Hausmesse «Susecon» 07.04.2019, 14:30 Uhr

Suse: Milliarden-Geschäft Open Source

An der Hausmesse «Susecon» hat der Open-Source-Anbieter Suse einen Ausblick auf das künftige Milliarden-Geschäft gegeben. Der neue Eigentümer EQT setzt auf Wachstum und neue Märkte.
Nils Brauckmann von Suse feierte «Independence Day» nach der Übernahme durch EQT
(Quelle: Harald Weiss)
Der Open-Source-Spezialist Suse hat schon wieder einen neuen Eigentümer. Nachdem das Unternehmen fünf Jahre lang dem britischen Software-Haus Micro Focus gehörte, ist es seit dem 15. März 2019 ein Teil des Portfolios von EQT, einem schwedischen Growth Fond. «Wir haben rund um den Globus ‹Independence Day› gefeiert», sagte Suse-CEO Nils Brauckmann in seiner Keynote an der diesjährigen Hausmesse «Susecon» in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee. Das erinnert an den grössten US-amerikanischen Feiertag, den 4. Juli, an dem die Amerikaner ihre Unabhängigkeit von der englischen Kolonialmacht feiern.
Ob aber die Beziehung zu Micro Focus ähnlich beherrschend war, ist kaum vorstellbar, denn Suse konnte unter dem früheren Eigentümer sein Produkt- und Service-Portfolio deutlich ausbauen. Zwar sagt Brauckmann heute, dass es «eine gewisse Einflussnahme» gegeben hätte. Doch das war offensichtlich nicht zum Schaden des Unternehmens. In den vergangenen sieben Jahren war Suse profitabel und konnte kontinuierlich wachsen. Zuletzt erreichte das Unternehmen mit einem Plus von 15 Prozent einen Umsatz von «über 400 Millionen US-Dollar». Derzeit hat Suse 1750 Mitarbeiter, davon wurden 300 im abgelaufenen Geschäftsjahr eingestellt. Der Anbieter ist in 43 Ländern der Welt vertreten. Weitere Daten über Suse gibt es nicht, denn als nicht-börsennotiertes Unternehmen entzieht es sich den Veröffentlichungspflichten, denen Aktiengesellschaften unterliegen.
Brauckmann feierte in Nashville aber nicht nur die neue Unabhängigkeit, sondern auch die neue Marktposition. «Sobald die Akquisition von Red Hat abgeschlossen ist, sind wir der weltweit grösste unabhängige Open-Source-Anbieter. Und das ist für viele Kunden ein wichtiger Punkt», war sein Hinweis auf die neue Rolle, die Suse im Open-Source-Geschäft einnehmen will. Zu der er noch einen Seitenhieb auf den Konkurrenten hinzufügte: «Das Rot verfärbt sich im Moment zum Blau.»

Der grosse rote Konkurrent

Aber man darf sich durch solche Konkurrenz-Attacken nicht täuschen lassen. Zwischen Red Hat und Suse liegen Welten. So meldeten die Roten Hüte für das jüngste Geschäftsjahr einen Umsatz von 3,4 Milliarden US-Dollar, also das 8,5-fache von Suse. Den grössten Teil davon erzielte Red Hat mit 2,1 Milliarden im US-Markt – wo Suse bislang nur schwach vertreten ist. Aber das könnte sich ändern. Viele Suse-Manager bestätigten, dass sie bereits Anfragen von Red-Hat-Kunden haben, die ein Lock-in mit IBM befürchten.
Der Open-Source-Anbieter Suse lud an die «Susecon» in Nashville über 1000 Gäste ein
Quelle: Harald Weiss
Auch der Abstand nach unten ist bei Suse recht gross, denn es folgt als relevanter Open-Source-Anbieter nur noch Canonical, das im jüngsten Geschäftsjahr 260 Millionen US-Dollar erwirtschaftete. Und damit ist dann der Open-Source-Markt de facto erschöpft. Um es deutlicher zu sagen: Red Hats Marktanteil beträgt rund 84 Prozent, der von Suse 10 Prozent und der von Canonical etwa 6 Prozent. Und mit der Marketing-Power von IBM im Rücken dürfte die marktbeherrschende Stellung von Red Hat eher zu- als abnehmen.
Und dann gibt es noch ein besonders Problem von Suse mit IBM: Big Blue ist der wichtigste Suse-Partner, weil Suse Linux vor allem auf IBM-Mainframes zu finden ist. Auf diesen Umstand angesprochen, reagierte Brauckmann dann auch sehr vorsichtig. «Im Moment gibt es keinen Rückgang, doch was die Zukunft bringt, kann keiner voraussagen», war sein magerer Kommentar, um dann aber doch noch über die Zukunft zu reden – aber in einem anderen Zusammenhang.
«EQT will kräftig investieren; wir haben einen Fünfjahresplan, wonach wir unsere Produkte und Services kräftig ausweiten werden, und zwar sowohl mit Akquisitionen als auch organisch durch eine Erweiterung unserer F&E-Aktivitäten», schwärmte er über die Pläne der neuen Eigentümer. Analysten sehen den Wechsel bei Suses Eigentümer-Verhältnissen ähnlich positiv. «Die neue Unabhängigkeit und die neuen finanziellen Ressourcen erlaubt es Suse, ihre führende Position im Linux-Betriebssystem-Markt weiter auszubauen und gleichzeitig in neue dynamische Märkte wie Cloud-native DevOps zu investieren», sagte Jay Lyman, Principal Analyst bei der 451 Group.
Konkret plant Suse, sich als Allround-Partner für Software-definierte On-Premises-Infrastruktur und Multi-Cloud-Umgebungen zu positionieren. Das soll auch alle neuen Anwendungsbereiche, wie Edge Computing und IoT umfassen. Und das wäre in der Tat eine Art Quantensprung für Suse. Vom früheren Eigentümer gab es wenig finanzielle Unterstützung, folglich konnte man auch nur sehr behutsam reinvestieren. In den aktuellen Meldungen zur «Susecon» zeigte sich das dann auch: Hier ging es hauptsächlich um graduelle Verbesserungen an bestehenden Programmen und Services. Die grossen Neuerungen lassen auf sich warten – allerdings ist der «Independence Day» auch erst ein paar Wochen her.

Milliarden-Geschäft mit Open Source

Suses Nils Brauckmann ist sich bewusst, dass auch der neue Eigentümer EQT einen Exit plant
Quelle: Harald Weiss
Suses neuer Fünfjahresplan könnte mit einem anderen Plan bei EQT übereinstimmen: der Exit-Strategie. Der Fonds ist bekannt dafür, dass er unterbewertete Unternehmen aufkauft, sie auf Wachstum trimmt, um sie nach ein paar Jahren mit Gewinn wieder abzustossen. Das weiss auch Brauckmann. «Natürlich ist EQT kein Technologie-Unternehmen – und will es auch nicht werden; also wird es irgendwann einen Exit geben», sagt er. Das bedeutet entweder Verkauf oder Börsengang. «IPO wäre mir am liebsten, aber man muss sehen, wie die Situation dann ist», kommentierte Brauckmann.
Dass sich EQT jetzt im Open-Source-Markt engagiert, ist nachvollziehbar. Spätestens seit der 34-Milliarden-schweren Red-Hat-Übernahme durch IBM ist Open Source salonfähig geworden. Doch das war nicht der einzige Hinweis auf den Aufwärtstrend von Open Source. Den zweiten lieferte Microsoft mit Akquisition der Entwickler-Plattform GitHub, die sich die Redmonder 7,5 Milliarden US-Dollar kosten liessen. Auch das war ein deutliches Signal an den Markt, dass diese Plattform mittlerweile Business-tauglich geworden ist.
Ein weiterer Beleg war eine Meldung parallel zur «Susecon», laut der Goldman Sachs mehrere selbst entwickelte Investment-Strategie-Programme als Open Source zu GitHub überstellen will. Die Lösungen für Fonds-Management, Investment-Simulationen und Preisprojektionen zählten bislang zum alltäglichen Handwerkszeug der Goldmann-Händler. Gleichzeitig stellt die Bank 100'000 US-Dollar zur Entwicklung von Anwendungen bereit, die auf den Goldmann-Lösungen aufsetzen. «Wir wollen uns als führende Plattform für Investment-Banking aufbauen, etwa so ähnlich, wie es AWS für fürs Computing ist», hiess es dazu seitens Goldman Sachs.



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