Konsumentenschutz kritisiert
10.09.2021, 11:15 Uhr
Überrissene Roaming-Tarife bei Salt – Telko will Anpassungen vornehmen
Statt 1 Franken für 100 MB wird Kunden plötzlich 295-mal so viel verrechnet. Konsumentenschutz-Organisation fordert in einem offenen Brief an Marc Furrer, VR-Präsident von Salt, einen Kurswechsel.
Bei den Roaming-Preisen in der Schweiz kehrt trotz überarbeitetem Fernmeldegesetz keine Ruhe ein. Derzeit stehen im «Blick» die überrissenen Roaming-Preise bei Salt in der Kritik. Dem Bericht zufolge hat sich das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) eingeschaltet.
Eigentlich sollte das revidierte Fernmeldegesetz, das Anfang dieses Jahres in Kraft trat, Kundinnen und Kunden besser schützen. Seit 1. Juli 2021 gelten die neuen Roaming-Regeln. Beispielsweise müssen seither Roaming-Datenpakete 12 Monate gültig sein (PCtipp berichtete). Es ist also nicht mehr zulässig, wenn nicht verbrauchte Daten in den Ferien nach 30 Tagen «verfallen».
«Salt missachtet wissentlich geltendes Recht, verrechnet völlig überrissene Roaming-Tarife und lässt seine eigenen Kunden bewusst in die Kosten-Falle tappen. Das muss nun endlich aufhören», fordert Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes, in einer Mitteilung.
Roaming: 295-mal teurer
Wer bei Salt ein grosses Datenpaket (Data Pack, 5 GB) für die Internetnutzung in den EU-Ländern kauft, zahlt für 100 MB umgerechnet rund 1 Franken. Kaufen Kundinnen und Kunden kein Paket oder ist es aufgebraucht, wird der Standard-Tarif verrechnet. Statt 1 Franken für 100 MB werden dem Kunden laut Konsumentenschutz plötzlich 295 Franken verrechnet. Der Tarif ist also plötzlich 295-mal teurer. «Das ist eine skrupellose Abzocke der eigenen Kunden», sagt Stalder.
Ausserdem ignoriere Salt bewusst geltendes Recht. Obwohl seit 1. Juli Datenpakete grundsätzlich 1 Jahr gültig sein müssen, laufen offenbar bei Salt die meisten nach wie vor nach 30 Tagen ab.
Der Konsumentenschutz bemängelt weiter, dass sich Roaming-Optionen, die 30 Tage gültig sind, ungefragt verlängern, bis der Kunde dies bemerkt und abstellt. «Salt versucht mit diversen Methoden, seinen Kunden möglichst hohe Roaming-Kosten zu verrechnen. Das ist das Gegenteil von Kundenorientierung», kritisiert Stalder.
Überwacher hat die Seiten gewechselt
Aus Sicht der Konsumentenschützer ist klar: Salt zockt die Kunden ab. Deshalb hat die Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen (Konsumentenschutz, FRC, ACSI) Marc Furrer, Verwaltungsratspräsident von Salt, in einem offenen Brief zu einem entschlossenen Kurswechsel aufgefordert.
Marc Furrer ist seit Mai 2021 Verwaltungsratspräsident von Salt. Vorher war er elf Jahre Präsident der Eidgenössischen Kommunikationskommission (ComCom) und von 1992 bis 2004 Direktor des BAKOM. Furrer hat somit quasi die Seiten gewechselt, vom Überwacher zu den Überwachten.
Im offenen Brief heisst es: «Sie sind seit Mai 2021 Verwaltungsratspräsident von Salt. Ihnen alle erwähnten Versäumnisse anzulasten, wäre deshalb unfair – dafür sind andere verantwortlich. Sie sind jedoch verantwortlich, dass Salt nun konsequent den Kurs wechselt, weg von den exorbitanten Standard-Tarifen, weg von den Kostenfallen, weg von der bewussten Missachtung geltender Vorschriften – hin, zu fairen Roaming-Tarifen, dem Verzicht auf Kostenfallen und einer tiefen Standardlimite, die tatsächlich vor hohen Roaming-Rechnungen schützt.»
Das Bakom steht offenbar mit Salt in Kontakt. «Salt vertritt teilweise eine andere Rechtsauffassung als das Bakom», sagte ein Sprecher zu «Blick». Falls es zu keiner Einigung über die Auslegung der Bestimmung komme, müsste letztlich ein Gericht entscheiden.
Update 10.09.21/13:00 Uhr: Auf Anfrage von PCtipp sagt eine Salt-Sprecherin, man werde Anpassungen vornehmen. «Auch Salt bietet Roaming-Pakete an, die 12 Monate gültig sind. Die Pakete mit kürzeren Laufzeiten bieten wir weiterhin an, weil sie bei Kunden, die nur selten oder kurz im Ausland sind, einem Kundenbedürfnis entsprechen und diese von den vorteilhaften Preisen profitieren können. Die Kunden haben die Wahl», sagt Salt.
Das BAKOM habe dem Telko jetzt aber signalisiert, dass es die Vorschriften anders interpretiere und alle Roaming-Optionen eine zwölfmonatige Laufzeit haben sollen. «Wir sind deshalb daran, diese Umstellung vorzubereiten. Sie ist noch in diesem Jahr geplant», so die Salt-Sprecherin.