5G: Der neue Mobilfunkstandard im Detail
Zahlreiche Neuentwicklungen für 5G
Zunächst müssen bei 5G divergierende Anforderungen in Einklang gebracht werden – hohe Datenraten, energiesparende Funktechnik, tiefe Latenzen und möglichst breite Abdeckung. Die Lösung besteht darin, dass längst nicht jede Anwendung alle genannten Eigenschaften gleichzeitig benötigt. 5G unterstützt deshalb verschiedene Nutzungsprofile und reserviert exklusive Netzkapazitäten – genannt «Network Slicing». Bildlich gesprochen, möchte ja nicht jeder eine gleich dicke Scheibe Brot auf dem Teller haben. Analog dazu koexistieren in 5G Datenströme mit unterschiedlichen Parametern. Von dieser Möglichkeit profitieren etwa Sicherheits- und Rettungsdienste. 5G erreicht dies durch eine Virtualisierung von Netzfunktionen (NFV). Das Mobilfunknetz entscheidet dann nutzerabhängig, dass bestimmte Datenpakete mit minimaler Latenz und andere mit maximaler Datenrate transportiert werden. NFV kennt man bereits vom Software Defined Networking (SDN).
Ein weiteres wichtiges Feature ist das sogenannte «Beamforming» mit variabler Antennencharakteristik. Damit kann man einen schmalen, dafür längeren Strahl in eine entfernte Ecke einer Funkzelle führen oder aber ihn massiv kürzen, dafür verbreitern, um damit eine höhere Sendeleistung auf eine kurze Distanz zu beschränken und einem nahen Teilnehmer einen möglichst schnellen Link bereitzustellen. «Beamforming» ist nach heutiger Gesetzgebung in der Schweiz nicht möglich, weil die hierzulande engen Anlagengrenzwerte damit zeitweilig überschritten würden (vgl. Box «5G-Rollout in der Schweiz gefährdet»).
Besonders für extrem kurze Reaktionszeiten sind neue Ansätze erforderlich. Um beispielsweise die geforderte Latenz von wenigen Millisekunden zu erreichen, rückt bei 5G ein Teil der Netzintelligenz zur ultraschnellen Verarbeitung der Daten möglichst nah an die Endgeräte heran – aus Sicht des Netzbetreibers an den Rand (Edge). Nach Jahren der Zentralisierung von Netzfunktionen passiert beim «Mobile Edge Computing» nun genau das Gegenteil. Bei 5G enthält jede Basisstation einen eigenen Cloud-Server, der Daten beschafft, lokal speichert und verarbeitet.
Statistische Voraussagen
Die nächste Frage ist nun, woher der lokale Cloud-Server weiss, welche Daten seine Clients als Nächstes benötigen. Hier kommen intelligente Algorithmen ins Spiel, die dank statistischer Vorhersagen bereits im Voraus wissen, welche Daten eine Anwendung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als Nächstes benötigt. In der produzierenden Industrie ist diese Vorhersage zentral, denn wenn falsche Daten aus der externen in die lokale Cloud geholt werden, wird im schlimmsten Fall Ausschuss produziert oder der Produktionsprozess kommt gar ins Stocken. Die hohen Erfolgsquoten zeigen, dass dies jedoch nur sehr selten passiert.
Auch bei der Verkehrssteuerung ist man mit intelligenten Algorithmen erfolgreich, da sich der voraussichtliche Fahrweg oder das Verhalten vernetzter Fahrzeuge recht gut vorausbestimmen und der Verkehr dementsprechend steuern lässt. Bei der Telemedizin muss der lokalen Cloud bekannt sein, welche potenziellen Fälle zu lösen sind, um schnell die richtige Hilfe zu organisieren. Es liegt auf der Hand, dass in allen Fällen verlässliche Daten über das Verhalten der Maschine oder des Nutzers vorhanden sein müssen, um eine passende Vorhersage erstellen zu können. Aber in den meisten Fällen sind die Daten ohnehin vorhanden und müssen nur noch richtig interpretiert werden.
Im ersten Quartal dieses Jahres wurde die Branche durch die Meldung irritiert, dass die US-amerikanische Regierung ihr künftiges 5G-Netz wegen angeblicher Sicherheitslücken selbst bauen will. Sofort kam die Frage auf, ob 5G denn generell unsicher sei, was klar verneint werden kann. Eine gewisse Unsicherheit besteht bei Themen wie Cloud oder IoT ohnehin. Die Kombination mag die Einfallstüre für böswillige Angriffe aus dem Internet ein wenig weiter öffnen. Erschwerend hinzu kommt, dass die äusserst kleine Latenz praktisch keine Zeit für ausführliche Virenscans oder intensive Packet Inspections lässt. Daher hilft auch hier ein intelligenter Algorithmus in der lokalen Cloud, der das Risiko einer böswilligen Veränderung eines Datenpakets bewertet und vorsorgliche Massnahmen trifft. Zudem sprechen 5G-Entwickler von einer übergeordneten Sicherheitsstrategie, die alle Bereiche einschliesst. Die Sicherheit wird also auch bei 5G gewährleistet sein und die US-Regierung folgt in ihrer Sicherheitsbewertung von 5G wohl eher ihrer eigenen protektionistischen Strategie gegen asiatische und andere ausländische Lieferanten.