speicher, wie Sie Ihrer Meinung nach brauchen. Sie können nichts falsch machen – es sei denn, zwei Thunderbolt-Anschlüsse sind nicht genug. Für viele Anwendungen würden sogar 8 GB RAM reichen, da das «Shared Memory» sehr viel effizienter funktioniert als gewöhnlicher Arbeitsspeicher. Doch wer weiss schon, was die nahe Zukunft bringt: Die speicherfressenden, K.I.-generierten Bilder hatte vor einem Jahr kaum jemand auf dem Radar.
Wenn der Mac mini für umfangreiche, grafiklastige Arbeiten eingesetzt wird, entscheiden Sie sich besser für den M2 Pro. Ein kurzer Vergleich mit 16 GB RAM und 512 GB SSD zeigt folgendes Bild: Das Modell mit dem M2 kostet 1089 Franken, jenes mit dem M2 Pro 1399 Franken – also 310 Franken mehr. Dafür gibt es das bessere SoC mit mehr Grafikkernen und der doppelten Speicherbandbreite, es lassen sich drei statt «nur» zwei Bildschirme anschliessen und auf der Rückseite stehen vier statt zwei Thunderbolt-4-Anschlüsse bereit.
Ab hier ist alles den Wünschen und dem Budget überlassen. Im maximalen Ausbau wartet ein Mac mini mit dem M2 Pro, 32 GB RAM, 8 TB SSD und 10 Gbit Ethernet für 4919 Franken. In dieser Ausführung attackiert die kleine Kiste bereits den Mac Studio, der mit dem M1 «Ultra», 64 GB RAM und 2 TB SSD sogar weniger kostet, nämlich 4839 Franken. Ein detaillierter Vergleich würde hier zu weit führen, doch als Interessent für den Mac Studio sollten Sie die mini-Alternative im Hinterkopf behalten.
Fazit
Der Mac mini steht für ein Kraftpaket, das nur allzu gern unterschätzt wird. In Anbetracht der Leistung ist der kleine Mac sensationell günstig. Und unter allen Macs ist dieses Gerät – zusammen mit einem guten Monitor – der beste Apple-Desktop für die breite Masse.
Testergebnis
Grösse, Tempo, Design, praktisch geräuschlos, Software, Anschlüsse, kein externes Netzteil
Keine hardwaremässige AV1-Unterstützung
Details: Apple M2 SoC, 8 CPU- und 10 GPU-Kerne, 16 GB RAM, 512 GB SSD, 2×Thunderbolt 4 (USB 4, DisplayPort), HDMI 2.1, 2×USB-A, RJ45, Wi-Fi 6E (AX), Bluetooth 5.3, 3,5 Millimeter Klinke
Preis: 1089 Franken
Infos: